Der Geburtstagsfilm:Mohns Torte

TV-Star Sebastian Koch ("Stauffenberg) als Reinhard Mohn - 650 Bertelsmann-Manager hatten beim exklusivsten Filmabend ihres Lebens nur Augen für den früheren Chef.

Christopher Keil

Möglicherweise ist es ja der Instinkt gewesen, der den Schauspieler Sebastian Koch bewog, die Rolle anzunehmen, die ihm der Produzent Nico Hofmann (Dresden, Sturmflut) vor mehr als einem Jahr anbot. Koch, 44, ist seit 1997 so etwas wie der deutsche Großschauspieler geworden.

Der Geburtstagsfilm: Reinhard Mohn: "Hier ist Ihr Geschenk, Boss"

Reinhard Mohn: "Hier ist Ihr Geschenk, Boss"

(Foto: Foto: dpa)

Er hat Stauffenberg dargestellt und sich anschließend sofort in Speer verwandelt. Er war als Klaus Mann und Andreas Baader zu sehen (alles in der ARD), und er war einer von denen, die den Tunnel (Sat1) gruben, als in Berlin die DDR ihre Grenzen schloss. Hofmann, einer von zwei Geschäftsführern der Firma Teamworx, kam ohne Drehbuch, aber mit einer Biografie. Willst du Mohn spielen?, könnte er Koch gefragt haben. Und Koch könnte nach Studium der Biografie geantwortet haben: Selbstverständlich. Mohn fehlte noch.

Irgendwie so kam es wohl, dass ungefähr 650 Manager der Bertelsmann AG am Montagabend im Berliner Congresszentrum Sebastian Koch als Reinhard Mohn sahen. Am Ende des Tages, bald nach Einbruch der Dunkelheit, hatte der Vorstandsvorsitzende Gunter Thielen das Wort ergriffen. Auf der Bühne des imposanten Kuppelbaus am Alexanderplatz, wo Thielen vorher noch eine neue Wachstumsphase für die AG ausgerufen hatte, wo tagsüber Charts auf eine Leinwand geworfen und Analysen vorgestellt wurden, lief nun ein Film, der das Lebenswerk Mohns bebildern sollte.

Der knappen Einführung Thielens konnte die Managementspitze entnehmen, dass der etwas über eine Stunde dauernde Beitrag ein Geschenk des Vorstandes zum 85.Geburtstag des Konzernpatriarchen sei, der im Juni des vergangenen Jahres anfiel. Reinhard Mohn, der 1950 mit der Gründung des Leserings (dem Buch- und Medienklub) die moderne Struktur von Bertelsmann, Europas größtem Medienhaus, entwarf, sei nicht vor Ort gewesen, berichten Teilnehmer. Wohl aber seine Frau Elisabeth (,,Liz'') und seine Kinder Brigitte und Christoph.

Einen exklusiveren Kinoabend werden die Angestellten kaum erlebt haben. Regie führte der Tunnel- und Dresden-Regisseur Roland Suso Richter nach einem Drehbuch von Andrea Stoll, einer promovierten Germanistin, die auch Dramaturgie unterrichtet. Obwohl Koch nur für 15 der 30 Drehtage engagiert war, umfasste die Herstellung acht Monate. Das hatte mit den vier oder fünf Interviews zu tun, die mehrheitlich Stoll mit Reinhard Mohn führte, einmal auch der heute-journal-Moderator Klaus-Peter Sieg- loch, wie der eine oder andere, der Montagabend Zeuge war, erstaunt feststellte.

Akquise in der Küche

Die Qualität der mit Sebastian Koch inszenierten Sequenzen soll die internationale Bertelsmannversammlung, für die im letzten Moment eine englische Untertitelung angefertigt wurde, eingenommen haben (mit Kritik war auch nicht zu rechnen).

Regisseur Suso Richter bezeichnete den Stil seines Films als "Doku-Fiction", gespieltes und historisches Material vermische sich mühelos mit den Interviews, sagt ein Bertelsmann-Manager. Außer Mohn kommen auch der frühere SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt, Bundestagspräsidentin a.D. Rita Süßmuth und Manfred Lahnstein zu Wort, der Vorstands- und Aufsichtsratmitglied bei Bertelsmann war.

Von Lahnstein stammt die beste Anekdote, die ihre Wirkung aufs Publikum nicht verfehlte: Reinhard Mohn habe einmal neun seiner aufstrebenden Kräfte auf eine Landpartie mitgenommen, darunter die späteren Vorstandsvorsitzenden Mark Wössner und Gerd Schulte-Hillen sowie Dieter Vogel, der 1991 Aufsichtsratschef wurde.

Bevor in einem rustikalen Gasthaus gegessen wurde, stellte Mohn allen eine Aufgabe: Der Nachwuchs hatte nach Möglichkeit zehn Zugänge für den Buchklub zu werben, in einer Stunde. Wössner kam als erster zurück, er hatte in der Küche beim Personal akquiriert, Prämien in Aussicht gestellt und neun Unterschriften zusammen. Mehr kriegte niemand.

Einmal wird Reinhard Mohn, der von seinen Managern als erinnerungsstark, aber mit brüchiger Stimme wahrgenommen wurde, sehr persönlich. Er schildert, wie er nach Frankreich reiste, um dort den Lesering einzuführen. Nach unerfreulichen Gesprächen mit der Verlagsgruppe Hachette wurde er bei Sven Nielsen vorstellig, dem Chef von Presse de la Cité,. Er bot Nielsen sein übliches Partnerschaftsmodell an: 51 Prozent für Bertelsmann. Nielsen forderte 50 Prozent. Mohn überdachte die Lage über Nacht und willigte ein.

"So, wir denken uns was Neues aus!"

Über Jahre entwickelte sich zwischen beiden eine Freundschaft. Mitte der Siebziger erhielt Mohn wieder einmal eine Einladung zum Essen - für den 23. Dezember. Er wunderte sich über den Zeitpunkt, unterbrach seinen Urlaub in der Schweiz, verbrachte mit Nielsen auf dessen Schloß und mit dessen Frau einen schönen Abend, reiste wieder ab und fragte sich, was der Grund für das Diner gewesen war. Eine Woche später wurde er vom Selbstmord Nielsens informiert. Wenn es einen idealen Partner im Wirtschafstverkehr gebe, dann müsste der sein wie Nielsen, sagt Mohn.

Wahrscheinlich ist "Mohn - Wie er die Welt sah" kein spektakulärer Film. Er ist ein bisschen theatralisch, wenn gezeigt wird, wie der Kriegsheimkehrer im Schutt des zerbombten Unternehmens steht, und einer der älteren Bertelsmann-Arbeiter flüstert: "Jetzt geht es wieder aufwärts." Und er ist ein bisschen realistisch. "Ich weiß, was ich tun musste, ... ich weiß, wie ich benehmen musste", soll der 85-jährige Hauptdarsteller zwischendruch gesagt haben. Zweifel schien er nie zu kennen. Als der Lesering 1953 bei beinahe einer Million Abonnenten lag, ruft Mohn aus: ,,So, und jetzt denken wir uns was Neues aus.'' Das Neue war: die Schallplattenfirma Ariola.

Dass er in Gütersloh eine Weile als ,,der rote Mohn'' galt, erzählt der vermögende Mohn, dessen Privatbesitz 2005 auf 6,5 Milliarden Euro geschätzt wurde, ganz gerne. Mohn hatte Rückstellungen gebildet, die Gewinnbeteiligung für Angestellte eingeführt: So viel soziales Engagement war den knorrigen Ostwestfalen verdächtig. Dass Mohn damit enorme Steuern sparte, erfuhren sie später.

Der Film ist also, wie Präsente eben sind: schön verpackt und auf die Interessen des Empfängers ausgerichtet, wozu Teamworx seinen Teil beitrug - als zu Bertelsmann zählende Tochter. Produzent Nico Hofmann sieht Mohns Würdigung "in der Tradition der Doku-Dramen von Heinrich Breloer". Breloer bastelt gerade an den Buddenbrooks, er montierte Die Manns und auch Speer und Er.

Irgendwann wird Suso Richters Doku-Drama-Fiction das Familien- und Firmen-Vermächtnis der Mohns sein, bald vielleicht Schulungsstoff für Bertelsmann-Kandidaten, weshalb man der Meinung sein könnte, das Leben des Gründers hätte ganzheitlich gezeigt werden müssen, beispielsweise inklusive aller Ehen und Kinder. Was nicht der Fall ist. Präsentiert wird nur die im Konzern einflussreiche "Liz": im Original-Ton (sie sei eine von zwölf Auszubildenden gewesen, Mohn habe sie zum Tanz aufgefordert) und als von der 29-jährigen Nina-Friederike Gnädig gespielte Figur.

Andererseits ist Reinhard Mohn, über den Helmut Schmidt im Film sagt: "Er kam mir vor wie ein preußischer Generalstabsoffizier", bereits porträtiert und befragt worden fürs Fernsehen. Über Privates, weiß Suso Richter, "wollte er nicht sprechen, das muss man akzeptieren".

Es gibt aber offensichtlich eine Passage, in der Sebastian Koch als Reinhard Mohn mit Ignaz Kirchner als Oscar Distel in den siebziger Jahren die Übernahme von Bantam Books in New York verhandelt. Im Dialog zwischen dem Juden Distel und dem Wehrmachts-Leutnant Mohn, der im Afrika-Korps und von 1943 bis 1946 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft war, sagt Koch: Mit 21 habe noch keiner eine Ahnung vom Leben, natürlich sei er als junger Mensch verführbar gewesen.

Niemand aus seiner Generation habe gewusst, was Demokratie sei, er habe diese erstmals in den USA, in Kansas, als Kriegsgefangener erfahren. Dann schlägt er Distel vor, an einer friedlichen Welt mitzuwirken. Das sei ein langer Weg, bemerkt der Film-Distel. Er gehe bis zu 40 Kilometer am Wochenende, antwortet der Film-Mohn.

Es hatte in den zurückliegenden Monaten die eine oder andere Polemik zu diesem Bertelsmann-Projekt gegeben. Vor allem die Einlassung der Times vom 4. Januar, die unter der Überschrift: "Hier ist Ihr Geschenk, Boss: Ein Film über Ihr Leben ohne Vergangenheit" anmerkte, dass sich früher reiche Kaufleute und selbstverliebte Herrscher für die Nachwelt malen ließen, erzürnte ein paar Damen und Herren aus Gütersloh.

Sie verwiesen auf die 1998 eingesetzte unabhängige Kommission zur Erforschung der Geschichte des Hauses in der NS-Zeit. Der Historiker Saul Friedländer fand heraus, dass es eine angebliche Abwehrhaltung von Bertelsmann gegen die Nationalsozialisten nicht gab. So unbekannt ist Mohns familiäre Vergangenheit dann doch nicht.

Nico Hofmann besteht nun darauf, dass es sich nicht um einen Imagefilm handele und argumentiert mit Imagefilmen zur Expo 2000 und zum Konzern, die er für Bertelsmann fabrizierte. Auch Regisseur Roland Suso Richter ist sicher: "Das ist kein Imagefilm."'

An den Beginn hat Suso Richter die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Reinhard Mohn gestellt. Am Ende formuliert Mohn einen Wunsch: Er hoffe, dass die Menschlichkeit erfolgreicher als der Kapitalismus sei. Diesen Satz überließ er Sebastian Koch nicht, den sprach er selbst.

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