Debatte um Lohnuntergrenze:Was bringt der Mindestlohn?

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Hilft eine Lohnuntergrenze den Niedrigverdienern oder kostet sie nur Jobs? Seit Jahren tobt die Debatte um den Mindestlohn zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Statt mit Sachargumenten wird sie vor allem mit Überzeugungen geführt, denn klare Erkenntnisse fehlen.

Detlef Esslinger

Da ist der Leiharbeiter an der Uniklinik Essen, der die Instrumente aus dem OP wieder sauber macht - für 6,50 Euro die Stunde. Da ist die Friseurin in Leipzig, die mit 5,16 Euro zufrieden sein muss. Oder die Helferin im Drogeriemarkt, auf dem Land in Rheinland-Pfalz, die mit 5,30 Euro nach Hause geht. Ist das gerecht?

Fensterputzer haben bereits jetzt Anspruch auf einen Mindestlohn von gut elf Euro. (Foto: ddp)

Die Debatte um das Für und Wider von Mindestlöhnen wird in Deutschland seit Jahren erbittert geführt. Der DGB fordert seit 2006 einen gesetzlichen Mindestlohn; ursprünglich in Höhe von 7,50 Euro, inzwischen sollen es 8,50 Euro sein. Er argumentiert mit moralischen und ökonomischen Argumenten. Das moralische lautet, dass jeder Mensch das Recht haben muss, von seiner Arbeit leben zu können; dass es niemandem zuzumuten ist, nach einer 35- oder manchmal auch 50-Stunden-Woche zusätzlich auf Hartz IV angewiesen zu sein, damit man über die Runden kommt. In den Worten des Vorsitzenden der CDU-Sozialausschüsse, Karl-Josef Laumann: Die Handlungsnotwendigkeit ergebe sich aus dem christlichen Menschenbild, so formulierte er es am Wochenende. Eine Arbeit, von der man nicht leben könne, habe keine Würde.

Das ökonomische Argument für Mindestlöhne weist darauf hin, dass der Staat mittlerweile elf Milliarden Euro im Jahr an Lohnsubventionen zahlt - indem er Geringverdienern das Einkommen auf Hartz-IV-Niveau aufstockt. Es ist der größte Subventionsblock überhaupt in Deutschland. Gewerkschafter werfen dem Staat vor, auf diese Weise Geschäftsmodelle am Leben zu erhalten, die bei seriöser Bezahlung keinen Bestand hätten. Und sie sagen, mit Mindestlöhnen könne man die Kaufkraft in Deutschland stärken: Gerade Geringverdiener gäben ja fast all ihr Geld aus, schon weil sie sich Sparen ohnehin nicht leisten können.

Ganz anders argumentieren von jeher die Arbeitgeber. Nach ihrer Darstellung gut gemeint - und damit das Gegenteil von gut. Niedrige Löhne erleichterten es vor allem Geringqualifizierten, eine Arbeit zu finden. Höhere Mindestlöhne aber führten dazu, dass Arbeitsplätze für diese Personengruppe entweder durch Maschinen ersetzt oder ins Ausland verlagert würden. Den Einwand, dass niemand nach Krakau zum Haareschneiden reist, weil der Friseur in Leipzig wegen Mindestlöhnen zu teuer ist, lassen die Arbeitgeber nicht gelten. Werde die Friseurrechnung höher, nehme in dieser Branche eben die Schwarzarbeit zu. Wie man es auch drehe und wende, "von einem Mindestlohn, den man nicht bekommt, weil es den Job nicht gibt, kann niemand leben", heißt es bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände.

Beide Argumentationslinien beruhen mehr auf Überzeugungen denn auf gesicherten Erkenntnissen. Studien über Mindestlöhne, die es in den meisten Ländern der EU gibt, kommen bisher zu allen möglichen Ergebnissen - je nach Überzeugungen und Interessen ihrer Auftraggeber. Mehrere Bundesländer haben das Problem inzwischen so gelöst: Eine Firma, die einen öffentlichen Auftrag haben will, muss ihren Beschäftigten mindestens 8,50 Euro zahlen. Gerade erst hat Mecklenburg-Vorpommern diese Regelung beschlossen. Die CDU stellt dort den Wirtschaftsminister.

© SZ vom 31.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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