Wenn man Mitarbeiter mitentscheiden lasse, sagt Marc Stoffel, dann über die wirklich wichtigen Fragen des Unternehmens und nicht über "das kleine Zeug, das niemanden interessiert". Stoffel ist CEO der Haufe-Umantis AG, einer Schweizer Firma für Talentmanagement-Software, und man sollte ihm glauben, dass er das wirklich so meint. Immerhin durfte die Umantis-Belegschaft 2012 darüber abstimmen, von welcher Firma man übernommen werden wollte; sie entschied sich für den kleineren der Kaufinteressenten. Übrigens wurde auch Stoffel von den Mitarbeitern gewählt. Und wie er da auf der Bühne steht, jung, hochgewachsen, charmant, kann man sich den Gedanken nicht verkneifen, dass er bei einem Wettbewerb "Deutschland sucht den Super-CEO", zumindest was die Optik angeht, ziemlich viele Stimmen bekommen würde.
Sieht so die Zukunft aus? Mitarbeiter wählen ihre Vorgesetzten, stimmen über die Produktpalette ab, entscheiden über ihre Arbeitszeiten und verhindern, dass bei Übernahmen der Käufer mit dem höchsten Angebot zum Zuge kommt. Wenn das alles so käme, könnte das eine bessere Zukunft sein? Die Konferenz "Das demokratische Unternehmen" hat in dieser Woche versucht, auf diese Fragen Antworten zu finden. Sie wurde veranstaltet von der TU München, dem Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung ISF und der Human Resources Alliance, hinter der der ehemalige Telekom-Vorstand Thomas Sattelberger steckt. So klar ist die Sache naturgemäß nicht, denn mit der Demokratie in Unternehmen verhält es sich genauso wie mit der Demokratie generell: zu wenig davon erstickt Engagement, das in Zeiten des schnellen Wandels auch in Firmen besonders nötig gebraucht wird. Zu viel davon kann alles zum Erliegen bringen. Die Regeln, nach denen Demokratie funktioniert, wollen also gut überlegt sein.
Schon der große Andrang im Audimax der TU könnte ein Beleg dafür sein, dass es keine versponnene Idee von Utopisten ist, das Thema Mitarbeiterbeteiligung wiederzubeleben, dessen zarte Wurzeln in den Neunzigerjahren vom Shareholder-Value-Primat erstickt worden waren. Dabei geht es, auch wenn die Gewerkschaften das ungern hören, um individuelle Beteiligung über die etablierten Formen der Mitbestimmung hinaus.
"Die heranwachsende Generation hat null Bock auf Fremdbestimmung"
Mehrere Entwicklungen sprechen dafür, in Unternehmen - um nun doch mal Willy Brandt zu strapazieren - mehr Demokratie zu wagen : Erstens wandeln sich die Werte der jüngeren Generationen, die in einer digital vernetzten Welt aufwachsen, in der sie Einflussnahme täglich praktizieren. "Die heranwachsende Generation hat null Bock auf Fremdbestimmung", sagte Prof. Klaus Dörre, Soziologe aus Jena.
Zweitens ändern sich Konsumtrends und Geschäftsmodelle zu schnell, als dass die klassische, auf Effizienz gebürstete Hierarchie-Organisation darauf angemessen reagieren könnte. Anders gesagt: Ist die Chef-Entscheidung endlich bis nach unten durchgesickert, hat die Konkurrenz schon längst etwas Neues erfunden. Und die Konkurrenz lauert heute nicht einmal mehr nur in der eigenen Branche. "Früher suchten wir Mitarbeiter, die tun, was wir sagen, heute suchen wir Mitarbeiter, die machen, was wir nicht sagen", formulierte es Microsoft-Deutschland-Geschäftsführer Klaus von Rottkay.
Drittens, gibt es dank digitaler Technologien viel bessere Möglichkeiten für Mitsprache und Beteiligung. Armin Steuernagel, vielfacher Jung-Gründer und auch bei der Konferenz zu Gast, hat zum Beispiel Appstimmung.de entwickelt, ein Instrument, mit dem er Mitarbeiter in seinen Firmen mitreden lässt. "Wer gefragt wird, denkt mit", so Steuernagels Philosophie.