Schienenverkehr:Bahn-Chaos könnte zwei Vorstände die Jobs kosten

Bahnverkehr nach der Sperrung des Frankfurter Hauptbahnhofs

Viele Probleme bei der Bahn bringen die Konzernspitze unter Druck und verunsichern die Beschäftigten.

(Foto: Andreas Arnold/dpa)
  • Die Querelen im Vorstand kommen für die Bahn zur Unzeit. In der Kritik stehen vor allem die Chefs des Güter- und Personenverkehrs Alexander Doll und Berthold Huber.
  • Die Gründe reichen von ICE-Zügen, die auf neugebauten Schnellstrecken nur Schrittgeschwindigkeit fahren und ausbleibende Aufträge bei der Tochter DB-Cargo.

Von Markus Balser, Berlin

Gerade mal zwei Wochen ist es her, da feierte Bahnchef Richard Lutz, 55, in Berlin noch die strahlende neue Bahnwelt. Der Konzern hatte Großkunden auf ein altes Werkstattgelände am Rande der Hauptstadt im Grunewald eingeladen. Neue Sitze, Chatbots, intelligente Ansagen: In einer aufwendig inszenierten Show führte Lutz zwischen alten Zügen Neuheiten an Bahnhöfen, in Zügen oder im Netz vor, die Reisenden das Bahnfahren leichter machen sollen. Die Botschaft: Die Bahn fährt gerade mit hohem Tempo und neuer Technik aus der Krise.

Doch hinter den Kulissen gibt es auch intern am strahlenden Image Zweifel. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung rumort es gewaltig im Konzern, und zwar auf mehreren Ebenen. Der Aufsichtsrat ist unzufrieden mit Teilen des Vorstands, Vorstände sind untereinander zerstritten, und auch Spitzenmanager unterhalb des Vorstands vermissen eine klare Linie im Konzern.

Die anhaltende Krise des Unternehmens dürfte nach Angaben aus dem Aufsichtsrat in Kürze erste personelle Konsequenzen haben. Schon am Donnerstag kommt es zu einem Showdown: Bei einer Aufsichtsratssitzung erwartet man im Gremium vor allem eine Abrechnung mit dem bisherigen Güterverkehrs- und Finanzvorstand Alexander Doll. Auch die Zukunft von Personenverkehrsvorstand Berthold Huber hänge am seidenen Faden, heißt es. Teile des Gewerkschaftslagers fordern seine Ablösung. In Vorgesprächen von Aufsichtsräten und Gewerkschaften ging es am Mittwoch auch um seine Zukunft.

Aufsichtsräte sprechen hinter vorgehaltener Hand von einer sehr kritischen Situation im größten deutschen Staatskonzern. Die Ablösung von Vorständen hat bei der Bahn eigentlich großen Seltenheitswert. Doch vor allem Doll scheint kaum zu halten, weil auch das Verhältnis zu Konzernchef Richard Lutz als angespannt gilt. "Es läuft vieles auf eine Trennung in den nächsten Wochen hinaus", sagt ein Aufsichtsrat.

Für die Bahn kommen die Probleme zur Unzeit. Politisch könnte es für den Konzern kaum besser laufen. Für mehr Klimaschutz im Verkehr stockt die Bundesregierung die Mittel für den Konzern deutlich auf. Gleich mehrere Milliarden Euro sollen künftig zusätzlich aus den Steuerkassen zur Bahn fließen - eigentlich allerdings damit sie ihr Geschäft ausbauen kann. Doch Probleme im Konzern bleiben nach Einschätzung von Aufsichtsräten schon viel zu lange ungelöst und drohen Teile der Zusatzeinnahmen aufzuzehren - ohne Verbesserung für den Kunden.

Da sind Probleme beim Verkauf der Auslandstochter Arriva. Der dauert länger und bringt wohl auch weniger Geld ein als erwartet. Arriva wurde immer auf bis zu vier Milliarden Verkaufswert geschätzt, das scheint inzwischen außer Reichweite. Vor allem aber bekommt die Bahn die Krise ihrer Gütertochter DB Cargo einfach nicht in den Griff. Vor eineinhalb Jahren wurde Ex-Banker Doll deren Chef und sollte genau das schaffen.

Die Ablösung von Vorständen ist bei der Bahn eher selten

Seitdem aber sei die Situation der Tochter schlimmer statt besser geworden, schimpft ein Aufsichtsrat. Lag der Verlust der DB Cargo 2018 noch bei 190 Millionen Euro, rechnet der Konzern intern in diesem Jahr schon mit 300 Millionen Euro Verlust (Ebit). Ohne Erleichterung bei den Trassenpreisen hätte sich der Verlust auf 380 Millionen Euro wohl gar verdoppelt. Insgesamt geht der Konzern nur noch von 1,8 Milliarden Euro Gewinn für das Gesamtjahr aus.

Die Bilanz des zuständigen Gütervorstands sei verheerend, heißt es im Aufsichtsrat und personelle Konsequenzen nötig. Klar ist bereits, dass Doll die Gütersparte an den geplanten Neuzugang im Bahn-Vorstand abgeben soll. Der Aufsichtsrat will die Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe, Sigrid Nikutta, für den Posten einstellen. Doch auch den Finanzposten könne Doll verlieren, heißt es weiter.

Unklar ist noch, ob der Konzern den Wert der Tochter in den Büchern neu bewerten muss. Schon einmal, im Geschäftsjahr 2015, hatte Cargo mit 1,3 Milliarden Euro Wertberichtigungen den Bahn-Konzern tief in die Verlustzone gedrückt. Die Bahn äußerte sich zu den Problemen der Gütertochter oder möglichen Personalien am Mittwoch nicht.

Züge im Schritttempo auf der Hightechstrecke München-Berlin

Auch im Fernverkehr halten die Probleme an. In den vergangenen Tagen legte eine Softwarepanne Dutzende ICEs lahm, die auf Schnellstrecken teilautomatisch unterwegs sind. Sie ließen sich auf der Hightechstrecke München-Berlin nur noch im Schritttempo fahren. Allein auf der Neubautrasse sind 40 Züge betroffen. Sie würden derzeit durch Fahrzeuge anderer Baureihen ersetzt oder verkehren in Einzelfällen in Umleitung über andere Strecken, erklärte ein Bahnsprecher. Dadurch können sich Fahrzeitverlängerungen von 30 Minuten ergeben.

Die Bahn hoffe, die Probleme in dieser Woche beheben zu können. Die weiterhin schwachen Pünktlichkeitswerte des Konzerns geraten damit allerdings weiter unter Druck - und damit auch der zuständige Personenverkehrsvorstand Huber, dem auch seine Verstrickung in die Berateraffäre zu schaffen macht. Teile der größten Bahngewerkschaft EVG fordern derzeit hinter den Kulissen vehement seine Ablösung.

Die Probleme treffen auf ein Ultimatum des zuständigen Verkehrsministers. Andreas Scheuer (CSU) hatte dem Bahnvorstand kürzlich eine letzte Frist für Verbesserungen gesetzt. Lutz solle bis zum 14. November Maßnahmen gegen Zugverspätungen und -ausfälle sowie Personalmangel vorweisen.

Auch im Bundestag herrscht angesichts der anhaltenden Probleme Alarmstimmung. "Wir brauchen dringend zusätzliche Milliarden für den Schienenverkehr und die Bahn", sagt der Grünen Finanzpolitiker Sven-Christian Kindler. Doch ohne eine Strukturreform der Deutschen Bahn mit dem Fokus auf das Gemeinwohl und die Änderung der Rechtsform drohe das Geld ohne Wirkung zu versickern.

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