Debatte um Sicherheit von Atommeilern:EU kippt strenge Reaktor-Tests

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Terrorangriffe? Menschliches Versagen? Für die EU keine relevanten Gefahren, wenn es um Meiler-Sicherheit geht. Brüssel hat dem Druck der Atomlobby nachgegeben und verzichtet auf strenge AKW-Stresstests. Über Parteigrenzen hinweg regt sich Kritik. Der Adressat: EU-Kommissar Günther Oettinger.

Cerstin Gammelin

Die Sicherheitstests für europäische Atomkraftwerke werden deutlich schwächer ausfallen als angekündigt. Einem Vorschlag der Vereinigung der Westeuropäischen Aufsichtsbehörden zufolge sollen die Atommeiler nur noch daraufhin überprüft werden, ob sie Naturkatastrophen wie Erdbeben, Flutwellen oder extremen Temperaturschwankungen standhalten.

Durch die Nuklearkatastrophe in Fukushima ist die Anti-Atombewegung wiedererstarkt: Mit einer Projektion auf den Sarkophag des Reaktors in Tschernobyl warnt die Umweltschutzorganistation Greenpeace vor den Gefahren der Atomenergie. (Foto: dpa)

Die europäischen Energieminister berieten den Vorschlag am Dienstag im ungarischen Gödöllö. Dabei zeichnete sich ab, dass sie die Atomkraftwerk-Betreiber, wie von der Atomlobby vorgeschlagen, lediglich zu Tests auf Naturkatastrophen verpflichten wollen. Länder, die strengere Tests wollten, könnten diese freiwillig durchführen, hieß es in Kreisen von EU-Energiekommissar Günther Oettinger.

Ein Bericht zu Gefahrenszenarien reicht

Ursprünglich hatten sich die 27 europäischen Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel Ende März darauf geeinigt, die 146 in der Europäischen Union betriebenen Reaktoren auf alle durch die Fukushima-Katastrophe offenbar gewordenen zusätzlichen Unfallszenarien zu überprüfen. Zudem sollte getestet werden, ob Stromversorgung, Kühlung und zusätzliche Aggregate nach Terrorangriffen, menschlichen Bedienfehlern oder in unverhofften Notsituationen sicher funktionieren.

Das lehnen die westeuropäischen Aufseher strikt ab. "Wenn die Erfahrungen des Unfalls in Fukushima auch die Notfallmaßnahmen für den Schutz der Öffentlichkeit betreffen (Feuerwehr, Polizei und Gesundheitsversorgung), ist dies nicht Teil dieser Stresstests", heißt es in ihrem Vorschlag. Die Betreiber sollen demnach lediglich einen Bericht zu möglichen Gefahren verfassen und an die Kommission senden. Unabhängige EU-Fachleute hätten demnach keinen Zutritt zu den Mailern.

Informationen aus der EU-Kommission zufolge dringen vor allem Frankreich und Großbritannien auf abgeschwächte Tests. Die beiden Länder betreiben die meisten Atommeiler in Europa. In Frankreich stehen 58 Meiler, in Großbritannien 19.

Die Regierungen in Paris und London erklärten bereits, trotz des Unglücks von Fukushima auch künftig verstärkt Atomkraft nutzen zu wollen. London kündigte zudem an, die Ergebnisse der Tests nicht zu veröffentlichen. Im Dezember sollen die Ergebnisse vorliegen.

Der Plan der Atomkraft-Länder stößt auf heftige Kritik. "Wir müssen alle Szenarien für Katastrophen testen, egal, ob sie von Menschen oder der Natur verursacht werden", sagte die Europaabgeordnete Angelika Niebler (CSU) der Süddeutschen Zeitung. Die Fraktionsvorsitzende der Europäischen Grünen im Parlament, Rebecca Harms, sprach von einer "gefährlichen Reduzierung". Energiekommissar Oettinger breche sein Versprechen, die europäischen Atomkraftwerke sicherer zu machen und neue, einheitliche Standards zu entwickeln.

Die EU-Kommission bemühte sich, die Verbesserungen herauszustellen. Dank der Stresstests könne die Behörde nun erstmals die Baupläne aller Meiler einsehen, sie erhalte einen Überblick über alle Standorte, hieß es aus der Kommission. Die EU-Länder müssten erstmals erklären, welche Sicherheitsstandards sie ihren Bau- und Betriebsgenehmigungen zugrunde gelegt hätten. Das sei "ein großer Fortschritt".

Nach weiteren Beratungen in den kommenden Tagen sollen die Pläne am 12. Mai in Brüssel vorgestellt werden.

© SZ vom 04.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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