Süddeutsche Zeitung

Der Fall Yukos:Chodorkowskij droht der Deutschen Bank

In letzter Minute will Michail Chodorkowskij, der inhaftierte Mehrheitsaktionär von Yukos, die Versteigerung seines Kronjuwels verhindern: In einer Zeitungsannonce drohte er speziell der Deutschen Bank mit Schadenersatz-Klagen, sollte sie die Versteigerung unterstützen.

Von Gerd Zitzelsberger

Vor internationalen Gerichten werde man nicht nur gegen den Erwerber Schadenersatz-Forderungen stellen, sondern auch gegen jede Firma, die den Erwerb (mit-)finanziert oder auf andere Weise ermöglicht, heißt es in der Anzeige.

Die Deutsche Bank agiert als Berater bei den Öl-Aktivitäten der russischen OAO Gazprom, des weltweit größten Erdgas-Produzenten. Sie hat der Gazprom Übernahmen im Öl-Bereich empfohlen, und nach Londoner Marktgerüchten organisiert die Bank gerade zusammen mit der niederländischen ABN Amro einen zweistelligen Milliardenkredit für den Erdgas-Riesen.

Mehr als eine Million Barrel pro Tag

Mit diesem Geld im Rücken will Gazprom am kommenden Sonntag für die Yukos-Tochter OAO Yuganskneftegas bieten. Auf das sibirische Unternehmen entfällt mit einer Produktion von mehr als einer Million Barrel (159 Liter) pro Tag 60 Prozent der Öl-Produktion des Yukos-Konzerns.

Absender der Warnung ist die Group Menatep, zu deren Beraterkreis auch der frühere Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff zählt.

50 Prozent der Menatep gehören einer Stiftung, deren einziger Begünstigter der russische "Öl-Oligarch" und Putin-Gegner Chodorkowskij ist; persönlich hält er darüber hinaus weitere neun Prozent an Menatep. Wichtigster Vermögenswert der Menatep ist ihre Beteiligung an dem russischen Öl-Riesen Yukos.

Die Menatep erklärt in ihrer Annonce, dass der bevorstehende Verkauf von Yuganskneftegas nach internationalem Rechtsverständnis illegal sei und sogar gegen Menschenrechte verstoße. Für die Steuerschulden, wegen derer der russische Fiskus die sibirische Yukos-Tochter unter den Hammer gehen lässt, gebe es keine gesetzliche Basis.

Zudem sorge Moskau vorsätzlich für einen niedrigen Wert von Yuganskneftegas. Dresdner Kleinwort Wasserstein habe das Unternehmen immerhin mit 17 bis 20 Milliarden Dollar bewertet. Das Mindestgebot bei der Versteigerung am Sonntag dagegen liegt bei 8,7 Milliarden Dollar.

Frühere Gerichtsentscheidungen

"Jeder, der die Übernahme von Yuganskneftegas unterstützt, ist genauso Partei wie der Erwerber selbst", sagte Menatep-Vorstandsmitglied Tim Osborne. Man werde in jedem Land versuchen, Schadenersatzansprüche gegen den Erwerber und seine Finanziers durchzusetzen. In Großbritannien will Menatep auch bereits frühere Gerichtsentscheidungen gefunden haben, auf die man sich berufen könne.

Gazprom gilt als mit Abstand aussichtsreichster Interessent für Yuganskneftegas. Bislang haben sich erst zwei weitere Interessenten namens ZAO Intercom und OAO First Venture Company gemeldet; selbst in Russland sind sie unbekannt. Große westliche Öl-Konzerne halten sich wegen der politischen Situation und der unklaren Rechtslage zurück.

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SZ vom 14.12.04
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