Dell-EMC-Fusion:Stirb langsamer

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Schrumpfendes Geschäft: PCs und Laptops sind immer weniger gefragt, deshalb setzt Dell auf ein Rundum-Angebot. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)
  • Michael Dell will die bis heute größte Übernahme der Technologiebranche stemmen.
  • Der Deal soll insgesamt rund 67 Milliarden Dollar schwer sein.

Von Kathrin Werner, New York

Es sieht so aus, als hätte Michael Dell mal wieder gewonnen. Noch vor ein paar Jahren schien der 50-Jährige zu einem der größten Verlierer der Computerbranche zu werden: Seine Firma, der PC-Hersteller Dell, büßte Marktanteile ein, hatte Trends verschlafen, der Aktienkurs schrumpfte - und dann stieg auch noch der streitlustige Großinvestor Carl Icahn bei ihm ein. Wenn Icahn Unternehmensanteile kauft, ekelt er meist zuallererst die Chefs raus. "Ich habe noch nie einen Vorstand gesehen, der schlechter ist als der von Dell", ätzte Icahn Mitte 2013. Den Plan des Gründers, den Konzern von der Börse zu nehmen und umzubauen, wollte er verhindern. Doch Dell gab nicht auf, verschob dreimal die Abstimmung der Aktionäre, änderte Regeln - und gewann. Icahn kapitulierte und nannte Dell einen "Diktator".

Seither macht Dell mit Dell mehr oder weniger, was er will. Und jetzt will er die bis heute größte Übernahme der Technologiebranche stemmen. Dell kauft den Speicher-Spezialisten EMC aus Massachusetts. Der Deal sei insgesamt rund 67 Milliarden Dollar schwer, teilte Dell am Montag mit. Dell und seine Partner sollen nach Abschluss der Übernahme 70 Prozent an EMC halten. Michael Dell werde das gemeinsame Unternehmen führen. Der Verwaltungsrat von EMC hat zugestimmt und will auch den Aktionären raten, das Angebot zu akzeptieren. Der Deal ist Teil des großen Umbaus, den Gründer Dell für die Firma Dell plant, seit er sie gegen Icahns Willen von der Börse genommen hat.

Macht zurückerkämpft

Dell hat sich in den vergangenen Jahren die Macht bei Dell zurückerkämpft. Der Gründer, mit 19,4 Milliarden Dollar Vermögen einer der 50 reichsten Menschen der Welt, hatte sich eigentlich zurückgezogen, wurde 2007 aber wieder Konzernchef, um den Niedergang aufzuhalten. 2013 kaufte er mit Hilfe des Finanzinvestors Silver Lake Partners für 25 Milliarden Dollar sein Unternehmen zurück und nahm es von der Börse - er hatte keine Lust mehr, mit Investoren zu streiten, den Anlegern jedes Quartal Rechenschaft über seine Erfolge ablegen und daher recht kurzfristig denken zu müssen. Es war spektakulär: Dell, einst ein Börsenstar, war wieder privat.

Dell hat den nach ihm benannten Computerbauer 1984 in seiner Studentenbude in Texas gegründet, er war damals gerade mal 19 Jahre alt und besaß 1000 Dollar für die ersten Investitionen. Doch nach Jahren des Aufstiegs schrumpfte der einst größte PC-Hersteller gegenüber Rivalen wie Hewlett-Packard und neuen Wettbewerbern wie Lenovo. Inzwischen ist Dell nur noch die Nummer drei der Welt. Die Computerbranche hat sich in den vergangenen Jahren enorm verändert - zum Leidwesen der alten Hersteller wie Hewlett-Packard, IBM und eben auch Dell. Die Menschen kaufen immer weniger große Rechner und stattdessen Smartphones oder Tablets. Unternehmen lagern Teile ihrer Informationstechnologie in die so genannte Cloud aus, das trifft die Anbieter von Computersystemen für Rechenzentren. Die vergangenen Monate waren besonders schlimm. Im dritten Quartal 2015 ist der PC-Absatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum laut den Marktforschern von IDC um fast elf Prozent auf 71 Millionen Geräte gesunken.

Luxus - oder billig

In dem schrumpfenden Markt gebe es nur Raum für zwei Arten von Firmen: Luxus-Hersteller wie Apple oder Billiganbieter etwa aus China, sagte Max Wolff, Chefökonom der auf die Technologiebranche spezialisierten Firmenkundenbank Manhattan Venture Partners, dem Fernsehsender CNBC: "Der Rest stirbt schneller."

Um nicht mehr zu dem schneller sterbenden Rest zu gehören, will sich Dell weniger auf Computer spezialisieren, sondern IT-Komplettangebote liefern, also auch Drucker, Tablets, Server, Speicher und Netzwerke, auch in der Cloud. Zudem soll sich der Hersteller auf mittelgroße Unternehmen statt auf Privatkunden oder Großkonzerne konzentrieren. Dabei hilft der Speicherspezialist EMC, dem auch eine lukrative Beteiligung von 80 Prozent an VMware gehört. Diese Firma sorgt dafür, dass Rechenzentren dank virtueller Computer effizienter laufen, VMware gilt bei Experten als das wachstumsträchtigere Geschäft.

Für die Übernahmen von EMC werden Dell und der auch diesmal beteiligte Partner Silver Lake laut Medienberichten weitere 40 Milliarden Dollar von Banken brauchen. Dell hat im vergangenen Geschäftsjahr nach Expertenschätzungen Umsätze von 27 Milliarden Dollar mit dem Verkauf von PC und neun Milliarden Dollar mit Servern erzielt. Mit EMC zusammen kann das neue Unternehmen einen großen Teil der IT-Bedürfnisse von Geschäftskunden abdecken. EMC war bislang klein im Wettbewerb mit den Großkonzernen. Der Deal soll Mitte kommenden Jahres abgeschlossen werden, Aufsichtsbehörden und Anteilseigner müssen noch zustimmen.

Es könnte zudem weitere Hürden geben. Die Einigung sieht vor, dass EMC sich vor dem endgültigen Abschluss konkurrierende Angebote einholen darf. Damit soll der kritische Finanzinvestor Elliott Management milde gestimmt werden, der Anteile an EMC hält und schon länger die Abspaltung von VMware fordert. EMC will unter anderem bei Microsoft und dem Netzwerkspezialisten Cisco vorfühlen. Dell fürchtet Elliott vermutlich nicht, mit rebellierenden Großinvestoren kennt er sich schließlich aus.

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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