Der Bahn geht es ums Prinzip. Monat für Monat veröffentlicht sie um den 15. herum ihre Zahlen für die Pünktlichkeit. In aller Regel kein erfreulicher Termin, da es in aller Regel keine erfreulichen Ergebnisse zu verkünden gibt. Laut der Bild sollen sie für den Juni nun ganz besonders unerfreulich sein. Auf 52,5 Prozent sei die Pünktlichkeit im vergangenen Monat abgesackt, berichtet die Zeitung. Das wäre der schlechteste Wert des Jahres und ein deutlicher Abfall im Vergleich zu Februar, März, April und Mai, als „nur“ jeder dritte Zug Verspätung hatte. Die Nachrichtenagentur dpa spricht von 55 Prozent.
Aber wie gesagt: Der Bahn geht es ums Prinzip. Sie veröffentlicht ihre Pünktlichkeitswerte zur Mitte eines jeden Monats. Und nur, weil ein extrem reichweitenstarkes Medium sie dieses Mal vorab herausgefunden haben will, heißt das noch lange nicht, dass man sie früher herausgibt.
„Was wir bestätigen können: Die Extremwetterlage in der ersten Juni-Hälfte hat uns einen massiven Pünktlichkeits-Dämpfer verpasst“, teilt ein DB-Sprecher mit. Demnach haben die Flutschäden in gleich mehreren Regionen Deutschlands die Fernverkehrssparte im vergangenen Monat 15 Prozentpunkte bei der Pünktlichkeit gekostet. Ein Schelm, wer jetzt – optimistisch – den bisher höchsten Pünktlichkeitswert des Jahres (67,6 Prozent im März) nimmt, 15 subtrahiert – und ziemlich genau bei dem Wert herauskommt, den die Bild berichtet.
Einen schlechteren Zeitpunkt hätte es kaum geben können
Aber die Zeitung berichtet noch etwas anderes. Sie spricht von einem „neuen Unpünktlichkeits-Rekord“, natürlich inklusive Ausrufezeichen. So schlecht sei „die Bahn seit Jahren nicht mehr“ gewesen. Doch auch, wenn sich das für den ein oder anderen Bahn-Kunden gerade so anfühlen mag: Es stimmt nicht. Bereits im November vergangenen Jahres war die Pünktlichkeit im Fernverkehr schon einmal auf 52 Prozent abgerutscht. Damals hatte sich nach Bahn-Informationen die Zahl der Baustellen innerhalb kurzer Zeit massiv erhöht, was zu reihenweise Ketten-Verspätungen geführt habe.
Die Bahn war damals aufgrund des hohen Bauvolumens also quasi „selbst schuld“. Das sei dem DB-Sprecher zufolge dieses Mal anders gewesen. „Im Juni 2024 verzeichneten wir die höchste bisher gemessene Anzahl an unwetterbedingten Verspätungen im Fernverkehr“, sagt er. Im Schnitt mehr als 400 Fernzüge pro Tag seien von externen Einflüssen wie Hangrutschen, Überflutungen und Dammschäden betroffen gewesen. Das liege mehr als 100 Prozent über den Normalwerten und mehr als 33 Prozent über den Monaten während der Flutkatastrophe im Sommer 2021. Das sind dann doch ganz schön viele Zahlen dafür, dass das Unternehmen noch keine Zahlen herausgibt.
Unabhängig von den Ursachen ist für die Bahn jedoch klar: Einen schlechteren Zeitpunkt für so einen Pünktlichkeitseinbruch hätte es kaum geben können. Millionen Fußballfans sind aufgrund der EM gerade im Land, die Deutsche Bahn sollte mit ihrem Angebot wesentlich dazu beitragen, dass es „das nachhaltigste Fußballturnier überhaupt“ wird. Statt einer Werbeveranstaltung für die Bahn ist die EM zum letzten Beweis geworden, wie schlecht es um die Infrastruktur dieses Landes wirklich bestellt ist – und um den Konzern gleich mit.