Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bahn:Bahn-Panne offenbar schon seit November bekannt

  • Schon bei einer Probefahrt musste der Zug wohl zwischen Bamberg und Erfurt abrupt abgebremt werden, weil die Software abgestürzt war.
  • Das Eisenbahn-Bundesamt sieht die Bahn in der Pflicht - und auch im eigenen Haus wächst der Druck, das Problem endlich in den Griff zu bekommen.

Von Markus Balser, Berlin

Der neue Tag bei der Bahn begann wie schon die Tage zuvor: mit einem Zugausfall. Auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Berlin und München gab es auch am Dienstagmorgen wieder Probleme. Der ICE, der um 7.38 Uhr aus dem Berliner Hauptbahnhof rollen sollte, kam erst gar nicht zur Abfahrt. Grund war eine technische Störung am Zug, wie eine Sprecherin der Deutschen Bahn sagte. Der ICE habe schon aus Hamburg nicht losfahren können.

Das leere Gleis machte klar: Auch an Tag drei nach dem Start der Neubautrasse bekam die Bahn die Probleme noch immer nicht vollends in den Griff. Immerhin sind sich die Experten des Konzerns inzwischen fast sicher, dass das vom französischen Alstom-Konzern gelieferte Sicherheitssystem in den Zügen die Pannen auslöste. Aus zum Teil unerfindlichen Gründen habe das System auch bei hohen Geschwindigkeiten Bremsungen der Züge verursacht, hieß es am Dienstag in Kreisen der Bahn. Möglicherweise, weil die Verbindung nicht stand. Fünf bis sieben Züge seien von den Problemen betroffen. Alstom-Experten arbeiteten daran, die Fehler zu beheben. Reisende müssen aber wohl auch in den nächsten Tagen noch mit Ausfällen oder Verspätungen auf der viel beworbenen Trasse rechnen. Eine Stabilisierung "der Fahrzeugverfügbarkeit" erwartet die Bahn bis zum Wochenende.

Der Bahnvorstand musste sich wegen der Pannen beim Prestigeprojekt schon am Dienstag kritische Fragen der eigenen Kontrolleure gefallen lassen. Denn die Aufsichtsräte des Unternehmens waren zu einem Treffen nach Berlin gereist. Auf der Tagesordnung stand eigentlich die Kostenexplosion beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21, das mehr als eine Milliarde Euro teurer und deutlich später fertig werden soll als geplant. Doch einige der Aufseher wollen auch mehr darüber erfahren, warum nach 1000 Testfahrten so viele Pannen passieren konnten - und warum aus dem als Imagegewinn geplanten Großprojekt ein Imageproblem geworden ist.

Immerhin erreichten am Dienstag einige Züge mehr zwischen Landes- und Bundeshauptstadt einigermaßen pünktlich ihr Ziel. Alle Sprinter-Verbindungen seien "ohne große Verspätungen" angekommen, teilte der Konzern am Abend mit. Bei der Bahn sieht man selbst das intern schon mal als Fortschritt im Ringen um mehr Normalität auf der seit Sonntag für den Fahrplanverkehr freigegebenen Trasse. Bei anderen ICE kam es allerdings erneut zu Verzögerungen von bis zu 90 Minuten.

Die Probleme sind offenbar nicht ganz untypisch - und vor allem nicht neu

Beim Hersteller Alstom, der sein Zuggeschäft im kommenden Jahr mit dem deutschen Konkurrenten Siemens zusammenlegen will, versteht man die Aufregung ohnehin nicht. Im Umfeld des Unternehmens ist von Problemen die Rede, die beim Start eines solchen Projekts schon mal passieren könnten. Offiziell teilte Alstom mit, das ETCS-System gewährleiste "maximale Sicherheit für Fahrgäste". Die aktuell aufgetretenen Probleme seien nicht typisch für die eigene Technik. "Teams von Alstom stehen in ständigem Austausch mit dem Kunden und koordinieren eine zügige Bearbeitung. Alstom-Spezialisten stehen rund um die Uhr zur Verfügung, um eine reibungslose Wartung zu unterstützen", sagte eine Sprecherin.

Allerdings müssen sich Bahn und Zulieferer immer drängendere Fragen gefallen lassen, warum die Probleme nicht vor dem Start gelöst wurden. Denn offenbar sind sie auch nicht ganz untypisch - und vor allem nicht neu. Nach Angaben aus Bahnkreisen trat eine solche Panne bereits vor einem Monat auf. Schon bei einer Probefahrt Anfang November mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) habe der Zug zwischen Bamberg und Erfurt abrupt abgebremst werden müssen, weil die Software abgestürzt war. Die Kommunikation der Zugtechnik mit dem so genannten ETCS-System - einer elektronischen Sicherheits- und Zugsteuerung - habe damals nicht einwandfrei funktioniert, hieß es weiter. Ähnliche Probleme hielten auch in den vergangenen Tagen die Züge gleich reihenweise auf.

Auch das Eisenbahn-Bundesamt, die Aufsichts-, Genehmigungs- und Sicherheitsbehörde für den Bahnverkehr in Deutschland, schaut inzwischen auf die Probleme des Staatskonzerns. Die Behörde sieht nun vor allem die Bahn in der Pflicht. Es sei nun Sache des Konzerns, das Problem zu lösen, sagt eine Sprecherin. "Wir sehen uns genau an, wie die Bahn reagiert."

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SZ vom 13.12.2017/vit
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