Süddeutsche Zeitung

Der Spiegel/FTD:Die Macht der Basis

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Die Spiegel-Mitarbeitervertretung wird beim angepeilten Kauf der Financial Times Deutschland zum sprichwörtlichen Zünglein an der Waage. Im Gespräch ist ein Kaufpreis in einstelliger Millionenhöhe.

Christopher Keil

Besonders als Mann für Innovation und Investition ist Mario Frank beim Spiegel-Verlag Anfang des Jahres eingeführt worden. Innovativ ist vielleicht jemand anders gewesen: Vergangene Woche musste der Spiegel angeblich auf Bitten des Verlages mit einem Titel über den "Wettlauf im Weltraum"' erscheinen, weil zum Thema eine Gratis-DVD beilag, und Beigaben honoriert der Leser häufig, indem er das Heft in höherer Stückzahl als gewöhnlich verlangt.

Weil für das dritte Quartal noch eine gute Auflagenzahl nötig gewesen sei, hätten die Kaufleute auf die "Sputnik"-Aufmachung gedrängt - obwohl Teile der Redaktion nach dem chaotischen Afghanistan-Parteitag der Grünen lieber die Memoiren des früheren Außenministers Joschka Fischer vorgezogen hätten. Die standen nun diesen Montag auf dem Titel. Titelentscheidung, heißt es dazu aus dem Spiegel-Verlag, seien ausschließlich Sache der Spiegel-Chefredaktion.

Mit diesem Montag begann jedenfalls das vierte Quartal, und an diesem Dienstag wird die Geschäftsführung der Mitarbeiter KG des Spiegel den Stillen Gesellschaftern auf einer informellen Informationsveranstaltung in der Spiegel-Kantine das "Projekt FTD" vorstellen. Bekanntlich will der britische Medienkonzern Pearson seine 50 Prozent an der Financial Times Deutschland (FTD) verkaufen.

Nichts geht ohne dem Votum der Mitarbeiter-KG

Die anderen 50 Prozent hält der Verlag Gruner+Jahr (G+J), der auch mit 25,5 Prozent am Spiegel-Verlag beteiligt ist. Da bot es sich geradezu an, dass sich Frank - der seine FTD-Pläne vorige Woche der KG-Geschäftsführung im Beisein des Spiegel-Online-Chefs Mathias Müller von Blumencron erläuterte - als Investor in Erinnerung bringt. Angeblich existiert bereits ein letter of intent (eine Absichtserklärung) zum Erwerb der halben FTD, der Kaufpreis soll circa acht Millionen Euro. Beides wollte der Spiegel-Verlag nicht kommentieren.

Das wäre, auf den Preis bezogen und angesichts der vielfach höheren Anlaufverluste, die Pearson zu tragen hatte, eine günstige Wachstumschance für den Spiegel. Andererseits: Welche Erfahrung hat der Spiegel-Verlag mit Tageszeitungen? Keine. Und wenn der Spiegel-Verlag sich einmal auf das Geschäft eingelassen hat, könnte er sich angesichts seiner eigenen Gesellschafterstruktur ohne Zustimmung von G+J nicht mehr von der FTD trennen, die in diesem Jahr Spiegel-internen Schätzungen zufolge einen Verlust von zehn Millionen Euro machen dürfte.

G+J würde damit seinen Einfluss auf den Spiegel-Verlag mehren. Man fragt sich: Wenn die FTD für den Spiegel-Verlag Sinn macht, warum übernimmt Gruner+Jahr den Pearson-Anteil nicht selbst?

Ohne die Zustimmung der Mitarbeiter-KG, den Mehrheitsgesellschafter (50,5 Prozent) des Spiegel-Verlages, kommt der Handel nicht zustande. Bisher hat die aus fünf Geschäftsführern bestehende KG-Spitze wegen des Urlaubs einiger seiner Mitglieder nichts beschließen können. Die Geschäftsführung, heißt es, sei in ihrer Meinung gespalten. Nun soll die Basis die Richtung vorgeben.

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Quelle:
SZ vom 2./3. Oktober
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