Debatte um Netzneutralität:Amerika, geh du voran

Debatte um Netzneutralität: Streit um die Netzneutralität: Gleiches Internet für alle. Illustration: Stefan Dimitrov

Streit um die Netzneutralität: Gleiches Internet für alle. Illustration: Stefan Dimitrov

Der Vorstoß des amerikanischen Telekomaufsehers Tom Wheeler, das Internet als neutrale Instanz zu verteidigen, ist ein starkes Signal an Brüssel. Auch Europa braucht ein freies Netz, um den Wohlstand für alle Menschen zu sichern.

Von Varinia Bernau

Die Vereinigten Staaten sind nicht nur die Heimat der wichtigsten Internetkonzerne. Sie sind auch einer der bedeutendsten Absatzmärkte für all die Angebote, die das Netz möglich macht. Der Vorstoß des amerikanischen Telekomaufsehers und FCC-Chefs Tom Wheeler, das Internet als neutrale Instanz zu verteidigen, ist somit ein starkes Signal, das bis nach Brüssel strahlt. Zumal auch in Europa gerade die Regeln für den stetig steigenden Datenverkehr neu verhandelt werden.

Von dem Beschluss in Brüssel wird letztlich abhängen, wie groß die Vielfalt im Internet für europäische Verbraucher ist, aber auch, ob es gelingt, im Zuge der Digitalisierung neue Jobs zu schaffen.

Eigentlich gibt es keine Grenzen im Internet. Aber wenn beispielsweise ein amerikanischer Streamingdienst wie Netflix deutsche Zuschauer versorgen will, so ist er dazu eben doch auf die Zusammenarbeit mit hiesigen Internetanbietern angewiesen. Und er muss sich an die hiesigen Gesetze halten.

Andrus Ansip, Kommissar für den Digitalen Binnenmarkt und zudem Vizepräsident der EU-Kommission, ist ein Verfechter der Netzneutralität. In seinen Reden und seinen Tweets hat der Este stets deutlich gemacht, dass er den Kurs der Amerikaner für richtig hält. "Jeder sollte in der Lage sein, auf Dienste zuzugreifen und selbst Inhalte ins Netz zu stellen, ohne geblockt oder gedrosselt zu werden - und zwar unabhängig davon, in welchem Land er sich befindet", sagte Ansip vor wenigen Wochen.

Unterstützung von Tim Berners-Lee

Und nicht zufällig dürfte er nun pünktlich zu der jenseits des Ozeans geführten Debatte auf seinem offiziellen Blog Tim Berners-Lee das Wort überlassen haben. Der Brite gilt als ein Begründer des World Wide Web und nutzte die Gelegenheit zu einem Plädoyer für ein freies Internet, auch als Motor für das wirtschaftliche Wohl in Europa.

Netzneutralität ist einer der offenen Punkte in dem Paket für einen digitalen Binnenmarkt, den die Kommission bereits im September 2013 vorgelegt hat. Derzeit beraten darüber die Regierungen der 28 EU-Länder. Zu einer Einigung könnte es bereits im März kommen. Dann allerdings müssen Parlament und Kommission noch dem Kompromiss zustimmen.

Welche Maßnahmen soll es bei Verstößen geben?

Unklar ist bislang allerdings auch, wie die Einhaltung dieser Regeln sichergestellt wird. Voraussichtlich werden die Behörden der einzelnen Länder wie etwa die Bundesnetzagentur im Blick behalten müssen, ob die Netzanbieter tatsächlich alle Daten gleich behandeln. Doch diese Behörden sind vielerorts schon heute unterbesetzt. Außerdem können sie gegen Verstöße kaum in einem spürbaren Maße vorgehen.

Für die europäischen Netzanbieter, vor allem die großen, die in vielen Ländern ehemalige Staatskonzerne sind, gelten schon heute bei der Internetversorgung weitaus strengere Auflagen als in Amerika. Zugleich aber gibt es hier auch mehr Anbieter. Jahrelang haben sich diese mit immer neuen Niedrigpreisen gegenseitig unterboten - mit dem Ergebnis, dass in Europa ein Internetanschluss deutlich günstiger zu haben ist als in den USA.

Weniger Geld für den Netzausbau

Damit bleibt den Unternehmen aber auch weniger Geld, das sie in den Netzausbau stecken könnten. Brüssel muss also einerseits ein freies Netz verteidigen - ohne die für den Netzausbau zuständigen Telekommunikationsunternehmen so sehr zu schwächen, dass die bislang schon vernachlässigten Investitionen noch weiter verschoben werden.

EU-Kommissar Ansip will die Netzneutralität deshalb auch gesetzlich verankern, um den bislang viel zu zersplitterten Markt wieder attraktiv für Investoren zu machen. Mancher unter den Netzbetreibern fürchtet allerdings, dass die Definition in der EU-Verordnung zu eng geraten könnte. Wenn wirklich alle Daten gleich behandelt werden, so fragen sie, was hat dann, wenn es eng wird, Vorrang: das Fußballspiel im Fernsehen - oder das per Facebook verschickte Foto? Oder, wie man in ein paar Jahren womöglich fragen muss: das Fußballspiel im Fernsehen oder die Steuerung des selbstfahrenden Autos auf der Straße daneben?

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