Defizit überschattet EU-Gipfel:Eurokrise erreicht Niederlande

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Griechenlands Staatsfinanzen sind eine Katastrophe - aber die der Niederlande? Jetzt hat auch die Regierung in Den Haag ein Defizitproblem, dabei galt der Staat als solide. Dank dem Populisten Wilders könnte das zu einer neuen Staatskrise mitten in Nordeuropa führen. Immerhin: das griechische Hilfspaket ist auf dem Weg.

Cerstin Gammelin und Martin Winter, Brüssel

Die Euro-Finanzminister sind in der Rettung Griechenlands einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Auf einem Sondertreffen in Brüssel bescheinigten sie der Regierung in Athen am Donnerstag, fristgerecht "alle nötigen Gesetzesvorhaben" verabschiedet zu haben. Damit sei die Basis geschaffen, die öffentlichen Finanzen des Landes konsolidieren und für Wachstum sorgen zu können.

Die Ressortchefs gaben 35 Milliarden Euro frei. Das Geld ist für die Europäische Zentralbank (EZB) bestimmt und dient für die Zeit des Schuldenschnitts als Sicherheit - anstelle der bei der EZB hinterlegten griechischen Anleihen. Die EZB hatte erklärt, dass sie diese Papiere vorübergehend nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren kann.

Unter der Voraussetzung des Schuldenschnitts, bei dem private Gläubiger freiwillig auf 53,5 Prozent des Nennwertes ihrer griechischen Anleihen verzichten sollen, bewilligten die Euro-Finanzminister erste Tranchen des zweiten Hilfspakets. Danach können griechische Banken mit 23 Milliarden Euro gestützt werden.

Weitere 30 Milliarden Euro erhalten die privaten Gläubiger, die am Schuldenschnitt teilnehmen. Schließlich sollen 5,5 Milliarden Euro für aufgelaufene Zinsen bereitgestellt werden. Die Minister betonten, dass die endgültige Freigabe Mitte März erfolge. Am 8. März endet die Frist, in der private Banken ihre freiwillige Teilnahme am Schuldenschnitt erklären können. Sollten sie wie geplant auf insgesamt 107 Milliarden Euro verzichten, werden die Tranchen endgültig freigegeben.

Schlechte Nachrichten aus Griechenland

Am Donnerstagabend kamen die europäischen Staats- und Regierungschefs zu ihrem zweitägigen Frühjahrsgipfel zusammen. Ausgerechnet die niederländische Regierung reiste mit schlechten Nachrichten an. Ihre Wirtschaft schrumpft unerwartet, die Neuverschuldung steigt entsprechend stark an. Premier Mark Rutte muss jährlich neun bis fünfzehn Milliarden Euro einsparen, um bis 2013 die Drei-Prozent-Obergrenze zur Neuverschuldung einhalten zu können. Ansonsten wird Den Haag für 2013 ein Defizit von 4,5 Prozent prognostiziert - und auf ähnlichem Niveau für die beiden folgenden Jahre.

Die Minderheitsregierung unter Mark Rutte will bereits am Montag mit der sie stützenden Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders über zusätzliche Maßnahmen beraten. Ob das gelingt, ist unklar. Wilders Partei hält sich die Option offen, Rutte nicht mehr zu unterstützen. Das würde eine Regierungskrise in den Niederlanden auslösen. Im Zuge der Euro-Krise mussten schon sechs Regierungschefs gehen.

Europa soll "weltweit" an Wettbewerbsfähigkeit arbeiten

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zum Auftakt des EU-Gipfels, die Europäer müssten "weltweit" an ihrer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten. "Nur wenn Europa das schafft, haben wir wirklich eine Zukunft, unsere Haushaltsdefizite zu senken und gleichzeitig Wohlstand und Arbeitsplätze für die Menschen in Europa zu garantieren."

Auch EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy warb für Wachstum. Alle Staaten sollten maßgeschneiderte Empfehlungen bekommen, wie sie für mehr Jobs und wettbewerbsfähige Unternehmen sorgen können, sagte er. Kommissionspräsident José Manuel Barroso kündigte innovative Instrumente zur Finanzierung von Wachstumsprogrammen an. Auf seiner Agenda stehen sogenannte Projektbonds, die er mittlerweile auch als Wachstumsbonds bezeichnet. Barroso will mit diesen Bonds, die über den EU-Haushalt mitfinanziert werden, private Investitionen auslösen.

Die Bonds seien angesichts leerer Kassen das geeignete Mittel, um Wachstum und Beschäftigung zu generieren. "Die Zeit ist da, um zu liefern", sagte er dazu. In der vergangenen Woche hatte seine Behörde eine Analyse vorgelegt, wonach vor allem die Länder der Euro-Zone im laufenden Jahr in eine tiefe Rezession rutschen.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, warf den Staats- und Regierungschefs vor, mit dem Drehen an der "Sparschraube" die "Armut und die Jobmisere" in Griechenland und anderswo verschlimmert zu haben. Nicht das europäische Sozialmodell sei die Ursache der Krise, sondern vielmehr ein "Beitrag zu ihrer Lösung". Er warnte davor, die Finanzmittel der EU zu kürzen. Damit würden "Wachstumspotentiale gefährdet", die in den Regional- und Strukturprogrammen stecken.

© SZ vom 02.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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