Defizite der Energiepolitik:Das große Palaver

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Der Atomausstieg soll kommen, doch wie er organisiert werden könnte, wird von Managern und Politikern nicht beantwortet. Wertvolle Zeit vergeht, in der Alternativen gefördert werden könnten - und am Ende gehen womöglich die Lampen aus.

Karl-Heinz Büschemann

Dieses Land braucht eine Energiepolitik, das weiß jedes Kind. Dumm nur, dass der Diskurs über die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland zusammenbricht, kaum dass er richtig begonnen hätte. Wahrzunehmen ist eine aufgeregte Kakophonie von Meinungen, die manchen ins Reich der Träume führt, aber für die große Industrienation das Risiko birgt, dass nichts oder zu wenig geschieht und irgendwann doch noch ein paar Lichter ausgehen.

Strommasten vor einem Kohlekraftwerk: Wie gehen wir mit dem Klimaproblem um, wenn der Ersatz für den Atomstrom aus Kohle oder Gaskraftwerken kommt? (Foto: dpa)

Die Atomkatastrophe von Fukushima erschüttert die Welt und wirft scheinbar ewige Weisheiten der Energiewirtschaft über die angeblichen Vorteile der Atomenergie über den Haufen.

Die Union, vorneweg die CSU, rückt von der Kernkraft ab, die sie gerade noch mit Gewalt durchpeitschen half, und selbst die Wirtschaftspartei FDP hat sich von der Atomkraft abgewandt.

Die Bürger sind erschrocken über dieses Maß an parteipolitischem Opportunismus und rätseln, ob es die Regierenden ernst meinen mit dem Ausstieg. Sie trauen jenen nicht, die bereit sind, ihre Politik im Monatsrhythmus zu ändern.

Eine trostlose Rolle spielen auch die Manager der vier großen Stromkonzerne. Sie haben unter dem von der Kanzlerin verkündeten Moratorium zu leiden, ducken sich aber weg und sagen wenig. Sie setzen sich sogar von RWE-Chef Jürgen Großmann ab, hinter dem sie sich noch im August freudig versammelt hatten, als er der Kanzlerin Angela Merkel einen öffentlichen Brandbrief schrieb, der zur Verlängerung der Laufzeiten ihrer Kernkraftwerke führte. Nicht einmal im Energie-Verband trauen sich die Atomkonzerne noch, ihre Meinung zu sagen, obwohl sie zwei Drittel des deutschen Stroms liefern.

Politiker wie Manager benehmen sich wie Hasenfüße. Die einen fürchten Wahlen, die anderen haben Angst, dass ihre Konzerne in der aufgeregten Debatte dieser Tage einen Image-Schaden erleiden könnten. Beide laufen vor der Diskussion davon, statt sie mit sachlichen Argumenten voranzutreiben.

Zwischen Politikern und Managern herrscht eine Art Krieg. Die Politiker reden nicht mit den Strommanagern und die wiederum schießen aus dem Versteck, indem sie Aufsehen erregend ihre Zahlungen an den Fonds zur Förderung der regenerativen Energien einstellen.

Politiker und Strommanager müssen die Energieversorgung der wichtigsten europäischen Industrienation aber gemeinsam sicherstellen.

Dabei ist es noch vergleichsweise einfach, den Ausstieg aus dem Atomstrom zu organisieren. Die aus den Meilern kommenden Strommengen sind ersetzbar. Aber wie gehen wir mit dem Klimaproblem um, wenn der Ersatz aus Kohle oder Gaskraftwerken kommt? Schon bald wird es eine Neuauflage der weltweiten Kohlendioxid-Debatte geben. Das wird bei der Industrie zu höheren Kosten für die Emission von Abgasen führen. Deutschland braucht auch neue Stromnetze, Windräder und Speicher für Strom sowie Endlager für CO2 aus Kohlekraftwerken. Das Land kommt um weitere Vorschriften zum effektiveren Energieeinsatz nicht herum.

Auf die Politiker wartet eine Aufgabe, die wirtschaftlich so anspruchsvoll ist wie die Wiedervereinigung und politisch so umstritten wie einst die Ostpolitik. Nicht einmal die Fakten sind ausreichend klar. Welche Stromnetze, wie viele Windräder oder welche Technologien für Stromspeicherung das Land braucht, wissen weder die Kanzlerin noch die Stromerzeuger, seien sie atomar oder grün gesinnt.

Diese große Aufgabe ist nur lösbar, wenn alle relevanten Gruppen an dem gesellschaftlichen Diskurs teilnehmen. Die Gesprächspartner reichen vom Atommanager bis zum Kardinal, niemand darf ausgegrenzt werden.

Die Energiepolitik braucht einen breiten Konsens. Bisher aber lassen Manager und Politiker es an der nötigen Ehrlichkeit fehlen; es ist ein Trauerspiel. Heute so, morgen so, das Hickhack führt in die Sackgasse. Wertvolle Zeit vergeht, die für die Förderung von Alternativen genutzt werden könnte. Am Ende gehen dann womöglich doch noch die Lampen aus.

© SZ vom 15.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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