Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bahn:Auf brüchiger Achse

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Pannen stoppten erst ICE-Züge, dann S-Bahnen - und womöglich bald den Güterverkehr. Das hätte weitreichende Folgen.

Daniela Kuhr

Es sind gerade mal drei Buchstaben: E, B und A. Oder kurz gesagt: Eba. Den Wenigsten wird das etwas sagen. In der Konzernzentrale der Deutschen Bahn aber, am Potsdamer Platz in Berlin, möchte man diese drei Buchstaben wohl am liebsten aus dem Alphabet streichen.

Eba steht für Eisenbahn-Bundesamt. Und das wiederum steht - zumindest in diesen Tagen - für jede Menge Probleme und Ärger. ICE-Züge, Güterverkehr, S-Bahn, überall scheint das Amt auf einmal Mängel zu entdecken.

Der Grund ist immer wieder der gleiche: Die Achsen, oder korrekter gesagt, die Radsatzwellen verschiedener Züge erweisen sich als störanfällig. Risse treten auf, die zu einem Bruch und damit zu einer Entgleisung führen können. Welche Folgen das im schlimmsten Fall hat, zeigte gerade erst der Unfall im italienischen Viareggio. Dort starben 24 Menschen durch die Explosion eines Flüssiggaswaggons. Die Achse des Güterwagens war gebrochen, wohl weil er schlecht gewartet war.

"Sicherheit hat oberste Priorität"

Niemand mag sich vorstellen, dass sich solch ein Unfall wiederholen könnte. Es ist nicht zuletzt Aufgabe des Eba, genau das zu verhindern. Denn die Behörde mit Sitz in Bonn ist zuständig für die Sicherheit im deutschen Eisenbahnverkehr. Und diese Aufgabe nehmen die mehr als 1000 Mitarbeiter ernst, auch wenn das für die Bahnunternehmen in Deutschland und deren Kunden im Einzelfall äußerst unangenehme Folgen hat.

"Sicherheit hat oberste Priorität", sagt eine Sprecherin des Eisenbahn-Bundesamts. "Die machen nur ihre Arbeit", heißt es auch in der Konzernzentrale der Bahn. Das klingt verständnisvoll. Dabei musste das Unternehmen in letzter Zeit einiges ertragen. Und womöglich droht ihm noch deutlich mehr Ärger.

Es begann im vergangenen Jahr. Damals ordnete das Eba nach der Entgleisung eines ICE-3-Zugs in Köln strengere Kontrollen für die Wagen dieser Baureihe an. Als die Bahn im Herbst zudem zwei Risse an den Achsen eines ICE-T-Zugs entdeckte, weitete das Amt die Auflagen aus. Seither müssen die Züge beider Baureihen zehnmal häufiger überprüft werden.

250 Millionen Euro Mehrkosten

Für die Bahn bedeutete das, dass sie neue Ultraschallanlagen anschaffen, mehr Mitarbeiter schulen musste und monatelang nur mit Ersatzfahrplänen fahren konnte. Die Mehrkosten sollen um die 250 Millionen Euro betragen. Zwar versucht die Bahn, das Geld von den Herstellern der Züge zurückzubekommen, bislang jedoch vergeblich.

Seit Juni sind wieder alle ICE im Einsatz. Doch kaum war diese Baustelle geschlossen, tauchte schon die nächste auf. Anfang Mai brach bei einem Zug der Berliner S-Bahn, die von der Bahn betrieben wird, ein Rad.

Zwar kam niemand zu Schaden; doch weil herauskam, dass die Züge zu selten überprüft worden waren, mussten vier Manager der S-Bahn gehen. Das Eba ordnete nochmals deutlich strengere Kontrollen an, was zur Folge hatte, dass die S-Bahn seit Montag mit einem absoluten Notfallfahrplan fährt. 70 Prozent der Züge fallen für drei Wochen aus - mindestens.

Sorge bei Verantwortlichen

Noch größerer Ärger könnte der Bahn jedoch im Güterverkehr drohen. Für Donnerstag hatte das Eba fünf Verbände und 14 Eisenbahn-Unternehmen nach Bonn gebeten. Sie sollten darstellen, wie sie für bruchsichere Achsen bei Güterzügen sorgen - nicht zuletzt, um zu verhindern, dass sich ein Unfall wie in Viareggio wiederholt.

Ob das Amt am Ende auch im Güterverkehr häufigere Kontrollen anordnen wird, steht noch nicht fest. Die Stellungnahmen würden "ergebnisoffen ausgewertet", sagte die Eba-Sprecherin. Die betroffenen Unternehmen befürchten das Schlimmste. Ihrer Ansicht nach könnte so eine Maßnahme den gesamten europäischen Güterverkehr lahmlegen.

In einem Bereich aber atmet man bei der Bahn bereits wieder auf: bei den Doppelstockwagen im Regionalverkehr. Vergangene Woche hatte das Unternehmen bei einer Routinekontrolle in Brandenburg an einem Doppelstockwagen einen Riss entdeckt. Daraufhin informierte die Bahn das Eba, das sofort damit begann, den Sachverhalt zu ermitteln.

Am Donnerstag gab die Bahn jedoch "Entwarnung". Es habe sich gezeigt, dass das konkrete Problem nicht die gesamte Baureihe betreffe, sondern nur den einzelnen Wagen, sagte ein Bahn-Sprecher. Und es ist nicht zu überhören: Seine Stimme klingt erleichtert.

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SZ vom 24.7.2009/plin
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