Debatte um Reparationsforderungen:Athen droht mit Pfändung deutschen Eigentums

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Regierungschef Alexis Tsipras bei der Parlamentsdebatte (Foto: REUTERS)
  • Die griechische Regierung debattiert erneut über Reparationsforderungen an Deutschland. Regierungschef Tsipras wirft Berlin "juristische Tricks und Verzögerung" vor.
  • Sollte es zu keiner Einigung kommen, droht Justizminister Paraskevopoulos, die Pfändung deutscher Immobilien in Griechenland zu erlauben.
  • Einer Studie zufolge belaufen sich die Gesamtforderungen auf bis zu 332 Milliarden Euro.
  • Ungeachtet der Diskussion geht für Athen heute der finanzielle Existenzkampf weiter: Erstmals seit den Neuwahlen sollen Gespräche mit Vertretern der internationalen Geldgeber geführt werden.

Was Tsipras der deutschen Regierung vorwirft

Das griechische Parlament will erneut Reparationsforderungen an Deutschland prüfen. Es geht um milliardenschwere Ausgleichszahlungen für erlittenes Unrecht während des Zweiten Weltkriegs. Dazu berief das Parlament am Dienstagabend einen Ausschuss aller Parteien ein, die Debatte dazu wurde vom Parlamentsfernsehen übertragen - mit harschen Worten hat Regierungschef Alexis Tsipras dabei Deutschlands Verhalten kritisiert.

"Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden die rechtlichen und politischen Bedingungen geschaffen, um diese Frage zu klären", sagte Tsipras. "Aber seitdem haben deutsche Regierungen mit Schweigen, juristischen Tricks und Verzögerung reagiert", kritisierte er in der Parlamentsdebatte. "Und ich frage mich, weil auf europäischer Ebene in diesem Tagen viel über moralische Fragen gesprochen wird: Ist diese Haltung moralisch?"

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Tsipras erinnerte daran, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg "zu Recht" mit einem Schuldenschnitt geholfen wurde, wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. "Wir vergessen nicht, dass das deutsche Volk auch unter den Nazis gelitten hat", fügte der griechische Premier hinzu.

Justizminister will deutsche Immobilien pfänden lassen

Justizminister Nikos Paraskevopoulos hat nun noch nachgelegt: Er erklärte sich bereit, die Pfändung deutscher Immobilien in Griechenland zu erlauben, sollte es zwischen Athen und Berlin zu keiner Einigung über die Reparationsforderungen kommen. "Ich beabsichtige die Erlaubnis zu geben", sagte er im griechischen Fernsehen. Die endgültige Entscheidung werde jedoch die Regierung unter Premier Tsipras treffen, hieß es.

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Der oberste ordentliche Gerichtshof Areopag hatte im Jahre 2000 nach einer Klage der Hinterbliebenen eines Massakers der Wehrmacht im mittelgriechischen Distomo im Jahr 1944 mit 218 Opfern beschlossen, deutsches Eigentum in Griechenland dürfe beschlagnahmt und gepfändet werden, um die Kläger zu entschädigen. Zuvor hatte ein Landgericht in der Provinzstadt Livadeia den Hinterbliebenen der Opfer 28 Millionen Euro Entschädigungen zugesprochen.

Eine Pfändung des traditionsreichen Goethe Instituts wurde damals vom Justizminister gestoppt. Er berief sich auf einen Artikel des griechischen Strafrechts, wonach der Justizminister die Umsetzung von Gerichtsentscheidungen aufhalten kann, die die Beziehungen zu anderen Staaten gefährden könnten.

Wie hoch die Forderungen sind

Bislang hatte die griechische Regierung die genaue Höhe ihrer Reparationsforderungen an Deutschland nicht beziffert. Allerdings hatte schon der abgetretene konservative Premier Antonis Samaras eine Expertenkommission zu der Frage eingesetzt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass Deutschland elf Milliarden Euro an Griechenland zahlen müsse - vor allem aus einem Zwangskredit, den die Nationalsozialisten einst der griechischen Notenbank abpressten, womit sie unter anderem Erwin Rommels Feldzug in Nordafrika finanzierten.

Nun ist jedoch von weit höheren Summen die Rede. Zu den Reparationsforderungen gibt es bereits eine erste griechische Studie. Auf der Grundlage dieser Untersuchung prüft der oberste griechische Gerichtshof zurzeit, wie mögliche Reparationsforderungen an Deutschland erhoben werden können. Diese erste Studie liegt bereits seit Anfang März 2013 vor und wird als streng geheim eingestuft. Die Athener Zeitung To Vima hatte die Studie jedoch am vergangenen Sonntag veröffentlicht. Die Gesamtforderungen werden darin in einer Höhe zwischen 269 und 332 Milliarden Euro beziffert. Die Bundesregierung sieht die Entschädigungsfrage dagegen als erledigt an.

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Außenminister Nikos Kotzias hatte die Ansprüche vor einem Monat in Berlin erneuert. Sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier wies die Forderung daraufhin zurück. Alle Reparationsfragen seien rechtlich abgeschlossen, sagte er damals. Das Thema belastet die deutsch-griechischen Beziehungen seit Jahrzehnten.

Parallel zur Debatte über Reparationsforderungen geht für Griechenland der finanzielle Existenzkampf weiter. An diesem Mittwoch nimmt das überschuldete Land erstmals seit den Neuwahlen Ende Januar wieder Gespräche mit den Experten seiner internationalen Geldgeber auf.

Bei dem Treffen in Brüssel kommen Beamte der griechischen Regierung und Experten der bisherigen Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds zusammen. Dabei soll über die Reformen beraten werden, die Griechenland im Gegenzug für die Verlängerung seines Hilfsprogramms bis Ende Juni zugesagt hat. Sie müssen bis Ende April fertig ausgearbeitet sein, damit Athen weitere finanzielle Unterstützung bekommt.

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Die "technischen Gespräche" in Brüssel könnten "ein oder zwei Tage dauern", hieß es am Vormittag aus Verhandlungskreisen. Ziel sei es zunächst, ein konkretes Arbeitsprogramm und einen Zeitplan für das weitere Vorgehen zu erstellen. Zudem soll Athen konkrete Zahlen zu seiner Haushaltslage und den finanziellen Auswirkung der geplanten Reformen vorlegen. "Im Verlauf der Verhandlungen könnte auch entschieden werden, dass Experten der Institutionen nach Athen reisen, falls das nötig ist", hieß es.

Wer an den Verhandlungen teilnimmt

An den Gesprächen nehmen die "Chefs" der bisherigen Troika teil, die in Griechenland als Symbol eines jahrelangen Spardiktats gilt und deshalb nun offiziell als "die drei Institutionen" bezeichnet wird. Für die EU-Kommission verhandelt Declan Costello, für die EZB Klaus Masuch und für den IWF Rishi Goyal. Zudem seien an den Gesprächen Vertreter des Euro-Rettungsfonds EFSF beteiligt, über den ausstehende Hilfszahlungen an Athen geleistet werden könnten. Auf griechischer Seite leitet der Generalsekretär des Athener Finanzministeriums, Nikos Theoharakis, die Delegation.

Griechenland hatte am Montag auch zugestimmt, dass Vertreter der ehemaligen Troika wieder nach Athen reisen dürfen. Regierungschef Alexis Tsipras hatte eigentlich versprochen, dass die in Griechenland höchst unbeliebte Troika nicht mehr zurückkehren werde.

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