Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bahn:Heureka - ein Geistesblitz!

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Lange Schlangen in der Post? Kein Problem. Pendeln in der zu kurzen S-Bahn? Geschenkt. Gerade hat Bahnchef Lutz bewiesen, dass Nörgeln fehl am Platze ist. Er hat die Lösung für notorisch überfüllte Fernzüge gefunden.

Von Dieter Sürig

Es gibt Dinge, die sich in jeder Generation wiederholen. "Wenn du frierst, zieh' dich wärmer an", pflegte Mutter im Winter zu sagen. So banal der gute Rat, so sicher war die Trotzreaktion, gerade deswegen weiter im T-Shirt einen Schnupfen oder noch besser: eine Lungenentzündung zu riskieren. Hauptsache, man kam um das Eingeständnis herum, nicht selbst diesen Geistesblitz gehabt zu haben. Berufstätige können sich solche Arroganz weniger leisten. Wenn der IT-Techniker empfiehlt zu prüfen, ob der streikende Computer überhaupt ans Stromnetz angeschlossen ist, kann man sich darüber aufregen, für doof gehalten zu werden - oder gleich das Kabel in die Dose stecken. Durch solche Erlebnisse geerdet, ist mancher dazu geneigt, sich höheren Mächten zu unterwerfen: dass sich in der Post lange Schlangen bilden, weil nur zwei der vier Schalter geöffnet sind - kein Problem. Zusammengepfercht in der zu kurzen S-Bahn pendeln - geschenkt. Die Manager mit ihren Millionengehältern, die Besten der Besten, werden schon wissen, was sie tun. Zu oft arbeiten sich Konzernchefs zum Wohle der Kunden auf und ernten nur: Häme. Gerade hat Bahn-Chef Lutz wieder bewiesen, dass subversive Gedanken von Nörglern fehl am Platze sind. In einem heurekagleichen Moment scheint er die Lösung gegen notorisch überfüllte Züge wie etwa in Indien gefunden zu haben. Immerhin muss die Bahn sechs Fernzüge pro Woche zwangsräumen, weil sie aus Versehen zu viele Fahrkarten verkauft hat. Das kann nicht so weitergehen. Längere Züge, verriet Lutz nun dem Handelsblatt, "helfen gegen überfüllte Züge". Und dann noch diese bahnbrechende Einsicht zu Stuttgart 21: "Mit dem Wissen von heute würde man das Projekt nicht mehr bauen", sagte er im Bundestag. Gut, dass da nach dem Maschinenbauer Mehdorn und dem Flugzeugtechniker Grube endlich jemand die Bahn führt, der Betriebswirtschaft studiert hat, möchte man dem Konzern zurufen. Und hoffen, dass die Erkenntnisse nicht doch von teuren Unternehmensberatern kamen. Ähnlich wie bei Bahlsen. Die Keksbäcker mussten die Maschinen einst bei jedem Produktwechsel 20 Minuten lang stoppen, um eine Bürste zu reinigen, die Eigelb aufstreicht. Japanische Berater empfahlen dann, doch die saubere Zweitbürste zu nehmen, die sowieso in der Ecke hing.

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Quelle:
SZ vom 21.04.2018
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