Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff sammelt Modell-Autos. Bei ihrem neuesten Exemplar handelt es sich um einen Golf 7 im Miniaturformat, ein Mitbringsel von Thomas Schmall, dem Präsidenten von Volkswagen do Brasil. Natürlich hat sie auch gleich mal ausprobiert, ob er auf ihrem glänzenden Verhandlungstisch auch gut fährt. Erst zwei Tage zuvor hatte ihr Andreas Renschler, Produktionschef von Daimler, einen kleinen Mercedes Benz der CLA-Klasse mitgebracht. Der rollte ganz gut. Sofern Rousseff die kleinen Autos behält, könnte sie diese zusammen mit Modellen von BMW und Audi ins Regal stellen.
Rousseff sammelt aber nicht nur die Modelle der Autos, sie sammelt auch Fabriken, Milliarden-Investitionen und Arbeitsplätze für ihr Land. Denn alle genannten deutschen Autobauer haben kürzlich angekündigt, ihre Produktion in Brasilien auszubauen. Die von echten Personenkraftwagen natürlich, nicht von Spielzeug-Autos.
Brasilien hat den viertgrößten Automarkt der Welt
Der Automarkt in Brasilien boomt - mittlerweile ist er der viertgrößte der Welt. Allein auf dem Premiummarkt könnten bis 2020 etwa 100.000 Fahrzeuge verkauft werden, schätzen Experten. Auch das aktuell gebremste Wirtschaftswachstum lässt Autobauer wie Thomas Schmall nicht zweifeln. Kein Land wachse linear, das ginge vorbei, sagte er der Zeitung O Globo bei seinem Besuch in der Hauptstadt Brasília. Heute könnten sich 40 Prozent der Brasilianer noch kein Auto leisten. Doch das werde sich bald ändern. "Brasilien hat großes Potenzial."
Ein weiterer Grund für die lokale Produktion: Wer in Brasilien baut, umgeht 30 Prozent Zölle auf Importfahrzeuge und kann von Steuervorteilen profitieren. Neben den deutschen Unternehmen hatte zuletzt auch der japanische Automobilhersteller Toyota angekündigt, Brasilien als Produktionsstandort mehr Beachtung zu geben."
Volkswagen greift mit einer eigenen Produktionslinie für den neuen Golf in Brasilien an. Circa 520 Millionen Reais, umgerechnet etwa 170 Millionen Euro, will der Konzern in sein Werk in São José dos Pinhais bei Curitiba investieren, kündigte Thomas Schmall nach seinem Treffen mit der Staatschefin an. Mit der Investition erhöhe sich die von 2012 bis 2016 geplante Gesamtsumme von VW in Brasilien auf bis zu 3,57 Milliarden Euro.
Produktion für ganz Südamerika
Der neue Golf ist in Brasilien bereits zu haben, aber bisher nur als Importfahrzeug aus Deutschland. Ein Volkswagen-Sprecher betonte in Wolfsburg, die neuen Fahrzeuge seien auch für den Export in andere südamerikanische Länder gedacht. Einen genauen Starttermin für die Golf-Fertigung in Brasilien nannte das Unternehmen noch nicht, ein Sprecher ging aber von einem Beginn in "etwa zwei Jahren" aus. Zur geplanten Stückzahl wurden noch keine Angaben gemacht. Aktuell fertigt VW täglich etwa 3500 Fahrzeuge in Brasilien.
Auch Audi, Mercedes-Benz und BMW investieren
Vor rund zwei Wochen hatte auch die VW-Tochter Audi mitgeteilt, dass die Produktion im südbrasilianischen Curitiba im September 2015 wieder aufgenommen werden soll. Bereits vor einigen Jahren hatte Audi in Brasilien das A3-Modell gebaut, die Produktion aber wieder eingestellt. Jetzt wurden Investitionen von 150 Millionen Euro angekündigt. Das Augenmerk soll auf Wagen im höheren Preissegment gelegt werden. Die Wolfsburger waren 2012 mit einem Anteil von gut einem Fünftel auf Brasiliens Pkw-Markt knapp die Nummer Zwei nach Fiat.
Erst am Dienstag Daimler-Produktionschef Renschler ein neues Pkw-Montage-Werk im Bundesstaat Sao Paulo angekündigt. Er und der Chef von Mercedes-Benz-Brasilien, Philipp Schiemer, hatten zuvor mit Dilma Rousseff einen Rahmenvertrag unterschrieben. Anschließend erzählten sie den anwesenden Journalisten, die Staatschefin selbst habe ihnen den Anlass gegeben, die Planungen für eine Fabrik in Brasilien zu investieren. Auf einer Automesse in Sao Paulo habe Andreas Renschler sie eingeladen, sich in eines seiner Ausstellungsfahrzeuge zu setzen. Darauf soll sie geantwortet haben "Das mache ich erst, wenn Sie die Produktion in Brasilien haben." Ein Jahr vor den brasilianischen Wahlen wird die Präsidentin dieser Begründung für das neue Werk nicht widersprechen.
Immer mehr Brasilianer können sich teure Autos leisten
Bisher produziert Mercedes nur Lastwagen und Omnibusse in Brasilien. In Sao Bernardo do Campo hat die Daimler AG ihr größtes Werk außerhalb von Deutschlands. Spätestens 2020 wollen sie dort laut Renschler aber die Nummer Eins für Premium-Autos sein. Früher habe man in Brasilien nur Billig-Autos gekauft, sagte Philipp Schiemer der Deutschen Presseagentur dpa. Durch die gestiegene Kaufkraft und die Finanzierungsmodalitäten gebe es einen starken Trend hin zu teureren Autos mit entsprechender Ausstattung. Mercedes-Benz hatte bis 2005 die erste Generation der A-Klasse und für kurze Zeit auch den CLC in Brasilien gebaut. "Das war damals einfach zu früh, und wir hatten auch nicht das richtige Produkt und zudem zu ehrgeizige Ziele", räumte Schiemer im Rückblick ein.
Mercedes investiert in einem ersten Schritt rund 170 Millionen Euro in das neue Werk in Iracemápolis bei São Paulo, wo 2016 die ersten Autos vom Band rollen sollen. 20.000 Fahrzeuge pro Jahr sind vorgesehen. Insgesamt werden dadurch etwa 4000 Arbeitsplätze in Brasilien geschaffen.
Bereits vor einem Jahr hatte BMW große Investitionen in Brasilien angekündigt. In Joinville, im südlichen Bundesstaat Santa Catarina, baut der Konzern derzeit für mehr als 200 Millionen Euro ein neues Werk. Die Fertigung soll im kommenden Jahr starten. Dann kann die Präsidentin das erste Modell aus ihrer Sammlung in Echtgröße ausprobieren.