Süddeutsche Zeitung

Deliveroo:Einfach geliefert

Mit großem Pomp wollte Deliveroo an die Börse gehen. Doch nun proben Investoren die Revolte.

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Eigentlich wollte das Lieferunternehmen Deliveroo mit seinem Börsengang das ganz große Rad drehen, doch nun dürften ausgerechnet zum Börsengang viele Räder stillstehen. Zum Börsenstart des Kurierdienstes an diesem Mittwoch wollen Hunderte Fahrer für bessere Arbeitsbedingungen protestieren, ihre Räder stillstehen lassen - und das Unternehmen in Bedrängnis bringen.

Der Börsengang hätte schließlich ein Megaevent für die Londoner Börse werden sollen: Eine Milliarde Pfund hätte das Unternehmen mit seinen Aktien einnehmen wollen, insgesamt knapp neun Milliarden Pfund hätte es dann schwer sein können. Ausgerechnet ein hippes Digitalunternehmen sollte den Brexitfrust an der Londoner Börse vertreiben. Doch nun mussten die Unternehmenslenker die Erwartungen an ihren Börsenstart deutlich herunterschrauben: Trotz Home-Office-Trends und Lieferbooms könne man die eigenen Aktien mutmaßlich nur in einer Preisspanne zwischen 3,90 Pfund und 4,10 Pfund loswerden, hieß es. Der Grund? "Das volatile globale Marktumfeld für Börsengänge."

Doch nicht nur die Märkte spielen eine Rolle beim Börsengang, sondern auch die Moral: Spätestens seit der vergangenen Woche ist das Unternehmen ins Zentrum der öffentlichen Debatte im Königreich gerückt. Seitdem verschiedene britische Medien über Arbeitsbedingungen von Kurierfahrern berichteten, proben selbst große Investoren eine kleine Revolte.

In einer umfangreichen Studie hatte eine unabhängige Gewerkschaft die Abrechnungen von insgesamt 318 Fahrerinnen und Fahrern ausgewertet. Das Ergebnis: Jeder Dritte verdiene weniger als den gesetzlichen Mindestlohn von 8,72 Pfund pro Stunde. Was auch daran liegen kann, dass die Fahrer keine Angestellten sind, sondern über eine App Aufträge annehmen können - oft aber auch Leerlaufzeiten haben. Das Unternehmen sieht sich jedoch im Recht, eigenen Auswertungen zufolge verdienten die Fahrer im Durchschnitt mehr als zehn Dollar pro Stunde.

Dann aber bekundeten drei Fondsgesellschaften, nicht am Deliveroo-Börsengang teilzunehmen. "Wir wollen in Unternehmen investieren, die nicht nur profitabel sind, sondern auch nachhaltig", teilte die Fondsgesellschaft Aberdeen Standard mit, Arbeitnehmerrechte seien wichtig.

Dass es allerdings auch den Finanzprofis wohl nicht nur um das Gute geht, sondern auch ums Geld, zeigt sich im Prospekt zum Börsengang: Sollten die Deliveroo-Fahrer irgendwann nicht mehr als Freiberufler, sondern als Arbeitnehmer betrachtet werden, könne dies das Geschäftsmodell "negativ treffen". 112 Millionen Pfund haben die Manager für eventuelle Rechtskosten auf die Seite geschoben. Nur mal vorsichtshalber.

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Quelle:
SZ vom 30.03.2021
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