Deutsch-griechische Beziehung:Lärmende Sprachlosigkeit zwischen Berlin und Athen

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Es ist höchste Zeit, die politmediale Schlammschlacht zu beenden, die zwischen Griechenland und Deutschland tobt. Warum Angela Merkel Alexis Tsipras als Partner auf Augenhöhe behandeln sollte.

Kommentar von Claus Hulverscheidt, Berlin

Angela Merkel hat Alexis Tsipras also im Kanzleramt empfangen. Endlich, muss man sagen, denn der Besuch war überfällig. Nicht weil der neue griechische Premier bisher viel geleistet hätte, was eine raschere Einladung nach Berlin gerechtfertigt hätte. Sondern weil die Kanzlerin mit ihrem demonstrativen Verzicht auf diese Einladung eine politmediale Schlammschlacht befördert hat, die jedes Aufeinanderzubewegen von Gegnern und Anhängern ihrer Krisenpolitik mittlerweile unmöglich macht. Der konstruktive Dialog, der den Umgang zweier EU-Länder wie auch den innerstaatlichen Diskurs kennzeichnen sollte, ist längst einer lärmenden Sprachlosigkeit gewichen.

Im Krieg, so hat der frühere US-Senator Hiram Johnson einmal gesagt, ist immer die Wahrheit das erste Opfer. Das gilt auch für jenen Krieg der Worte, der zwischen Deutschen und Griechen tobt. Dazu haben beide Seiten ihren Teil beigetragen, auch Tsipras und Merkel persönlich. Tsipras, weil er ein nationales Wahlergebnis als Auftrag zum politischen Umbau eines ganzen Kontinents fehlinterpretiert. Und Merkel, weil sie ihren Kettenhunden von CDU und CSU gestattet, die Griechen auf Schritt und Tritt anzukläffen.

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Ihren CDU/CSU-Kettenhunden erlaubt Merkel zu viel

Da werden die Hellenen pauschal als Faulenzer verunglimpft, da schwingen sich zweitklassige Politiker, Ökonomen und Kommentatoren bräsig-arrogant zu Schulmeistern auf, da wird ein griechischer Minister in einer ARD-Talk-Show als dummer Junge vorgeführt, dem selbst der größte Hanswurst ungestraft eine verbale Backpfeife verpassen darf. Dass die exportfixierte Bundesrepublik an der Verschuldung anderer Euro-Länder bis heute gut verdient, wird ebenso ausgeblendet wie die Tatsache, dass die maßgeblich in Berlin erdachte Spar- und Reformpolitik in den EU-Krisenländern zu sozialen Verwerfungen beigetragen hat.

Den Kläffern gegenüber stehen die, die im Ernst behaupten, an den Problemen in Griechenland seien andere schuld als die Griechen. Etwa Merkel. Die Banken. Die böse Troika. Das gipfelt in Karikaturen, die Wolfgang Schäuble als KZ-Aufseher abbilden. Oder in der Blockupy-Demo gegen die Europäische Zentralbank, die einen wahrlich verzweifeln lässt: Sich ausgerechnet jene Institution vorzuknöpfen, die unter extremster Dehnung ihres Mandats die Krisenländer vor dem Kollaps bewahrt hat, zeugt von einer Ahnungslosigkeit, die keinen Deut weniger enervierend ist als das Stammtischgeschwätz der CSU.

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Merkels Programme waren zu drastisch, aber im Prinzip richtig

Vor allem hiesige Merkel-Kritiker unterschlagen gerne, dass die Griechen jahrzehntelang Politiker wählten, von denen sie wussten, dass sie im Staat nur eine Gelddruckmaschine für die eigene Gefolgschaft sehen. Sie ignorieren, dass Zahlen frisiert und Partner betrogen wurden. Und sie tun so, als hätten nicht Klientelismus und Misswirtschaft die Krise verursacht, sondern die Hilfspakete anderer Regierungen. In Wahrheit kühlen viele dieser Kritiker nur ihr Mütchen an Merkel. Sie haben ein Ventil für ihren Frust darüber gefunden, dass sich Deutschland in der Kanzlerschaft dieser schwer fassbaren Frau so sehr eingerichtet hat.

Richtig ist, dass Merkels Programme aus heutiger Sicht zu drastisch waren. Sie wollten in zu kurzer Zeit zu viel und ihnen fehlte die soziale Flankierung. Das ändert aber nichts daran, dass es prinzipiell richtig ist, ein völlig durchlöchertes Fass zunächst auszubessern, bevor man es wieder füllt. Das dauert Zeit und führt zu einer vorübergehenden Wasserknappheit, die man auf anderem Wege lindern muss.

EU-Partnern bleibt als Instrument nur der Dialog

Vor diesem Hintergrund sollte Merkel die Wahl in Griechenland nicht länger ignorieren, sondern die Berufung eines Premiers, der erstmals nicht mehr der alten schwarz-roten Kleptokratentruppe angehört, als Chance begreifen. Sie sollte Tsipras als Partner auf Augenhöhe behandeln, ihm ein langsameres Reformtempo zugestehen und die Finanzierungszusage an Athen verlängern.

Hinzu kommen müssen robuste EU-Programme zur sozialen Flankierung und zur Steigerung der Investitionen in Griechenland. Investoren allerdings wird man nur finden, wenn umgekehrt Tsipras bereit ist, sein Land wirklich umzukrempeln und dies auch von außen überprüfen zu lassen. Schließlich hat sich die griechische Politik über Jahrzehnte jedes Misstrauen verdient.

Demokratinnen und Demokraten wie Merkel und Tsipras stehen in der Politik wenig mehr Instrumente zur Verfügung als der Dialog. Kaum jemand weiß das besser als die Kanzlerin, die etwa im Ukraine-Konflikt trotz des Dauerfeuers unzähliger Scharfmacher auf das Prinzip "reden, reden, reden" setzt. Um wie viel mehr muss dieses Motto unter EU-Partnern gelten. Solange Merkel also mit Tsipras nicht mindestens so oft telefoniert wie mit Wladimir Putin, wird immer noch zu viel übereinander statt miteinander geredet.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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