Süddeutsche Zeitung

Deutsch-türkisches Verhältnis:Im Konflikt mit der Türkei droht ein Wirtschaftskrieg

Lesezeit: 3 min

Von Michael Bauchmüller und Caspar Busse

Auf Hermes konnten in der griechischen Mythologie viele bauen: Die Gottheit war nicht nur für ehrbare Kaufleute da, sondern auch für Diebe. Insofern ist es folgerichtig, dass die deutsche Exportkreditversicherung "Hermes"-Bürgschaften vergibt. So soll der ehrbare Kaufmann sein Geld auch dann bekommen, wenn ein Geschäftspartner in der Fremde ihn nicht bezahlt, ihn also um sein Geld bringt. Solche Kredite sind das Öl im Getriebe großer Exportgeschäfte, die Bürgschaften bieten Schutz vor Zahlungsausfällen bei Exportgeschäften, aber auch bei großen Projekten. Im Streit mit der Türkei prüft die Bundesregierung nun, diese auszusetzen.

So kann sich der Konflikt mit der Türkei zum Wirtschaftskrieg auswachsen. Zuvor war eine Liste bekannt geworden, nach der auch deutsche Unternehmen in der Türkei unter Terrorverdacht stehen - vom Großkonzern bis zur Dönerbude.

Niemandem könne man zu Investitionen in einem Land raten, "wenn es dort keine Rechtssicherheit mehr gibt und sogar Unternehmen, völlig unbescholtene Unternehmen, in die Nähe von Terroristen gerückt werden", sagt Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD). "Ich sehe deshalb nicht, wie wir als Bundesregierung weiter deutsche Unternehmensinvestitionen in der Türkei garantieren können." Gabriel sagte zudem, die Liste sei offenbar noch länger.

Darauf befinden sich angeblich Konzerne wie Daimler, BASF oder Siemens, aber auch kleinere Firmen. Die Unternehmen wollten sich nicht dazu äußern. Ein Beteiligter sagte jedoch: "Das ist eine Kriegserklärung." Einige Unternehmen könnten sich nun Sorgen um die Sicherheit der von ihnen in die Türkei entsandten Mitarbeiter machen, heißt es, und diese möglicherweise zurückholen. Entsprechende Pläne bestätigt aber niemand.

Allein Daimler beschäftigt 6000 Menschen in der Türkei, Siemens 3000

Die Handelsbeziehungen mit der Türkei sind seit jeher eng, sie entsprechen in etwa dem Handel mit Schweden, Dänemark oder Japan. Rund 6800 deutsche Firmen sind dort aktiv. Auch Garantien für das Türkei-Geschäft gab es bisher reichlich. Mal sicherte sich ein Krankenhaus-Ausrüster ab, der Geräte und Möbel für türkische Kliniken lieferte, mal ein oberbayerischer Maschinenbauer, der eine Anlage zur Herstellung von Folien installierte.

Auch für den Export von Windrädern und Kraftwerksgeneratoren gab es Hermes-Bürgschaften. Noch 2015 sicherte der Bund so neue Türkei-Geschäfte deutscher Firmen ab im Wert von 2,1 Milliarden Euro. 2016 dann ging die Nachfrage zurück. Im ersten Halbjahr 2017 wurden noch 680 Millionen Euro zugesagt. "Wir erleben einen Tiefpunkt in den deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen", sagt Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Wenn unbescholtene Unternehmen auf schwarzen Listen als angebliche Terror-Unterstützer auftauchten, seien Geschäfte schwierig.

Die Kürzung der Bürgschaften dürfte vor allem symbolische Wirkung haben - viele Firmen halten sich schon ganz von selbst zurück. "Die Verunsicherung vieler deutscher Unternehmen ist seit dem gescheiterten Putschversuch deutlich zu spüren", sagt Volker Treier, Außenhandelsexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Seit Mitte vorigen Jahres sei der Handel mit der Türkei "ohnehin auf abschüssigem Terrain".

Deutschland exportierte 2016 Waren im Wert von 22 Milliarden Euro in die Türkei, vor allem Autos, Maschinen, chemische und elektrische Erzeugnisse, der Import lag bei 15,4 Milliarden Euro. Viele Unternehmen sind aber auch im Land aktiv. Daimler etwa beschäftigt in zwei großen Lkw- und Buswerken etwa 6000 Menschen, in der vergangenen Woche wurde mit den Mitarbeitern das 50-jährige Jubiläum gefeiert. Siemens hat etwa 3000 Beschäftigte und ist seit 1856 in der Türkei aktiv.

Die Deutsche Post will weiter investieren. Die VW-Tochter MAN produziert mit ungefähr 2000 Mitarbeitern Reise- und Überlandbusse in Ankara. Auch viele Mittelständler lassen in dem Land fertigen. Doch die Verunsicherung ist nun groß. Die Investitionen gehen seit dem vergangenen Jahr zurück. Der Leuchtenhersteller Trilux aus dem Sauerland zum Beispiel hat seine Pläne für ein Werk in der Türkei bereits aufgegeben.

"Das ist schon eine Eskalation, wie wir sie uns nicht haben vorstellen können", heißt es beim Großhandelsverband BGA zur aktuellen Entwicklung. Es sei nun mit "deutlichen Einbrüchen bei den Exporten" zu rechnen. Allerdings werde dies den deutschen Außenhandel insgesamt nicht ins Wanken bringen, dafür ist die Türkei nicht wichtig genug. Dumm wäre es allerdings, wenn nun türkische Firmen die per Hermes-Kredit gesicherten Waren nicht mehr bezahlen würden. Denn die Türkei zählt zu den Ländern mit den höchsten Hermes-Außenständen, die Absicherungen summierten sich im vorigen Jahr auf fast neun Milliarden Euro. Fallen die Rückzahlungen aus, haften die deutschen Steuerzahler.

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SZ vom 21.07.2017
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