Der Milliardenpoker hat ein Ende: Die Deutsche Bahn (DB) hat sich dazu entschieden, ihre Speditionstochter DB Schenker an das dänische Transportunternehmen DSV zu verkaufen. Das gaben beide Seiten am Freitagmorgen bekannt. Der Kaufpreis beträgt demnach 14,3 Milliarden Euro. Laut Bahn-Chef Richard Lutz ist dies die „größte Transaktion in der Geschichte der DB“.
Um den Verkauf abzuschließen, ist allerdings noch die Zustimmung des Bundes und des Bahn-Aufsichtsrats notwendig. Ersteres gilt als Formsache, Zweiteres hingegen ist keinesfalls ausgemacht: Bis zuletzt hatten Arbeitnehmervertreter vor einem Verkauf an DSV gewarnt und die Gewerkschaften in vielen deutschen Städten zu Streiks aufgerufen, sie fürchten um Tausende Arbeitsplätze. Einer Bahn-Mitteilung zufolge sind die Schenker-Jobs nun zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Abschluss des Verkaufs sicher. Dieser wird für 2025 erwartet.
Was danach passiert, ist jedoch ungewiss. So könnten nach Ablauf der zwei Jahre nicht nur Doppelstrukturen, sondern womöglich sogar ganze Standorte wegfallen. Zwar soll der Schenker-Hauptsitz in Essen vorerst erhalten bleiben, nach 2027 dürfte jedoch auch er zur Disposition stehen. Auch der Name Schenker wird voraussichtlich verschwinden. DSV sprach zuletzt davon, mittelfristig bis zu 2000 der insgesamt etwa 15 000 Schenker-Stellen in Deutschland zu streichen, vor allem in der Verwaltung. Weltweit hat Schenker 72 000 Mitarbeiter, für DSV arbeiten insgesamt 75 000 Menschen, 5000 davon in Deutschland. Aller Voraussicht nach wäre ein Stellenabbau jedoch auch bei einem Verbleib Schenkers im DB-Konzern passiert: Auch die Bahn will in den kommenden fünf Jahren etwa 30 000 Arbeitsplätze streichen.
„Es ist ein fantastischer Tag für uns“, sagte DSV-Chef Jens Lund. Mehr als zwei Jahre habe er an der Übernahme gearbeitet, nun habe es endlich geklappt. Und es waren keine einfachen zwei Jahre: Von Anfang an war das mediale Interesse an dem Schenker-Verkauf groß, immer wieder drangen Insider-Informationen über vermeintliche Favoriten aus den vertraulichen Gesprächen nach draußen. Von anfangs mehr als 20 Interessenten blieben am Ende zwei übrig: DSV und der Finanzinvestor CVC. Der hatte auf den letzten Metern sogar noch einmal ein zweites, optimiertes Angebot abgegeben, um die DB von sich zu überzeugen. Es hat nicht gereicht.
„Die Ampel verscherbelt öffentliches Eigentum zum Spottpreis“
Dass die Entscheidung nun doch auf die Dänen gefallen ist, liegt dem Vernehmen nach vor allem an drei Dingen. Einerseits habe DSV versprochen, in den kommenden drei bis fünf Jahren etwa eine Milliarde Euro in Deutschland zu investieren. Insgesamt wolle das dänische Unternehmen künftig mehr Arbeitsplätze in Deutschland bieten als heute in beiden Einzelfirmen vorhanden seien. Hinzu kamen offenbar Bedenken hinsichtlich der Frage, was genau der Finanzinvestor CVC mit Schenker vorhat. Im Gegensatz zu DSV, das vor allem wachsen und seinen Einfluss in der Logistikbranche ausbauen will, stand am Ende die Befürchtung, dass CVC Schenker – oder Teile von Schenker – am liebsten so rasch wie möglich an die Börse bringen wolle, um von einem Weiterverkauf zu profitieren. Ein dritter Punkt: DSV hat sich bereiterklärt, die vollständige Kaufsumme sofort zu bezahlen; CVC dagegen wollte einen kleineren Teil des Erlöses an die Einhaltung des Finanzplans knüpfen.
Der DB kommt das schnelle Geld gelegen. Der Konzern ist hoch verschuldet. So hoch, dass sogar eine Herabstufung der Unternehmensbewertung durch die Ratingagenturen droht. Dann müsste die Bahn für neue Anleihen höhere Zinsen bezahlen. Die Kaufsumme soll nach Angaben der DB „vollständig im DB-Konzern verbleiben“ und „die Verschuldung deutlich reduzieren“. Ob die vollen 14,3 Milliarden Euro für den Abbau des etwa 33 Milliarden Euro großen Schuldenbergs genutzt werden oder ob ein Teil auch in die Sanierung der maroden Infrastruktur fließen soll, ist bisher nicht bekannt.
Fakt ist jedoch auch: Mit der DB Schenker verliert die Deutsche Bahn ihren größten und zuletzt sogar einzigen echten Gewinnbringer. Um ein Plus in Höhe von 1,1 Milliarden Euro hat die Speditionstochter die Bilanz des Konzerns 2023 aufgebessert. Eine Bilanz gleichwohl, bei der trotzdem unter dem Strich ein Verlust von 2,4 Milliarden Euro stand. Künftig muss der Bahn-Vorstand auf die Schenker-Gewinne verzichten. Stattdessen sollen die anderen Konzernbereiche endlich profitabel werden. Bahn-Chef Richard Lutz hat dafür ein Sanierungsprogramm namens „S3“ erarbeitet, mit dem es gelingen soll, insbesondere im Fern- und Güterverkehr wieder erfolgreicher zu sein – sowohl was die Pünktlichkeit als auch was die Wirtschaftlichkeit angeht. Darauf will sich der Bahn-Chef nach Verkauf der DB-Tochter Schenker nun konzentrieren.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) lobt den Schritt. Schenker habe keinen Beitrag zum Kerngeschäft der Bahn geleistet, sagte er. Der Schuldenabbau werde dem Unternehmen nun aber dabei helfen. Die Union sieht das dezidiert anders. „Einem Management, das seinen einzigen Gewinnbringer verscherbelt, und einer Bundesregierung, die auch noch zu einem solchen Verkauf drängt, fehlt erkennbar jede wirtschaftliche Kompetenz“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Sebastian Brem. Statt die Schenker-Gewinne klug in die Bahn zu investieren, werde „die Cashcow nun für einen kurzfristigen Finanzeffekt geschlachtet“. Auch der Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli kritisiert den Verkauf mit scharfen Worten. „Das ist eine groteske Fehlentscheidung zum Schaden der Bahn“, sagte Perli. „Die Ampel verscherbelt öffentliches Eigentum zum Spottpreis.“