Deutsch-chinesische Beziehungen:Gabriel hat Streit im Gepäck

Statement Sigmar Gabriel

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor seinem Abflug nach China im vergangenen Jahr. Schon damals sah er nicht gerade glücklich aus - und die deutsch-chinesischen Beziehungen haben sich seitdem noch deutlich verschlechtert.

(Foto: dpa)
  • Ein akuter Konflikt überschattet die Reise nach China, zu der Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Montag aufbricht.
  • Die beiden Exportnationen China und Deutschland vertrauen einander kaum noch und sind mittlerweile eher Konkurrenten als Partner.
  • Bezeichnend dafür sind die beiden Übernahmen deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren, die gerade von der Regierung penibel überprüft werden.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Auslandsreisen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zeichnen sich dadurch aus, dass man nie genau weiß, was am Ende bleibt. Von seinem Besuch in Kairo ist das Lob für Ägyptens umstrittenen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi überliefert, von dem in Moskau die Kritik am Kuschelkurs mit Präsident Wladimir Putin. Jüngst in Teheran erlebte der Vizekanzler ein Debakel, als ihm der ranghöchste politische Gesprächspartner kurzfristig absagte. Und nun China.

An diesem Montag bricht Gabriel in die Volksrepublik auf. Mit ihm reisen sechzig deutsche Unternehmer - und ein akuter Konflikt, der symptomatisch ist für den Stand der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Die Exportnationen vertrauen einander kaum noch. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Deutschen Maschinen und Technologien lieferten und die Chinesen mit preiswerten Produkten die globale Verbrauchergemeinde beglückte. China will nicht mehr die billige Werkbank der Welt sein, sondern selbst Anlagen herstellen. Damit ist das Reich der Mitte vom Partner zum Konkurrenten der deutschen Unternehmen geworden. Das alte Geschäftsmodell, das beide Seiten zu Gewinnern der Globalisierung gemacht hat, wird zunehmend obsolet.

Die Führung in Peking quittiert das Vorhaben mit Ironie

Die Bundesregierung beobachtet mit Unbehagen, wie sich chinesische Investoren in der Geschwindigkeit eines Transrapid in deutsche Hochtechnologieunternehmen einkaufen, ohne dass der chinesische Markt den Deutschen in gleicher Weise offen steht. Gabriel hat angekündigt, den Konflikt offen anzusprechen: "Angesichts zunehmender chinesischer Investitionen in Deutschland wird die Notwendigkeit reziproken Marktzugangs auf die teilweise nach wie vor abgeschotteten Märkte Chinas immer dringlicher."

Die Führung in Peking quittiert das Vorhaben mit Ironie. Man verfolge die jüngsten Entwicklungen in Deutschland mit "großer Sorge", lässt sie Gabriel vor seiner Abreise wissen. Die Sorge bezieht sich darauf, dass der Bundeswirtschaftsminister gerade überraschend die Erlaubnis zurückgezogen hat, wonach chinesische Investoren den Maschinenbauer Aixtron kaufen dürfen. Sie ist so groß, dass Peking vor der Abreise Gabriels offen lässt, ob Premierminister Li Keqiang Zeit für ein Gespräch mit dem deutschen Vize-Kanzler haben wird. Der Verkaufsstopp ist der vorläufig höchste Ausschlag auf der Fieberkurve der Bundesregierung.

Plötzlich tauchen "neue sicherheitsrelevante Informationen" auf

Die Temperatur ist schon länger leicht erhöht. Im ersten Halbjahr kauften sich chinesische Investoren in drei Dutzend deutsche Unternehmen ein. Seit Sommer aber steigt sie richtig an. Damals musste der Bundeswirtschaftsminister widerwillig seine Erlaubnis zur Übernahme des Augsburger Roboterbauers Kuka durch den chinesische Midea-Konzern geben, nachdem sein Versuch gescheitert war, deutsche oder europäische Unternehmen zu einem Alternativangebot zu bewegen.

Sie klettert weiter, als ein chinesischer Investorenfonds um den Maschinenbauer Aixtron aus Herzogenrath wirbt. Auch hier erklärte das Bundeswirtschaftsministerium schließlich die Übernahme für unbedenklich. Bis plötzlich vergangene Woche "neue sicherheitsrelevante Informationen" auftauchen. Amerikanische Diplomaten lassen die Bundesregierung offenbar wissen, dass die Übernahme von Aixtron westliche Sicherheitsinteressen gefährdet. Mit den Anlagen des Maschinenbauers könnten hitzebeständige Schichten auf Chips produziert werden, die militärisch nutzbar seien. Die Bundesregierung will sich dazu nicht äußern.

Es geht um mehr als nur eine deutsch-chinesische Auseinandersetzung

Fest steht allerdings zweierlei. Es geht nicht nur um eine Auseinandersetzung zwischen Deutschland und China um Anteile im globalen Markt. Sondern um das Ringen der drei mit Abstand weltgrößten Exportnationen. China war 2015 mit Ausfuhren im Wert von 2275 Milliarden US-Dollar weltgrößter Exporteur, gefolgt von den USA und Deutschland. Für alle drei Staaten geht es darum, die eigene Position zu sichern. Man kann davon ausgehen, dass weitere Aufkäufe wie die angefragte Übernahme des Leuchtmittelherstellers Ledvance in Berlin (und Washington) besonders sorgfältig geprüft werden.

Nach deutschem Außenwirtschaftsrecht kann das Ministerium einen Verkauf untersuchen, wenn ein Investor von außerhalb Europas mindestens 25 Prozent der stimmberechtigten Anteile an einem deutschen Unternehmen erwirbt. Zu prüfen ist, ob dies "die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" Deutschlands gefährdet. Die Übernahme kann untersagt oder mit Auflagen genehmigt werden, etwa wenn es strategisch wichtige Bereiche wie Telekommunikation, Elektrizität oder Wasser betrifft. Es ist eine Klausel, die weit ausgelegt werden kann.

Angesichts der Härte der Auseinandersetzung wirkt es fast banal, dass Gabriel auf seiner Reise mit Miao Wei, dem Minister für Industrie und Informationstechnologie, eine Vereinbarung zur Verlängerung des Managerfortbildungsprogramms unterzeichnen will. Das Programm soll Führungskräften, Beamten und Unternehmern auf beiden Seiten die jeweiligen Geschäftskulturen nahebringen.

Während Gabriel in China für faire Wettbewerbsbedingungen wirbt, kommt der wichtigste Mann Pekings im Kampf gegen Cyber-Kriminalität nach Berlin. Meng Jianzhu, Vorsitzender der Parteikommission für Politik und Recht, eröffnet am Donnerstag Gespräche mit der Bundesregierung, an deren Ende ein gegenseitiger Verzicht auf kommerzielle Cyber-Spionage stehen soll. Ein ähnliches Abkommen hat Meng bereits mit den USA verhandelt.

Gabriel wird eine knappe Woche in Asien bleiben. Nach den Gesprächen in Peking reist er nach Chengdu, wo er Ehrengast einer Messe ist. Anschließend leitet er in Hongkong die Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft. Er wird von Vertretern aus Konzernen, des Mittelstands und von Start-ups begleitet. Unternehmensverträge werden nicht unterzeichnet.

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