Süddeutsche Zeitung

Hypo Real Estate:In Dublin endet ein zentrales Kapitel der Finanzkrise

Die irische Tochter brachte einst die Hypo Real Estate in höchste Not, der Staat sprang mit Milliarden ein. Nun wird das Irland-Geschäft verkauft - und bringt mehr ein als gedacht.

Von Stephan Radomsky

Historische Momente kommen oft ziemlich unauffällig daher. Das Ende eines der zentralen Kapitel der Banken- und Finanzkrise in Deutschland zum Beispiel. Das wurde am Montag mit einer recht nüchternen Mitteilung auf einer Seite verkündet: Die Depfa-Bank in Dublin, hieß es da von der staatlichen "Bad Bank" FMS Wertmanagement, wird an die österreichische Bawag-Bankengruppe verkauft. Über den Preis sei Stillschweigen vereinbart worden, und das Geschäft müsse noch von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden. Viel mehr gab es erst einmal nicht.

Dabei beendet dieses Geschäft zumindest ein zentrales Kapitel des wohl wildesten und teuersten Abenteuers der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte: den Beinahe-Kollaps der Hypo Real Estate (HRE). Nur wenige Monate bevor in New York die Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrach, hatte die HRE, damals ein Dax-Konzern und drittgrößte Bank im Land, das Institut aus Dublin für 5,7 Milliarden Euro übernommen - und damit letztlich ihr Schicksal besiegelt.

Denn die Iren waren damals auf Staatsfinanzierungen spezialisiert. Was sich solide anhört, war ein höchst riskantes Geschäftsmodell, das in den Wirren der Finanzkrise zusammenbrach. Einerseits verlieh die Depfa Geld sehr langfristig an die öffentliche Hand, andererseits besorgte sie sich das nötige Kapital dafür aber sehr kurzfristig und musste jeden Kredit immer und immer wieder refinanzieren. Das aber klappte nur, solange kurzfristige Kredite billiger waren als langfristige. Als aber das Misstrauen an den Märkten immer weiter wuchs, war es damit vorbei.

Was folgte, waren Krisensitzungen, erst in der Münchner HRE-Zentrale und dann im Berliner Kanzleramt, dann die Notverstaatlichung, Milliardenverluste für den Steuerzahler und die bis heute ungeklärte Frage, ob das alles nur Pech war oder doch krimineller Leichtsinn der HRE-Manager. Der Strafprozess gegen den inzwischen gestorbenen damaligen Bankchef Georg Funke und seinen Ex-Finanzchef Markus Fell wurde im September 2017 gegen Geldauflagen eingestellt, die Vorwürfe drohten zu verjähren.

2014 kam die Depfa zur FMS Wertmanagement, jener staatlichen Bad Bank, die seit 2010 möglichst geräusch- und vor allem verlustarm aufräumen soll in den Hinterlassenschaften der HRE. Da war das Institut aus Dublin eigentlich schon fast verkauft. Für 323 Millionen Euro sollte die Depfa direkt aus den Ruinen der alten HRE an amerikanische Finanzinvestoren gehen, der Kaufvertrag war unterschriftsreif. Kurz bevor das Geschäft zustande kam, machte die damalige schwarz-rote Bundesregierung aber einen Rückzieher - und übertrug die Depfa für den gleichen Kaufpreis an die FMS. Zu groß war damals die Sorge in Kanzleramt und Finanzministerium, dass die Bank womöglich doch noch mehr wert sein und der Steuerzahler bei einem schnellen Verkauf weiter draufzahlen könnte.

Eine Befürchtung, die sich seither klar bestätigt hat: Die FMS erlöste über die Jahre mehr als 700 Millionen Euro aus den Anlagen der Depfa, weitere bis zu 250 Millionen könnten in den nächsten Jahren noch aus übernommenen Vermögenswerten hinzukommen, heißt es aus der Bad Bank. Und dann ist da ja noch der Kaufpreis: Zwar wird die FMS nicht die ganzen 600 Millionen Euro herausbekommen, die zuletzt als Eigenkapital bei der Depfa lagen - die Tochter machte zuletzt operativ Verluste und die Wertpapiere im Depot haben immer noch gewisse Risiken. Der Abschlag beim Kaufpreis sei aber "verkraftbar", heißt es aus informierten Kreisen. Unter dem Strich könnten die Jahre in staatlicher Obhut dem Steuerzahler damit also womöglich bis zu eine Milliarde Euro eingebracht haben, netto.

Den Österreichern geht es um die verbliebenen Wertpapiere

Nun will die ehemalige Gewerkschaftsbank Bawag, bis vor einigen Jahren selbst ein Sanierungsfall, noch einmal etwas herausholen aus den Resten der Depfa. Fortsetzen wollen die Österreicher das Geschäft in Irland aber nicht, ihnen geht es lediglich um die verbliebenen Wertpapiere im Portfolio, die Bank selbst mit ihren zuletzt rund 90 Mitarbeitern soll abgewickelt werden.

Ohnehin ist die Depfa in den vergangenen Jahren stark geschrumpft. Hatte sie 2014, als die FMS übernahm, noch eine Bilanzsumme von 48,5 Milliarden, waren es zuletzt noch 6,9 Milliarden Euro. Man habe so viele Positionen aufgelöst wie möglich, heißt es von der FMS. Einige lang laufende Papiere seien aber immer noch im Markt, die letzten mit Enddatum 2037. Die Bawag könne sich darum nun besser und vor allem günstiger kümmern als man selbst. Deshalb der Verkauf.

Die Vorbereitungen für das Geschäft liefen bereits seit etwa anderthalb Jahren, die Unterschrift unter den Vertrag aber verzögerte sich dann, auch wegen der Corona-Pandemie. Die Depfa sei, so teilte es Bawag-Chef Anas Abuzaakouk am Montag mit, eine "attraktive und kapitalerhöhende Investitionsmöglichkeit", man erwerbe "hochwertige Vermögenswerte mit geringem Risiko". Sätze, die so noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen wären. Damals kannten viele Beobachter für das, was da in den Büchern in Dublin ruhte, nur ein Wort: Atommüll.

Für die FMS selbst könnte der Verkauf der Depfa nun ebenfalls Historisches bedeuten: den Anfang vom eigenen Ende. Bis 2025, so bisher der Plan, könnten die Reste des Portfolios an den Eigentümer, also den Bund, übergeben werden, fertig geordnet und bereit, ohne großen Aufwand von selbst auszulaufen oder verkauft zu werden. Der Verkauf der Depfa ist ein weiterer Schritt dorthin.

Dass die Kosten für die Rettung der HRE einmal durch Verkauf und Abwicklung ihrer Überreste hereingeholt werden, ist dennoch aussichtslos. Zu viele Milliarden waren nötig, um das Institut vor dem völligen Kollaps zu bewahren. Auch der Erlös aus dem Depfa-Verkauf wird wohl nicht an den Finanzminister fließen, sondern bei der FMS bleiben - vorsorglich, für mögliche Verluste in der Zukunft.

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