Der Weg aus der Krise:Das Prinzip Hoffnung hat ausgedient

Abrechnung mit Schwarz-Gelb: Nicht weniger, sondern höhere Steuern für hohe Einkommen und Vermögen sind das Gebot der Stunde.

Dierk Hirschel

Die schwarz-gelbe Steuerpolitik verleiht dem Wachstum keine Flügel. Von den Steuerentlastungen profitieren überwiegend Besserverdienende. Dies gilt für den Kinderfreibetrag, ebenso wie für die Unternehmens- und Erbschaftsteuergeschenke. Die für 2011 geplante Einkommensteuerreform ändert daran wenig. Schließlich zahlt ein Drittel der Beschäftigten ohnehin keine Steuern. Ihr Bruttoverdienst ist schlicht zu niedrig.

Steuerpaket, dpa

Ein Steuergeschenk - aber nicht für alle.

(Foto: Foto: dpa)

Deutlich mehr Netto vom Brutto gibt es nur für dicke Geldbeutel. Reiche sparen aber mindestens jeden vierten Euro, die Steuergeschenke landen also auf dem Sparbuch oder an der Börse. Auch ein von Fesseln befreiter Mittelstand zündet kein Investitionsfeuerwerk. Den klein- und mittelständischen Firmen fehlen Aufträge und Kredite. Da helfen auch keine niedrigeren Steuern und weniger Bürokratie. Mehr Konsum und Wachstum? Pustekuchen!

Das billige Geld wirkt - immer noch

Die neue schwarz-gelbe Bundesregierung setzt somit in der schwersten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren auf das Prinzip Hoffnung. Zwar entfalten die Konjunkturpakete und die Politik des billigen Geldes auch noch im nächsten Jahr ihre Wirkung. Ein selbsttragender Aufschwung wird dadurch nicht eingeleitet. Deswegen soll es das Ausland richten. Doch die Hoffnung, dass das Ausland uns wieder einmal rettet, könnte sich als trügerisch erweisen. Die Weltwirtschaft hat sich nach der Krise verändert.

Vor der Krise war Amerika der kreditgetriebene Staubsauger der Weltmärkte. Ganze 730 Milliarden US-Dollar schwer war das US-Leistungsbilanzdefizit. Briten, Iren und Spanier konsumierten ebenfalls kräftig auf Pump. Kreditfinanzierte Eigenheime wurden zu Geldautomaten.

Die weltgrößten Exporteure - Deutschland, Japan und China - profitierten von der kreditgetriebenen Nachfrage. So entstanden die globalen Ungleichgewichte. Der deutsche Handelsüberschuss kletterte 2007 auf etwa 200 Milliarden Euro. Die Hälfte der hierzulande erzeugten Waren und Dienstleistungen überschritt die Landesgrenzen. Allein 40 Prozent des Exportüberschusses stammte aus dem Handel mit den USA, Großbritannien und Spanien. Gleichzeitig exportierten die Überschussländer eifrig Kapital, um ihre ausländischen Kunden flüssig zu halten. Zur großen Freude der Finanzindustrie. Doch das Spiel ist aus. Die Blase ist geplatzt. Der Staubsauger funktioniert nicht mehr. Diesmal reicht es aber nicht mehr aus, den Filter zu wechseln.

Purzelnde Vermögenspreise bremsen die Konsumlust der angelsächsischen und iberischen Privathaushalte. Zukünftig werden sich US-amerikanische, britische und spanische Unternehmen und Verbraucher sogar entschulden müssen. Allein der Schuldenberg, der auf US-Verbrauchern und Firmen lastet umfasst 180 Prozent des US-Sozialprodukts. Amerika entdeckt das Sparschwein. Jeder Dollar, der in den Schuldendienst fließt, fehlt aber für den Kauf ausländischer Autos und Maschinen. Sollten die Amerikaner soviel wie die Europäer sparen - etwa 8 Prozent -, so würde die Kaufkraft um jährlich 800 Milliarden US-Dollar schrumpfen. Dies entspricht etwa 1,4 Prozent des Weltsozialproduktes.

Die Krux mit den Schwellenländern

Wenn die USA, Großbritannien und Spanien ihre Leistungsbilanzdefizite um zwei Drittel zurückfahren, dann würde bei uns ein jährlicher negativer Wachstumseffekt von zwei Prozent entstehen. Wir reden also nicht über Kleinigkeiten, sondern über die Gefahr massiver struktureller Verwerfungen.

Der Weg aus der Krise: Dierk Hirschel ist Chefökonom des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Dierk Hirschel ist Chefökonom des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

(Foto: Foto: oH)

Die Wachstumsdynamik wichtiger Absatzmärkte der deutschen Exportindustrie schwächt sich zukünftig ab. China, Brasilien, Indien und andere Schwellenländer können diese Lücke nicht schließen. Auch sie leiden unter dem Ausfall der großen US-Konjunkturlokomotive. Und der Euroraum - immerhin Zielregion von 44 Prozent der deutschen Ausfuhren - strotzt nicht gerade vor Kraft.

Folglich wird die Weltwirtschaft nach der Krise an Dynamik verlieren. Die deutschen Auto- und Maschinenbauer spüren dies in ihren Auftragsbüchern ebenso wie die heimische Chemie- und Pharmaindustrie.

Viele Geschäftsleitungen und Vorstände antworten auf die neuen Herausforderungen mit einer aggressiveren Exportstrategie. Lohnverzicht soll die Firmen preislich wettbewerbsfähiger machen. So sollen neue Marktanteile erobert werden. Die Wirtschaftspolitik der schwarz-gelben Regierung stützt diesen Ansatz. Im Ergebnis droht ein verschärfter Verdrängungswettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten. Die Abwehrreaktionen des Auslands werden nicht lange auf sich warten lassen. Dieser Weg eröffnet im besten Fall die Perspektive eines sehr brüchigen Wachstums auf Grundlage hoher destabilisierender Außenhandelsüberschüsse.

Die Suche nach der richtige Balance

Es gibt aber auch eine Alternative: Die stark exportabhängige deutsche Volkswirtschaft muss ihr Wachstum zukünftig besser ausbalancieren. Alle großen Überschussländer sollten jetzt internationale Verantwortung übernehmen. Wenn der gesamte Kuchen nicht kleiner werden soll, müssen Deutschland, Japan und China ihre Binnenökonomien entwickeln. Aktuell haben nur die Chinesen diese Lektion gelernt. Allein im laufenden Jahr stützen sie ihre Wirtschaft mit einem Konjunktur- und Wachstumsprogramm im Umfang von sieben Prozent ihres Sozialproduktes.

Für Deutschland bedeutet dies, dass die Spaltung der Volkswirtschaft in eine hoch wettbewerbsfähige Exportindustrie und eine billige binnenmarktorientierte Dienstleistungsökonomie überwunden werden muss. Hierfür braucht es einen handlungsfähigen Staat und starke Gewerkschaften. Ein moderner Staat investiert kräftig in Bildung, Gesundheit und den ökologischen Umbau. Dies geht nicht ohne breitere Finanzierungsbasis. Nicht weniger Steuern, sondern höhere Steuern für hohe Einkommen, Vermögen und profitable Unternehmen sind das Gebot der Stunde. Ein reformiertes Regelwerk der Finanzmärkte muss Investitionen in Maschinen, Anlagen und Arbeitsplätze fördern und Spekulation diskriminieren. Durch Mindestlöhne, starke Flächentarifverträge und mehr sozial versicherte Beschäftigung können die Löhne wieder steigen. Ein solcher nachhaltiger Entwicklungspfad erzeugt mehr qualitatives Wachstum und mehr gute Arbeit. So könnte die Politik doch noch Lehren aus der Krise ziehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: