Deutsche Bahn:Dobrindt droht dem Bahn-Chef

Sommer-Pressereise mit Bundesminister Dobrindt und DB-Vorstandsvorsitzenden Dr. Grube

Sommerausflug nach Hamburg: Bahn-Chef Rüdiger Grube und Verkehrsminister Alexander Dobrindt.

(Foto: Oliver Lang/DB)
  • Der Vertrag von Bahn-Chef Rüdiger Grube läuft Ende 2017 aus - er würde gern weitermachen.
  • Für die Verlängerung stellt Verkehrsminister Dobrindt aber drei Bedingungen, die zumindest anspruchsvoll sind.
  • Zugleich muss sich die Bahn im Konkurrenzkampf mit den Fernbussen behaupten.

Von Thomas Öchsner, Hamburg/Berlin

Wenn zwei Politiker oder Manager für ein Foto Harmonie oder zumindest eine gewisse Einigkeit demonstrieren sollen, kann das manchmal danebengehen. Auf den Bildern sind dann zwei Menschen zu sehen, deren Körpersprache verrät, dass sie sich nicht leiden können. Bei Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bahn-Chef Rüdiger Grube ist das nicht so. Hier oben auf der Dachterrasse des größten Rangierbahnhofs Europas stehen zwei Männer zusammen, die offenbar ganz gut miteinander können - mittlerweile, wie Vertraute sagen. Dabei gäbe es gute Gründe für ein spannungsreiches Verhältnis.

Maschen, südlich von Hamburg. Von der Dachterrasse aus können die Besucher auf ein sieben Kilometer langes und 700 Meter breites Areal von Gleisen hinunterschauen. Auf dem Rangierbahnhof fahren Güterzüge ein und mit neu sortierten Wagen wieder hinaus. Dobrindt ist als zuständiger Minister hierher gekommen, um sich einen Eindruck davon zu verschaffen, ob Grubes Konzept "Zukunft Bahn" greift, ob es der Vorstandschef des größten deutschen Staatskonzerns schafft, das Unternehmen aus seiner schwersten Krise seit vielen Jahren herauszuführen.

19-Euro-Tickets wird es bis September weiter geben

Klar, bei so einer von Journalisten begleiteten Sommerreise, die morgens in Berlin beginnt und mit dem ICE zuerst nach Hamburg führt, kann Dobrindt normalerweise nicht viel Neues erfahren. Aber allein, dass er gekommen ist, lächelnd mit Grube für die Fotografen posiert, zeigt, dass er den 64-jährigen Manager noch lange nicht abgeschrieben hat. Außerdem sagt der für die Bahn zuständige Verkehrsminister heute einen Satz, der für Grube etwas Beruhigendes haben muss: "Das oberste Ziel der Bahn heißt nicht Gewinnmaximierung." Für Dobrindt sind die Zeiten, in denen der Bund als Alleineigentümer der Bahn auf 500 Millionen Euro Dividende pro Jahr gepocht hatte, vorbei. Seit 2015 bekommt die DB ihre ausgeschütteten Gewinne für neue Investitionen zurück.

Trotzdem gibt es für Grube so etwas wie eine Drohkulisse, die Dobrindt auf der Fahrt in die Hansestadt noch einmal aufbaut: Ende 2017 läuft der Vertrag des Vorstandschefs aus. Grube würde gerne weitermachen. Die Bahn, das spürt man in jedem Gespräch mit ihm, ist für ihn nicht irgendein Unternehmen, das er managt. Grube könnte für viel mehr Geld woanders der Boss sein, aber irgendein Industriekonzern ist eben nicht die Deutsche Bahn.

Kein Defizit, mehr Pünktlichkeit, Digitalisierung

Dobrindt findet es aber viel zu früh, jetzt schon über Grubes Vertrag zu reden. Er hat die Verlängerung an drei Bedingungen geknüpft. Erstens: Nachdem die Bahn im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit Jahren ein Minus und dann auch noch von satten 1,3 Milliarden Euro eingefahren hat, "darf es kein Defizit mehr geben", sagt er. Zweitens: "Die Pünktlichkeit muss besser werden". Drittens: "Die Digitalisierung muss klappen, zum Beispiel bei der Ausstattung der Züge mit Wlan."

Hört man nun Grube auf der Fahrt nach Hamburg zu, erweckt er den Eindruck, dass Dobrindt die Messlatte nicht zu hoch gehängt hat. Am Mittwoch verkündet die Bahn die Ergebnisse für das erste Halbjahr 2016, und so viel ist aus den Aussagen des Bahnchefs herauszuhören: Die Geschäftszahlen werden besser aussehen als befürchtet und es die vielen Fernbusse auf Deutschlands Autobahnen vielleicht erwarten lassen. Grube will unbedingt wieder ordentliche schwarze Zahlen sehen. Auch er sagt: "Gewinnmaximierung um jeden Preis wäre sicher ein Fehler. Es wäre aber auch falsch, wenn wir mit dem Geldverdienen aufhörten. Wie sollten wir dann zum Beispiel neue Züge kaufen können oder unsere Infrastruktur in Ordnung halten?"

Der Bahn-Chef sieht Fortschritte

Aber ist dies so wie in den vergangenen Jahren weiter ohne flächendeckende Preiserhöhungen im Fernverkehr zu schaffen? Grube versichert: "Die Zeit für große Fahrpreiserhöhungen ist vorbei. Man muss sich auch genau anschauen, was das bewirkt." Mehr verraten will er noch nicht: "Im Herbst entscheiden wir in aller Ruhe, wie es weitergeht." Sicher ist nur: Die Bahn bietet ihren Kunden vorerst weiter Billigtickets an, um mehr Fahrgäste zu gewinnen. Weil die 19-Euro-Spartickets gut ankommen, wird die Sparpreiskampagne bis Mitte September verlängert.

Auch beim Thema Pünktlichkeit sieht Grube Fortschritte. 2016 sollen wenigstens 80 Prozent der Fernzüge nach Fahrplan und nicht mehr als fünf Minuten zu spät ankommen. Anfang des Jahres war der Konzern davon noch weit entfernt. Nun sagt der Bahnchef: "Im Juli haben wir bislang eine Monatsdurchschnitts-Pünktlichkeit von rund 80 Prozent erzielt." 2015 sei der Juli hingegen noch der schlechteste Monat mit einer Pünktlichkeitsquote von durchschnittlich 66 Prozent gewesen. Das Unternehmen habe zum Beispiel die Pünktlichkeit bei den Abfahrten verbessert. Im Hauptbahnhof Köln, der in diesem Punkt bisher am schlechtesten abschnitt, sei der Wert von 49 auf 79 Prozent gestiegen. Auch alle anderen Knotenbahnhöfe hätten sich deutlich verbessert. "Jetzt arbeiten wir an der Ankunfts- und Anschlusspünktlichkeit im ganzen Netz. Beispielsweise verbessern wir das Management an denjenigen Baustellen, die die größten Treiber für Verspätungen sind", sagt Grube.

Bleibt die Digitalisierung: 100 Millionen Euro investiert der Konzern in ein leistungsfähigeres Wlan-System und in neue Mobilfunkrepeater. Bis Ende des Jahres sollen alle 260 ICE so umgerüstet sein, dass die Kunden auch in der zweiten Klasse kostenfrei ins Internet kommen und Gespräche per Handy deutlich weniger häufig unterbrochen werden.

"Knochenarbeit" im Chefsessel

Der Bahn-Chef sieht das Unternehmen und sich also auf Kurs. Die Chancen, dass sein Vertrag noch einmal verlängert wird, scheinen gar nicht so schlecht zu sein, zumal die Kanzlerin sich keine neuen Probleme schaffen will und sich weit und breit kein Nachfolger oder eine Nachfolgerin aufdrängt. Aber selbst wenn er Dobrindts Bedingungen erfüllt, gibt es keine Garantie, dass es so kommt.

Wird Grube auf das leidige Thema angesprochen, wird der sonst so freundliche Manager schmallippig: "Die Aufgabe, die ich hier übernommen habe, ist Knochenarbeit", sagt er. Der Rest sei "Sache des Aufsichtsrats".

Weniger Maut

Die Güterzüge der Bahn fahren seit Jahren Verluste ein. Immer mehr Waren werden auf der Straße transportiert. Das liegt auch an der niedrigen Lkw-Maut. Dennoch muss Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Gebühren für den Lkw-Verkehr womöglich weiter senken. Der Grund: die niedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank. Eine EU-Richtlinie verpflichtet Deutschland dazu, Infrastrukturgebühren wie die Lkw-Maut an den konkreten Kosten und damit auch an Zinsen für das Anlagevermögen, wie Baugrund, Fahrbahnen und Rastplätze auszurichten. Das soll verhindern, dass Regierungen Mautsätze willkürlich festsetzen. Dafür werden Wegekostengutachten erstellt.

Das bisherige Gutachten ging von einem Zinssatz von 5,5 Prozent aus. Tatsächlich sind die Zinsen inzwischen weitaus niedriger. Deshalb musste Dobrindt schon 2015 die Lkw-Maut verringern und auf Einnahmen in Höhe von fast einer halben Milliarde Euro verzichten. Nun befürchtet er weitere Einbußen von mehr als einer Milliarde Euro. "Wenn es bei der bisherigen Regelung bleibt, wird es dazu führen, dass die Lkw-Maut weiter sinkt", sagt er. Dobrindt hat deshalb bei der EU-Kommission protestiert - bislang vergeblich. Thomas Öchsner

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