Debatte über Solidaritätszuschlag:Und am Ende profitieren die Gutverdiener

Der Soli muss weg! So denken derzeit einige Abgeordnete der schwarz-gelben Koalition. Sie wollen Menschen mit geringem oder durchschnittlichem Einkommen entlasten. Doch tatsächlich käme eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags nur den Besserverdienern zugute.

Claus Hulverscheidt

In den ersten 600 Tagen ihrer gemeinsamen Regierungszeit haben sich CDU, CSU und FDP an ziemlich genau 600 Tagen darüber gestritten, ob, wann und in welchem Umfang die Steuern gesenkt werden sollen. Der Konflikt kostete einen leibhaftigen FDP-Vorsitzenden das Amt und hat zu einem Zerwürfnis zwischen den Liberalen und dem christdemokratischen Finanzminister geführt, das die Arbeit der Koalition bis zum Ende der Wahlperiode belasten wird.

Bundestag Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Wirtschaftsminster und Vizekanzler Philpp Rösler (FDP)

Kanzlerin Merkel und ihr Vize Rösler haben sich auf Steuersenkungen geeinigt. Die Umsetzung ist allerdings noch offen.

(Foto: dpa)

Immerhin: Im Juli einigten sich die Parteichefs Angela Merkel, Horst Seehofer und Philipp Rösler darauf, dass die Steuern für Gering- und Durchschnittsverdiener Anfang 2013 sinken sollen. Wie das vonstatten gehen soll, ist aber immer noch offen.

Am liebsten würden die Koalitionäre der "kalten Progression" und dem "Mittelstandsbauch" im Einkommensteuerrecht zu Leibe rücken. Die "kalte Progression" ist eine heimliche Steuererhöhung, die dadurch entsteht, dass mit jeder Gehaltsanhebung der Durchschnittssteuersatz klettert - auch wenn der Bürger wegen steigender Preise real gar nicht mehr in der Tasche hat. Der "Mittelstandsbauch" führt dazu, dass die Steuerlast ausgerechnet im unteren Einkommensbereich besonders schnell wächst.

In beiden Fällen wären Änderungen somit gut begründbar. Das Problem ist nur, dass die Einkommensteuer eine gemeinsame Geldquelle von Bund, Ländern und Kommunen ist, was zu dem unschönen Umstand führt, dass der Bundesrat jeder Reform zustimmen muss. In der Länderkammer aber dominieren SPD und Grüne - und die werden kaum Lust haben, der Koalition kurz vor der Bundestagswahl einen Achtungserfolg zu bescheren.

In den Reihen von Union und FDP kursiert daher ein Plan B, der da lautet, statt der Einkommensteuer den Solidaritätszuschlag zu senken. Er fließt allein dem Bund zu, womit allerdings schon wieder die Schwierigkeiten beginnen: Finanzminister Wolfgang Schäuble ist nämlich nicht gewillt, Einnahmeverluste von bis zu 13 Milliarden Euro hinzunehmen.

Hinzu kommt aber noch ein viel größeres Problem, das die meisten Koalitionsabgeordneten noch gar nicht auf dem Schirm haben: Ein Drittel aller Steuerzahler führt nämlich gar keinen Soli ab, wie die Bundesregierung in einem Schreiben an die Linken-Abgeordnete Barbara Höll einräumt. Das bedeutet umgekehrt, dass von einer Senkung des Zuschlags ausgerechnet die Gering- und Mittelverdiener gar nicht profitieren würden.

Der Soli wird als 5,5-prozentiger Zuschlag auf die Einkommensteuerschuld erhoben - aber nur dann, wenn diese Schuld eine Freigrenze von 972 Euro bei Singles oder 1944 Euro bei Verheirateten übersteigt. Nach Berechnung des Ökonomen Frank Hechtner von der Freien Universität Berlin bedeutet das, dass Einkommensteuerzahler bis zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 1400 (Alleinstehende) beziehungsweise 2800 Euro (Verheiratete) keinen Solidarzuschlag abführen müssen.

Davon profitieren sage und schreibe 11,3 Millionen Menschen. Oberhalb der Freigrenzen gibt es zudem eine Gleitzone, in der der Zuschlag reduziert ist, sodass die volle Wirkung erst bei einem Einkommen von 1532 (3064) Euro einsetzt. Das zahlt sich für weitere 2,2 Millionen Steuerzahler aus.

Und Hechtner verweist sogar noch auf ein weiteres, drittes Problem: Weil auch auf Körperschaftsteuerzahlungen Solidaritätszuschlag anfällt, würden große Konzerne, anders als die Geringverdiener, von einer Abschaffung profitieren - fraglich, ob das populär wäre. Zeit also für einen Plan C.

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