Süddeutsche Zeitung

Debatte um Umsatzsteuer auf Geldgeschäfte:Was eine Finanzmarktsteuer leisten kann

Die Finanztransaktionsteuer ist weder eine Wunderwaffe noch ein Allheilmittel - und sollte doch jetzt eingeführt werden. Nach 40-jähriger Diskussion wäre sie ein Signal, dass die Politik der Erosion des Vertrauens in die soziale Marktwirtschaft und die Demokratie nicht einfach zusieht.

Claus Hulverscheidt

Je länger die Diskussion über die Einführung einer Umsatzsteuer auf Geldgeschäfte dauert, desto abstruser wird sie vielerorts auch. Da erklärt sich der Vorsitzende der Saar-FDP dazu bereit, die offizielle Parteilinie aufzugeben und der Finanztransaktionsteuer zuzustimmen, sofern die Kanzlerin dafür - Obacht! - die Benzinpreise senkt.

Da schlagen die Fraktionschefs Kauder und Brüderle alternativ eine Börsenumsatzsteuer vor, obwohl sich während der Finanzkrise des Jahres 2008 ja gerade solche Geschäfte als gefährlich erwiesen haben, die nicht über eine Börse abgewickelt werden. Und da knüpft die SPD ihr Ja zum EU-Fiskalpakt an die Einführung der Steuer - ein rein machtpolitisch motiviertes Junktim, das sich noch als hässliches Eigentor erweisen könnte.

Bei dem ganzen Getöse kommt die Frage zu kurz, was die Transaktionsteuer in der Praxis eigentlich leisten könnte und was nicht. Sicher ist: Die Steuer würde die Spekulation auf den Finanzmärkten nicht beenden und die Haushaltsprobleme der Regierungen nicht lösen. Sie wäre auch kein Bußgeld für die Banken, sondern würde zum Teil auf Bürger und Betriebe überwälzt. Und ja: Manches Institut würde einzelne Geschäftsfelder wohl in andere Weltregionen verlagern.

All diese Argumente sind triftig - und doch sollten sie Europa nicht davon abhalten, die Steuer nach 40-jähriger Debatte einzuführen, notfalls auch nur in der Euro-Zone oder gar von einer Koalition der Willigen. Es wäre ein Schritt von gewaltiger Symbolkraft, ein Signal, dass die Politik der Erosion des Vertrauens in die soziale Marktwirtschaft und die Demokratie nicht einfach zusieht. Man mag das abtun, denn natürlich können Symbole Reformen niemals ersetzen. Überflüssig sind sie deshalb aber nicht, im Gegenteil: Politik verkommt ohne Symbole zu bloßem Verwaltungshandeln.

Zudem sollte man die Wirkung der Steuer auf den Finanzmärkten nicht unterschätzen. Viele Geschäfte würden unattraktiv, darunter der sogenannte Hochfrequenzhandel, den Rechenmaschinen in Sekundenbruchteilen untereinander abwickeln und der kritische Kursbewegungen dramatisch verstärken kann. Auch der aufgeblähte, in weiten Teilen unnütze Handel mit Devisen würde eingedämmt.

Zudem würden Jahr für Jahr hohe Milliardenbeträge in die Staatskassen gespült, die für Bildung, Forschung und Entwicklungshilfe bereitstünden. Dass ein Teil dieses Geldes von den Bankkunden käme, wäre dabei kein Kollateralschaden, sondern nur folgerichtig: Wer auf der Suche nach einer möglichst hohen Rendite etwa in einen täglichen umschichtenden Aktienfonds investiert, der ist Teil der Spekulationsmaschinerie - und müsste entsprechend zahlen.

Die Finanztransaktionsteuer ist weder eine Wunderwaffe noch ein Allheilmittel. Sie ist eine Chance zur Regulierung, deren Zeit gekommen ist. Die Politik sollte diese Chance nutzen, statt sie durch taktische Koppelgeschäfte oder dummes Geschwätz zunichtezumachen.

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SZ vom 14.03.2012/mkoh
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