Depotgebühren:Fragwürdige Flatrates

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Die Kunden sollen für ihr Depot nur noch eine pauschale Gebühr zahlen, werben die Banken. Doch es ist zweifelhaft, ob das Angebot von Vorteil ist.

Von Jan Willmroth

Wenn der Berater der Hausbank anruft, hat das oft einen leicht zu durchschauenden Grund. Obwohl der Kunde seine Finanzen gut sortiert hat, Anteile an mehreren Fonds hält und vielleicht ein wenig Festgeld angelegt hat, soll ein neues Produkt auf einmal besser sein. Bankberater müssen das tun: Sie drehen ihren Kunden Fonds und Wertpapiere an, weil sie dafür Provisionen kassieren. Sobald der Kunde sein Vermögen umschichtet oder neues mitbringt, verdient die Bank Geld. Sie kassiert Bestandsgebühren für die Fonds im Depot, und ein Großteil der sogenannten Ausgabeaufschläge bleibt als Vertriebsgebühren bei ihr hängen.

Jahrzehntelang hat sich an dieser Beziehung nichts geändert. Bankberater, auch wenn sie so heißen, sind in erster Linie Verkäufer. Ihre Leistung wird daran gemessen, wie viel Geld sie für die Bank verdienen. In der Wertpapierberatung heißt das immer noch: Gebühren kassieren. Doch die Kunden sind misstrauisch geworden. Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht: Berater empfahlen ihnen Schiffsfonds, die später geschlossen wurden, sie empfahlen Genussrechte der Pleitefirma Prokon oder Zertifikate der später untergegangenen Investmentbank Lehman Brothers. Trotzdem ließen sich die Banken lange Zeit damit, das Provisionsgeschäft zu überdenken.

Für die Banken ist das Modell günstig. Sie haben stabile Einnahmen

Da klingt es wie eine Erlösung, was die Commerzbank fast zehn Jahre nach der Finanzkrise verspricht. Mit dem neuen Flatrate-Depotmodell schaffe man "einen neuen Standard im Wertpapiergeschäft", teilte die Bank am Jahresanfang mit. Ausgabeaufschläge wolle er eigentlich gar nicht mehr haben, sagt Torsten Daenert, der bei der Bank das Produktmanagement im Wertpapierbereich leitet. Man berate die Kunden kontinuierlich, da ergebe es keinen Sinn, nur dann Geld zu verdienen, wenn ein Kunde auch ein Geschäft abschließt. "Mit unseren Pauschalentgelten verbessern wir die Beratung", verspricht Daenert nun.

Anstatt wie zuvor an den Ausgabeaufschlägen zu verdienen - für die Kunden je nach Fonds zwischen null und sieben Prozent des Rücknahmepreises ausgeben mussten -, erhebt die Bank jetzt konstante Gebühren, ähnlich einem Flatrate-Modell. Für die neuen Depots zahlen Commerzbank-Kunden 0,9 Prozent ihres Vermögens pro Jahr oder mindestens 90 Euro pro Quartal. Dafür entfallen Gebühren für die Depotführung, ein Großteil der Handelskosten und sämtliche Ausgabeaufschläge. Die Verkäufer empfehlen nicht mehr einzelne Fondsprodukte, sondern geben Kunden die Wahl zwischen 100 Fonds aus einem Katalog. Allerdings stammen derzeit 30 dieser Fonds von Allianz Global Investors (AGI), jener Fondsgesellschaft, mit der die Commerzbank traditionell das meiste Geschäft macht.

Klare Sicht? Nicht nur beim Blick auf Frankfurt, auch bei den Depotgebühren bleibt manches verborgen, warnen Verbraucherschützer. (Foto: Frank Rumpenhorst/AFP)

Das Angebot richte sich an Kunden mit "mittleren Vermögen", sagt die Bank. Damit sind Kunden gemeint, die bis zu 500 000 Euro anzulegen haben und öfter handeln, anstatt einmal investiertes Geld liegenzulassen. Die Commerzbank stellt nach und nach ihre Depotmodelle im Privatkundengeschäft auf pauschale Gebühren um. Seit 2013 gibt es bereits das teurere Premium-Depot (1,45 Prozent pro Jahr), das auch andere Wertpapierklassen abdeckt und in dem sie schon mehr als 17 Milliarden Euro verwaltet. Dieser Erfolg soll sich wiederholen.

Was die Commerzbank groß ankündigt, setzt sich längst in der gesamten Branche durch. Die Sparkasse Köln-Bonn bietet ein ähnliches Modell an. Auch Depot-Kunden der Targobank zahlen Flatrate-Gebühren. Die Hypo-Vereinsbank war die erste in Deutschland, die Pauschalgebühren einführte : Mit dem "Depot Global" erhalten vermögende Kunden bei der Bank Konto und Kreditkarte inklusive Beratung, die Bestandsprovisionen werden gutgeschrieben. Andere Filialbanken wollen nachziehen. "Der Schwenk zu Flatrate-Depots hat den Vorteil, dass eine Bank dem Kunden nichts mehr andrehen muss, das er eigentlich nicht braucht", sagt Oliver Mihm, Chef der auf den Finanzsektor spezialisierten Unternehmensberatung Investors Marketing. Den größten Vorteil aber hätten die Banken selbst: "Die Institute können damit ihre Erträge besser planen", sagt Mihm. Die Vermögen in Kundendepots sind erfahrungsgemäß relativ stabil. Mit den anteiligen Gebühren schwanken auch die Umsätze der Banken weniger.

Stabile Umsätze sind wichtig in diesen Zeiten. Vor allem Filialbanken stehen angesichts hoher Kosten, niedriger Zinsen und höherer Kapitalanforderungen unter Druck, noch genügend Geld zu verdienen. Gut zu planende Erträge mit Privatkunden kommen da gerade recht. Aber lösen die Geldhäuser vor diesem Hintergrund auch ihr Versprechen ein: Werden Verkäufer endlich zu Beratern, die man für ihre Beratung entsprechend bezahlt?

Verbraucherschützer haben Zweifel und halten die Werbeversprechen der Banken für scheinheilig. "Einen Vorteil kann ich hier nur für die Bank erkennen", sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Mit den neuen Depotmodellen schlössen Kunden im übertragenen Sinn ein Abo für eine individuelle Beratung ab. Das hält er für gerechtfertigt, wenn sie dafür eine Beratung erhalten, die sich an ihren Interessen ausrichtet. "Das aber ist hier nicht erkennbar", sagt Nauhauser. "Vielmehr scheint es darum zu gehen, dem Kunden möglichst dauerhaft und stetig das Geld aus der Tasche zu ziehen." Auch die schwer nachvollziehbare Auswahl der 100 Fonds bei der Commerzbank stört ihn: Warum sind es nur 100 Fonds, warum stammen 30 davon von AGI, warum spielt die Meinung des Chef-Anlagestrategen der Commerzbank eine Rolle bei der Auswahl?

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(Foto: Credit: SZ-Grafik; Quelle: Deutsche Bundesbank, DSGV, Statistisches Bundesamt, BVR, BVI)

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Das größte Problem der neuen Modellen sieht Nauhauser aber in den weiterhin versteckten Kosten. Denn laufende Vertriebsprovisionen, sogenannte Kick-Back-Zahlungen, behalten die Banken nach wie vor ein. Solche Provisionen machen gern einmal 0,6 Prozent der Anlagesumme pro Jahr aus. Während sie nach außen betonen, die Gelanlage transparenter zu machen, sprechen die Institute über diese Zahlungen nur auf Nachfrage. "Im Wertpapiergeschäft behalten wir die vereinnahmten Inducements", teilt die Commerzbank dazu im Bankenjargon mit. Die Kunden würden darüber im Beratungsgespräch informiert, auch in Bezug auf das individuelle Anlageprodukt - wozu Banken ohnehin verpflichtet sind.

So bleibt den Kunden nach wie vor nur der Rat, genau hinzuschauen und nachzurechnen. Das neue Fonds-Depot der Commerzbank etwa rechnet sich erst ab einer Anlagesumme von 40 000 Euro. Nimmt man Kick-Back-Zahlungen von 0,6 Prozent an, erhöht sich die Jahresgebühr für das Depot theoretisch auf 1,5 Prozent, ungeachtet der Fondsgebühren und Handelskosten, welche die Bank nicht beeinflussen kann. Das macht das Modell wieder relativ teuer. Vor allem dann, wenn man es mit Online-Angeboten vergleicht, bei denen in Gebühren von weniger als einem Prozent der Anlagesumme sämtliche Kosten enthalten sind und mehr Wertpapierklassen zur Auswahl stehen. Einzig die Beratung in der Filiale macht den Unterschied. Aber wie viel ist die wert?

"Ich rate generell zur Skepsis, wenn Verkäufer von Finanzprodukten, wie Banken es in der Regel sind, eine Anlageberatung anbieten", sagt Verbraucherschützer Nauhauser. Außerdem fielen die Ausgabeaufschläge bei langfristigen Vermögensanlagen über zehn oder zwanzig Jahre weniger ins Gewicht als die laufenden Depotkosten - weil sie nur einmal zu bezahlen sind.

Immerhin aber scheint sich bei den Banken in Sachen Beratungsgebühren nach Jahren der Untätigkeit etwas zu bewegen - wenn auch aus Sicht der Kunden noch nicht ganz in die gewünschte Richtung. Die Flatrate-Depots bieten zumindest das Potenzial, das Geschäft transparenter zu machen und mehr Auswahl zu ermöglichen. Oliver Mihm hält die Institute aber noch für zu zaghaft: "Die Banken müssen beim Umbau ihrer Geschäftsmodelle noch mutiger werden, gerade im Privatkundengeschäft", fordert er. "Sie haben noch immer nicht verstanden, dass sie Dienstleister sind."

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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