Debatte ums Bargeld:Niemand soll zu neuen Bezahlformen gezwungen werden

Bargeldlimit von 5000 Euro

Bargeld ermöglicht eine Anonymität, auf die der Bürger in einem freien Land Anspruch hat.

(Foto: dpa)

In Deutschland wird es keine Obergrenze beim Bezahlen mit Bargeld geben. Das ist endlich mal eine gute Nachricht.

Kommentar von Marc Beise

Eine gute Nachricht zum Wochenausklang: Eine Bargeld-Obergrenze in Deutschland wird es nicht geben. Obwohl sie von vielen Experten gefordert wird - im Gespräch waren 5000 Euro - und entsprechende Regelungen in etlichen EU-Ländern gelten, hat sich das Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz nun klar dagegen ausgesprochen; der SPD-Politiker kassiert damit Pläne seines CDU-Vorgängers Wolfgang Schäuble. Damit können die Bürger weiterhin so viel Bargeld auf den Tisch legen, wie sie wollen, etwa beim Kauf eines Autos. Dafür gibt es sieben gute Gründe.

Erstens gilt es anzuerkennen, dass die deutsche Regierungspolitik endlich einmal zugehört hat und den Bürger ernst nimmt. Denn technisch braucht es längst kein Bargeld mehr, alle Bezahlfunktionen könnten digital erfolgen, und in vielen Ländern ist das längst Alltag. In Deutschland dagegen ist das Zahlen mit Bargeld mehrheitlich eine Gewohnheit, ein Lebensgefühl; alle Umfragen bestätigen dies. Die Politik reagiert deshalb richtig, wenn sie den Bürgern ihr Geld lässt.

Schon gar nicht braucht es zweitens einheitliche Regeln in ganz Europa, die die Lebenswirklichkeit und das Lebensgefühl in einigen Staaten bedienen, um dafür weiteren Europa-Verdruss anderswo zu provozieren. Es spricht für die EU-Kommission, dass sie das erkannt und sich jetzt selbst gegen einheitliche Regeln gestellt hat. Früher wäre das anders gewesen. Das ist ein - und nicht das erste - Beispiel dafür, dass die Zentralisten dazugelernt haben. Es wäre schön, wenn die notorischen Brüssel-Hasser das einmal anerkennen würden.

Politik gibt eine Illusion auf

Drittens nimmt die Entscheidung gegen eine Obergrenze Vermutungen den Nährboden, die Behinderung von Zahlungen mit Bargeld seien nur der erste Schritt. Um das Bargeld danach komplett abzuschaffen mit dem finsteren Ziel, die Bürger den Notenbanken auszuliefern. So hat sich - neben anderen - der einflussreiche amerikanische Ökonom Kenneth Rogoff viel beachtet für die Abschaffung mindestens von größeren Scheinen ausgesprochen, damit die Bürger weniger Ausweichmöglichkeiten gegen geldpolitische Maßnahmen haben. Was auch immer Notenbanken beschließen, etwa Negativzinsen, dem müsste sich der Bürger dann ergeben. Daher kommt es zur richtigen Zeit, wenn der Staat sich zurückhält in einem Augenblick, in dem ohnehin die Sorge wächst, dass "die Institutionen" die Bürger drangsalieren.

Viertens gibt die Politik endlich die Illusion auf, sie könnte Kriminellen mit einem Federstrich das Handwerk legen. Den guten alten Geldkoffer mit Schwarzgeld gibt es noch, aber er verliert in Zeiten der Digitalisierung an Bedeutung. Dass man Terrorismus durch Einschränkungen beim Bargeld verhindern könnte, ist ohnehin ein Mythos. Es ist kein Zufall, dass Obergrenzen ausgerechnet in Ländern wie Italien üblich sind, wo das organisierte Verbrechen trotzdem Teile des öffentlichen Lebens kontrolliert. Wer Kriminalität bekämpfen will, sollte lieber die Ermittler aufrüsten und das Rechtsbewusstsein stärken.

Fünftens poliert die Politik mit ihrer Bargeldentscheidung auch die staatsbürgerlichen Prinzipien von Freiheit und Eigenverantwortung. Das geflügelte Wort dazu lautet: "Bargeld ist geprägte Freiheit". Oder in kleinerer Münze: Bargeld ermöglicht bei Alltagsgeschäften, und das kann eben auch ein Kauf im Wert von mehr als 5000 Euro sein, eine Anonymität, auf die der Bürger in einem freien Land Anspruch hat.

Sechstens aber ist der Staat deshalb nicht schutzlos. Gegen Kriminalität kann er die Transparenzpflicht setzen. So ist es in Deutschland bisher schon so, dass Bargeldzahlungen ab 10 000 Euro nicht anonym erfolgen können. Das ist eine sinnvolle Ergänzung der Freiheit.

Und siebtens sollte der Staat, wenn er alte Strukturen aus guten Gründen bewahrt, sich trotzdem für Neues öffnen. Elektronische Bezahlsysteme sind natürlich sinnvoll und notwendig, im Privatbereich, bei Dienstleistungen, im Umgang mit öffentlichen Institutionen und auch im öffentlichen Personennahverkehr. Vieles ist hier noch zu tun. Der entscheidende Punkt ist nur: Niemand soll dazu gezwungen werden, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Wer es schön altbacken und wie früher machen will, ist dazu herzlich eingeladen. Das zeichnet die offene Gesellschaft aus.

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