Desertec-Projekt in Marokko:Majestät wünschen Sonne

Neuer Rückschlag für Wüstenstromprojekt Desertec

Mit Solarthermie-Kraftwerken wie diesem will Desertec Geld verdienen.

(Foto: dpa)

Beim Wüstenstromprojekt Desertec läuft nun alles anders: Die Planer hoffen nicht mehr auf Angela Merkel, sondern auf Marokkos König Mohammed VI. Der lässt die größten Solarkraftwerke weltweit bauen. Die Wüste soll grün werden.

Von Markus Balser, Rabat

In Zeiten der Zweifel braucht es vor allem eins: Motivation. So dachten es sich wohl die Organisatoren der vierten internationalen Wüstenstromkonferenz in Marokkos Hauptstadt Rabat. Fliegerjacke, Jeans, feste Stimme: Auftaktredner Bertrand Piccard sollte die Gäste am Mittwoch in Stimmung bringen. "Wer große Visionen verfolgt, lebt mit der Gefahr des Scheiterns", sagt der Schweizer Abenteurer vor jenen 500 führenden Managern, Politikern und Forschern aus Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika, die mit dem Treffen die Wüstenstromvision Desertec vorantreiben wollen.

Aufbruch, Planung, harte Landung in der Wüste - Piccard hat das alles selbst erlebt, bei seinem Versuchen die Erde zu erst im Ballon und jetzt per Solarflugzeug zu umrunden. Piccard hat den Vordenkern des grünen Stroms aber schon eines voraus: Er hat sein erstes Ziel erreicht und landete in seinem Heißluftballon nach 47000 Kilometern im Wüstensand Ägyptens. "Aus Krisen schöpfe ich Kreativität", macht Piccard Mut. Schließlich habe keine Vision so viel Potenzial wie Desertec.

Doch die Zweifel bleiben auf dem Desertec-Gipfel präsent. Der arabische Frühling hat eine verunsicherte Region hinterlassen. In Tunesien, Libyen und Ägypten fegten Revolutionen Regierungen aus dem Amt. Der Fortschritt aber, auf den die Revolutionäre hofften, blieb bislang aus. Auf der anderen Seite des Mittelmeeres erschwerten nicht nur Querelen in der Planungsgesellschaft die Arbeit an der Vision.

Angesichts der schweren Wirtschaftskrise und eines Überangebots an Strom erlahmte in vielen Ländern Südeuropas der Elan, schon bald grünen Strom aus Afrika zu importieren. Und dann stiegen auch noch Vorzeigekonzerne wie Siemens und Bosch wegen der Krise der deutschen Solarbranche aus dem internationalen Projekt aus.

Ehrgeizigster Solarplan weltweit

Nun hoffen Sie, dass der Bau der ersten großen marokkanischen Solarkraftwerke einige hundert Kilometer von Rabat entfernt in der Sahara den Durchbruch bringt. Zur Hoffnungsfigur der Desertec-Planer ist nicht etwa die Energiewende-Kanzlerin Angela Merkel geworden oder EU-Kommissar Günther Oettinger, der Desertec zum Kommissionsziel erklärt hatte. Die neue Hoffnung heißt Mohammed VI.

Marokkos König baut sein Land seit einigen Jahren um. Von oben und vorsichtig, damit seine Macht nicht in Gefahr gerät. Sein Prestigeprojekt: der ehrgeizigste Solarplan der Welt. Bis 2020 sollen in Marokko 42 Prozent der Energie aus Solar-, Wind- und Wasserkraftwerken kommen - deutlich mehr noch als in Deutschland. "Wir wollen ein grünes Land werden", kündigt Energieminister Abdelkader Amara am Mittwoch in Rabat an. Rund 10000 Hektar Solarfläche werden sich künftig auf fünf Standorte verteilen. Neun Milliarden Dollar werde die Regierung allein für ihren "Plan Solaire Maroccain" mobilisieren.

Zusätzliches Geld soll in Wind- und Wasserkraft fließen - auch mit Hilfe internationaler Geldgeber. Die Pläne sind längst in der Bauphase angekommen. In Ouarzazate im Süden des Landes legte der König im Frühjahr den Grundstein für das größte Solarkraftwerk der Welt. Die Pläne machen klar: Der Wind beim Wüstenstromprojekt Desertec hat sich gedreht. War zum Start vor vier Jahren Europa die treibende Kraft, sind es in diesen Monaten die Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens geworden.

Schwieriger europäischer Absatzmarkt

Hinter dem Ökogedanken steckt vielerorts knallhartes wirtschaftliches Kalkül. Weil es keine eigenen Lagerstätten von Öl, Gas oder Kohle besitzt, muss etwa Marokko rund 95 Prozent seines Energiebedarfs importieren - das meiste davon in Form von Steinkohle aus Südafrika. Angesichts des ständig steigenden Energiebedarfs der Region ein unhaltbar teurer Zustand.

Auch in Brüssel weiß man angesichts des Flüchtlingsstroms aus Afrika um die Sprengkraft solcher Zahlen: "In der gesamten Region wird sich der Energiebedarf bis 2030 verdoppeln", sagt Rupert Joy, Vertreter der Europäischen Union in Marokko. Die Versorgung der Menschen mit bezahlbarer Energie werde für die Region zur gewaltigen Herausforderung.

Die Regierung in Rabat ist mit ihren ehrgeizigen Plänen deshalb auch längst nicht mehr allein. Ägypten wolle künftig ein Fünftel seines Stroms aus grünen Quellen gewinnen, sagt Aktham Abou Elella, Staatssekretär im Energie- und Elektrizitätsministerium Kairos - um Jobs und günstigen Strom zu produzieren. Und auch Algerien will viele Milliarden in den Bau von Solarkraftwerken stecken.

Desertec gilt als das ehrgeizigste Erneuerbare-Energien-Projekten überhaupt. Bis 2050 sollen in Nordafrika und dem Nahen Osten Hunderte Ökokraftwerke gebaut werden, die zusammen den Strombedarf der Region fast vollständig decken - und dazu noch rund 15 Prozent des europäischen Verbrauchs. Doch genau auf diesen Export und Einnahmen aus dem Verkauf grünen Stroms nach Europa müssen die Länder wohl weiter warten. Zwar stünden Nordafrika und der Nahe Osten am Anfang eines imposanten Wandels, sagt Dii-Chef Paul van Son. Die Kapazitäten würden sich bis 2015 von 1,7 auf 3,3 Gigawatt fast verdoppeln.

Doch beim Export bleibt auch van Son pessimistisch. Bis 2020 könne es jedoch schon noch dauern, bis grüner Strom auch wirklich gen Norden fließt, glaubt der Dii-Chef. "Machen Sie weiter!", ruft Abenteurer Piccard der Konferenz noch zu. "Jede Vision kämpft am Anfang gegen die Zweifel des Establishments. In ein paar Jahren wird doch niemand mehr glauben können, dass Konferenzen nötig waren, um diese Idee voranzutreiben. Die Sonne liefert doch die günstigste Energie, die wir haben."

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