Deutsche Bahn:Casting für Lokführer

Lokführer steuert ICE

Ein Lokführer im Cockpit eines Intercity Expresses.

(Foto: dpa)

Der Konzern sucht neues Personal. Es gibt dafür viele Bewerber und dennoch Engpässe.

Von Henrike Roßbach, Berlin

In seinen ersten Wochen im Amt, sagt Martin Seiler, sei er quasi nur unterwegs gewesen. Unterwegs sein ist für jemanden, der für die Deutsche Bahn arbeitet, natürlich eine Art Kernkompetenz. Seiler aber trieb etwas anderes in die Züge, Bahnhöfe, Entstörungsanlagen und Gleisbaustellen: Als neuer Personalvorstand wollte er wissen, was die knapp 198 000 Mitarbeiter im Inland umtreibt. "Ich habe mit vielen, vielen Leuten gesprochen", sagt Seiler, der seit gut 100 Tagen im Amt ist. Teilweise würde er mittlerweile erkannt und angesprochen, "manchmal stelle ich mich aber auch einfach nur als der neue Mitarbeiter vor". Seine Reisen zur Basis will Seiler in der Zukunft fortsetzen, die entsprechenden Tage seien schon im Kalender geblockt. Mitarbeiterzufriedenheit, so seine Erkenntnis, hänge oft von Kleinigkeiten ab, ob ein Mitarbeiter zum Beispiel "wegen des Geburtstags der Oma" den Dienst tauschen könne. "Leute teilhaben lassen an der Dienstplangestaltung ist keine Raketenwissenschaft."

Dass Seiler der Basis zuhört, ist kein Wunder. Die Bahn steht personalpolitisch vor Umbrüchen. In den nächsten zehn bis zwölf Jahren wird die Hälfte der heutigen Mitarbeiter den Konzern verlassen; aus Altersgründen oder im Zuge der Fluktuation - derzeit liegt das Durchschnittsalter bei rund 45 Jahren. Alleine in diesem Jahr will der Konzern 19 000 Leute einstellen; 10 000 Zusagen sind schon unter Dach und Fach. "Wir rekrutieren jedes Jahr eine Kleinstadt", sagt Seiler; dabei gelte das Prinzip: "Im Zweifel einer mehr." Zumindest die Alltagsevidenz vieler Reisender, die gerne mal nach einem Verantwortlichen auf dem Bahnsteig suchen oder in der Schlange vor dem Schalter stehen, zeigt allerdings, dass dieses Rekrutierungsmotto noch nicht zum Personalüberschuss geführt hat. Seiler aber sagt, das seien keine generellen Zustände.

Damit der Wissenstransfer funktioniert zwischen denen, die gehen, und denen, die bleiben und kommen, bildet die Bahn nun Tandems - Zweierteams aus Alt und Jung oder aus Kollegen aus der analogen und der digitalen Welt. Überhaupt steht auch bei der Bahn die Digitalisierung weit oben auf der To-Do-Liste, auch was die Personalpolitik angeht. Ängste müsse man da rausnehmen, sagt Seiler und verweist unter anderem auf einen Weiterbildungsanspruch für Mitarbeiter, deren Tätigkeit durch die Digitalisierung betroffen ist. Noch gibt es Schalter, Automaten und den Onlineverkauf, manuelle, halb- und vollautomatische Stellwerke. Bleiben wird das eher nicht so. Die Bahn prüft, ob sie noch die richtigen Ausbildungsberufe für ihre in diesem Jahr 6000 Azubis hat. Der E-Commerce-Kaufmann kommt schon mal dazu.

Eine Viertelmillion Bewerber hat die Bahn jedes Jahr; sehr viel mehr als offene Stellen. Seiler aber sagt, dass es trotzdem Engpässe gebe: im Gleisbau, bei Lokführern und, natürlich wie überall, in der IT. Inzwischen versucht der Konzern, sich gezielt neue Zielgruppen zu erschließen: Zeitsoldaten, die aus der Bundeswehr ausscheiden, Bewerber über 50, "und wenn in anderen Firmen Probleme entstehen, wie etwa bei Airberlin, sind wir auch präsent."

Die Bahn lockt mit Lokführer-Castings, mit dem Versprechen, bis Ende nächsten Jahres jeden einzelnen Mitarbeiter mit einem Smartphone oder Tablet auszustatten - und mit unbefristeten Stellen. Über 95 Prozent der Bahner seien unbefristet angestellt, sagt Seiler, und dass es nicht ihre Personalpolitik sei, erst mal befristet einzustellen und dann nach bestimmten Kriterien über eine Übernahme zu entscheiden. Das darf man getrost als Seitenhieb Richtung Deutsche Post verstehen, wie die Bahn ein Konzern mit Bundesbeteiligung. Der Umgang der Post mit befristet angestellten Mitarbeitern hatte zuletzt für Wirbel gesorgt. Dass bei dem Bonner Konzern schon mehr als 20 Krankheitstage in zwei Jahren reichen, um nicht unbefristet übernommen zu werden, rief unter anderem den Bundesfinanzminister auf den Plan - der jetzt über den Aufsichtsrat Druck machen will.

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