Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bahn: Hartmut Mehdorn:Lächeln in der Nachspielzeit

Noch einmal sucht Bahnchef Hartmut Mehdorn das Rampenlicht, als Sponsor von Hertha BSC Berlin. Doch in ihm brodelt es.

Michael Bauchmüller

Der Mann ist braungebrannt, für seine Verhältnisse sieht Hartmut Mehdorn auf den ersten Blick unendlich entspannt aus. Vor ein paar Tagen noch war er auf Segeltörn im Mittelmeer, auf dem Boot eines Freundes. Viel Sonne, viel Wind, sagt Mehdorn, "alle Hände voll zu tun" - auf dem Segelboot. Vor allem aber: etwas Abstand zu den letzten Tagen des März. So leicht, das soll die Botschaft des Bahn-Chefs sein, lässt er sich nicht unterkriegen.

Montagvormittag, elf Uhr auf dem Berliner Hauptbahnhof. Auf Gleis 12 fährt Lok 101.144 ein. Sie ist jetzt nicht mehr rot wie andere Intercity-Lokomotiven, sondern graublau, gestaltet im Design von Deutscher Bahn und Berlins Fußballhoffnung Hertha BSC; die Bahn will den Verein zwei weitere Jahre sponsern. Es ist möglicherweise Mehdorns letzter öffentlicher Auftritt als Bahn-Chef.

Wie so oft in der letzten Zeit, mal bewusst, mal gezwungenermaßen, beginnt Mehdorn mit dem Blick zurück. Drei Jahre sei es her, da habe er sich abends mit Hertha-Manager Dieter Hoeneß getroffen. Der suchte einen neuen Sponsor, mehrere Stunden saß man beisammen. Am Ende machte Mehdorn mit, einzige Bedingung: Die Hertha, damals noch im Tabellen-Mittelfeld, sollte weniger rote und gelbe Karten kassieren.

Streitbar und hemdsärmelig

Dass Mehdorn nun ausgerechnet mit Hoeneß zusammen einen seiner letzten Auftritte bestreitet, ist nicht ohne Ironie. Beide gelten als streitbare Manager, haben ein hemdsärmeliges Verständnis von Führung. Beide haben Probleme. Während Mehdorn schon vor drei Wochen die Segel strich, vor der Datenaffäre kapitulierte, kämpft Hoeneß noch mit den Widerständen beim eigenen Klub. Seinen Rückzug hat er für 2010 angekündigt, doch viele wollen ihn eher gehen sehen. Neben Trainer Lucien Favre findet er keinen Platz mehr auf der Bank wie früher noch. Er finde, sagt Mehdorn dann noch, Hoeneß solle bis zum Ende seines Vertrages die Hertha führen. Hoeneß wiederum hatte kurz zuvor sein tiefes Bedauern über Mehdorns erzwungenen Abgang bekundet. "Ich glaube, dass da ein großer Fehler gemacht worden ist."

Mehdorn selbst sieht das keinen Deut anders. Sicher, der Zeitpunkt für den Abgang sei letztendlich ganz gut gewesen, sagt er inzwischen. "Ich bin ja bald 67." Aber die Umstände seiner Abdankung hält er immer noch für einen schlechten Witz. Ursprünglich hatte Mitte März alles so ausgesehen, als sei die Affäre um den Abgleich von Mitarbeiterdaten mit denen von Auftragnehmern ausgestanden, da brachen neue Enthüllungen über die Kontrolle von E-Mails Mehdorn das Genick. Und der Vorstandschef der Bahn besteht nach wie vor darauf, nichts angeordnet, nichts gewusst zu haben.

Es brodelt weiter in Mehdorn. Die Aufarbeitung einer Datenaffäre mitten in einer Wirtschaftskrise, ein Wechsel an der Spitze der Bahn in Zeiten, in denen alles bergab geht - das geht Mehdorn über die Hutschnur. Redet er darüber, gerät er in Rage. Dann ist der Segeltörn wie weggeblasen. Am Samstag wird der Aufsichtsrat den Wechsel auch formal vollziehen, dann ist Mehdorns Spielzeit bei der Bahn vorbei. Dafür hat er jetzt ein neues Trikot, von der Hertha: die Nr. 1, Mehdorn. Als Erinnerung.

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SZ vom 21.04.2009/mel
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