Debatte um Hochseefischerei:Greenpeace prangert "Monsterschiffe" an

Greenpeace blockiert Fischtrawler

Die Umweltorganisation Greenpeace protestiert gegen das extensive Fischen auf den Weltmeeren durch schwimmende Fischfabriken aus der EU.

(Foto: Ingo Wagner/dpa)

Hochsee-Trawler fischen vor Westafrika oder im Südpazifik. Laut Greenpeace schaden sie lokalen Fischern und fördern das Aussterben von Arten. Der Deutsche Fischerei-Verband kontert, die Trawler "tun nichts Verbotenes".

Von Kristina Läsker, Hamburg

Der Heimathafen der Maartje Theadora ist Rostock, doch oft ist sie im Ausland zu finden. Vergangene Woche war das Fischereischiff in der Karibik unterwegs, das verraten Satellitenbilder. Ein deutscher Trawler fern ab der Heimat auf der Jagd? Das könnte bei einem kleinen Kutter egal sein, aber nicht bei der Maartje Theadora. Sie ist 140 Meter lang und das größte Fischereischiff der deutschen Flotte. Der Stolz der Hochseefischerei.

Doch dass solche XXL-Schiffe nicht nur zu Hause sondern auch anderswo die Meere leer fischen und damit lokalen Fischern die Lebensgrundlage entziehen könnten, ärgert Umweltschützer gewaltig. "Die Maartje Theadora ist ein Monsterschiff", sagt Thilo Maack von Greenpeace.

Wegen ihrer enormen Kapazität würden solche Fabrikschiffe das Aussterben von Tieren und die Umweltzerstörung vorantreiben, kritisiert die Umweltorganisation in ihrer jüngsten Studie "Fischereimonster - Der Fluch der Meere". Detailliert listet sie 20 solcher "Monsterschiffe" auf, darunter die Maartje Theadora und die deutsch geflaggte Helen Mary.

Platz für 6000 Tonnen Fisch

Längst ist der Fischfang stark kommerzialisiert: Die heimische Flotte umfasst mehr als 1500 Schiffe, darunter sieben Hochsee-Trawler. Diese Riesen begnügen sich nicht mit den von der EU-Kommission zugeteilten Fangquoten, also der Fangerlaubnis für bestimmte Gebiete und Fischarten. Regelmäßig sind die Fischfabriken vor den Küsten von Westafrika, im Südpazifik und im Indischen Ozean unterwegs. Die bis zu 50 Mann starke Besatzung bleibt über Wochen auf See. Auf der Maartje Theadora können 6000 Tonnen Fisch gelagert werden.

Sind Hochsee-Trawler deshalb Monsterschiffe? Der Deutsche Fischerei-Verband wehrt sich gegen Vorurteile, dass Großschiffe im Ausland gegen Gesetze verstoßen: "Die Hochsee-Trawler tun nichts Verbotenes", sagt Referent Claus Ubl. Sie dürften aufgrund von zwischenstaatlichen Verträgen legal außerhalb Europas fischen.

Doch ist alles, was erlaubt ist, auch wünschenswert? Tatsächlich sind die Ozeane zuletzt gewaltig geplündert worden. Bis zu 90 Prozent der globalen Fischbestände werden bis an die Grenze genutzt (61,3 Prozent) oder sind überfischt (28,8), schätzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).

In der EU ist die Lage noch schlimmer. 47 Prozent der Fischbestände gelten als überfischt, meint der Internationale Rat für Meeresforschung in Kopenhagen. "Die EU hat ihre industrielle Fischfangflotte auf eine nicht mehr nachhaltige Weise aufgebläht", sagt Greenpeace-Aktivist Maack.

Harter Eingriff in das Leben der Fischer

Das sehen auch viele EU-Politiker so, deshalb haben sie umgesteuert: Im Frühjahr wurde eine Reform der Fischereipolitik beschlossen, und die greift hart in den Alltag der Fischer ein. So müssen von 2015 an die Fangquoten so gestaltet sein, dass sich bedrohte Fischbestände bis zum Jahr 2020 erholen können. EU-Mitgliedsländer müssen jetzt per Report erklären, wie sie ein Gleichwicht zwischen ihrer Flotte und den Fischbeständen erreichen wollen.

Zudem wird schrittweise ein Rückwurfverbot eingeführt. Früher wurde der sogenannte "Beifang" - also Fische, die ungewollt ins Netz geraten - wieder ins Meer geworfen, wenn er keinen kommerziellen Wert hat oder der Fischer für ihn keine Quote besitzt. Künftig muss Beifang angelandet und auf Quoten angerechnet werden. Das ist dringend nötig: Jeder vierte gefangene Fisch, so schätzt die FAO, wird zurück ins Meer geworfen. Die meisten Tiere sind dann schon tot.

Hochsee-Trawler werde das kaum daran hindern, weniger Fische unnütz zu töten, argwöhnt Greenpeace: "Die Trawler hinterlassen tonnenweise tote und sterbende Fische", heißt es in der Studie. Vor Westafrika etwa gerieten häufig Schildkröten, Delfine und bedrohte Haiarten in die bis zu 600 Meter langen Netze. Der Deutsche Fischerei-Verband hält solche Darstellungen für übertrieben. Die Beifangraten der Schwarmfischerei auf hoher See seien "sehr gering" und die Beifänge würden "bestmöglich verwertet", sagt Referent Ubl. Völlig auszuschließen sei der ungewollte Beifang aber nicht.

Greenpeace prangert "Flaggenmelken" an

Was Greenpeace noch anprangert: Die Gewinne im Fischfang seien extrem ungleich verteilt. "Ein Großteil der EU-Fischereirechte liegt in den Händen weniger Unternehmen", sagt Maack. Neben vielen kleinen Küstenfischern gebe es einige wenige "Bonzen der globalisierten Fischerei", die mit ihren Trawlern die Profite einstrichen. Die Maartje Theadora und die Helen Mary etwa gehören Parlevliet & Van der Plas aus den Niederlanden. Was einst als kleiner Heringshandel begann, ist längst zum Fischfangimperium geworden. Die Gründer sind Millionäre, sie stehen auf der Liste der reichsten Holländer.

Solche Konzerne würden versuchen, die komplizierten Regeln der EU für sich zu nutzen, etwa indem sie die Flaggen ihrer Hochsee-Trawler wechselten, behauptet Greenpeace. Dann fährt ein Schiff erst unter der Flagge eines Staates und wechselt später in das Register eines anderen. Damit ändert sich der Zugang zu nationalen Fangquoten, Subventionen oder auch zu Fangmöglichkeiten im Rahmen von Fischereiabkommen der EU mit Drittstaaten. Mit diesem "Flaggenmelken" würden Vergünstigungen und Ressourcen "abgezockt".

Doch was dramatisch klingt, bewerten EU-Politiker anders. Ein Umflaggen innerhalb Europas sei nicht per se problematisch, wenn die Fangquoten insgesamt eingehalten würden, sagt die Europa-Abgeordnete Ulrike Rodust (SPD).

Greenpeace jedenfalls würde die Super-Trawler am liebsten trockenlegen. "Schiffe dieser Arten sollten als Erstes aus den übergroßen Flotten beseitigt werden", lautet das Fazit der Studie. Ein realitätsferner Vorschlag, der bei Fischereiexperten wie Rodust auf Unverständnis stößt. Natürlich wünsche sie sich eine klein- und handwerkliche Fischerei, sagt die Politikerin. "Das heißt aber nicht, dass die Hochseefischerei, auch mit größeren Trawlern, für die europäische Fischerei verzichtbar wäre."

Wann ist Speisefisch bio?

Die Deutschen mögen Fisch, aber sie essen fast immer dieselben Sorten. Die Hitliste führt der Alaska-Seelachs an, gefolgt von Lachs, Hering, Thunfisch und Forelle. 2013 wurden 1,1 Millionen Tonnen Fisch gegessen; knapp 14 Kilogramm pro Kopf. Allerdings sind die Verbraucher beim Kauf verunsichert. Hilfe bietet der WWF-Fischeinkaufsführer unter fischratgeber.wwf.de. Hier sind gängige Speisefische und Meeresfrüchte nach einem Ampelsystem geordnet. Das ist nützlich, aber die Tücke liegt im Detail: Kabeljau aus der Östlichen Ostsee lässt sich bedenkenlos essen. Kabeljau aus dem Nordost-Atlantik ist demnach lieber zu vermeiden. Das Ganze gibt es auch als kostenlose App. Weitere Hilfen sind folgende Öko-Siegel.

MSC: Das Siegel vergibt die Organisation Marine Stewardship Council (MSC) für Wildfisch, der nachhaltig gefangen wurde. MSC wurde 1997 von der Umweltstiftung WWF und dem Lebensmittelkonzern Unilever gegründet. Das Siegel garantiert, dass Bestände nicht überfischt und Fische mit schonenden Methoden gefangen werden.

EU-Biosiegel: Erst seit 2009 gibt es in der EU-Ökoverordnung verbindliche Richtlinien für Bio-Aquakulturen. Sie gelten für Fische wie Lachs, Forelle, Seebarsch und Karpfen, aber auch für Krebstiere und Muscheln.

Naturland Aquakultur: Der Bioanbauverband Naturland zertifiziert weltweit den meisten Biofisch aus Aquakulturen. Vorgeschrieben sind niedrige Besatzdichten. Gentechnik, Hormone, vorbeugende Medizin sind tabu. Die Richtlinien sind strenger als die EU-Öko-Verordnung.

Bioland: Der Verband zertifiziert nur Friedfische wie den Karpfen, die sich pflanzlich und ohne Fischfutter ernähren. Die Farm ist in ein Ökosystem integriert. Bioland hat strengere Öko-Vorgaben als die EU. Kristina Läsker

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