Debatte:So ein Mist

Gülle in der Landwirtschaft

Ein Landwirt düngt sein Feld in Brandenburg mit Gülle. Nun sollen Bauern Buch führen, wie viel Nährstoffe sie ausbringen.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Ein Gesetz soll die Güllemenge auf deutschen Feldern reduzieren. Umweltschützern kritisieren es.

Von Markus Balser, Berlin

Der Kampf gegen drastische Umweltfolgen durch zu viel Gülle auf deutschen Feldern hatte Jahre gedauert, als im Sommer ein politischer Kompromiss endlich nah schien: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) kündigte per Brief an, einem modernen Düngerecht stehe nichts mehr im Weg. Die Betriebe sollten verpflichtet werden, Buch zu führen, wie viel Gülle auf den Feldern landet. Schließlich drängte die Zeit. Die EU-Kommission hatte Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte verklagt. Doch eine Einigung platzte. Die Länder fühlten sich hintergangen. Die Verordnung sei vom Minister aufgeweicht worden, hieß es.

Angesichts des Machtvakuums in Berlin versucht man nun offenbar aufs Neue, ein Gesetz durchzubringen. Vor wenigen Tagen ging in den Staatskanzleien der Länder brisante Post aus Berlin ein. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) schrieb an die "sehr geehrten Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten" und Bürgermeister der Stadtstaaten, und wies sie in dem Papier auf eine ganz entscheidende Abstimmung diesen Freitag im Bundesrat hin. Es liege ein neuer Kompromiss auf dem Tisch. Schmidt fordert Zustimmung und schließt mit einem dramatischen Appell: "Ich bitte Sie, den austarierten Kompromiss nicht zu gefährden", heißt es am Schluss des Papiers. Anfang 2018 müsse eine Lösung stehen, sonst drohe Bauern und Behörden Chaos.

Doch nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gibt es auch gegen den neuen Anlauf heftigen Widerstand. Mehrere Landesregierungen und Umweltschützer warnen davor. Es gehe um eine regelrechte Täuschung, wettert eine Landesregierung. Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), der die Wasserwirtschaft vertritt, ist entsetzt. "Dieser Kompromiss hilft uns nicht weiter", sagt Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche der SZ. "Was jetzt auf dem Tisch liegt, reduziert die Umweltbelastung nicht." Die geplante Verordnung schaffe eine Reihe neuer Schlupflöcher, warnt die VKU-Chefin. "Vor allem große Betriebe könnten letztlich sogar mehr düngen als vorher."

Der Streit entzündet sich an dem Vorhaben mit dem sperrigen Titel Stoffstrombilanzverordnung. Bauern sollen in einer so genannten Stoffstrombilanz von Anfang 2018 an Buch führen, wie viele Nährstoffe auf den Hof kommen - etwa über Dünger. Auf der anderen Seite soll aufgeführt werden, was den Hof verlässt, etwa als Getreide oder Fleisch. Bleibt Stickstoff beim Bauern, muss dieser zwangsläufig in die Umwelt gelangt sein. Heftig umstritten sind jedoch Details der Berechnungen. Mit ein paar Tricks ließe sich die im Papier geplante Obergrenze pro Hof umgehen, heißt es.

Angesichts des Streits droht den Landwirten ein Problem. Denn dass sie im kommenden Jahre ein solche Bilanz vorlegen müssen, ist bereits beschlossen. Nur eben nicht, wie. Einigen sich Bund und Länder nicht schnell auf ein gemeinsames Papier, müssten die Länder mit eigenen Verordnungen aktiv werden, warnt Schmidt. Dann drohe ein Flickenteppich, sagt ein Sprecher des Ministers. Die Bundesregierung versucht nun hinter den Kulissen intensiv, ein Scheitern in dieser Woche noch abzuwenden. Schmidt werbe bei den Ministerpräsidenten um Unterstützung, heißt es in Regierungskreisen.

Durch die Verunreinigung des Grundwassers steigen die Kosten für Verbraucher

Doch welchen Preis die Allgemeinheit für faule Kompromisse zahlen würde, hatten Umweltbehörden schon Mitte des Jahres ausgerechnet. Laut einer Studie des Umweltbundesamts halten 18 Prozent des Grundwassers Nitrat-Grenzwerte schon nicht mehr nicht ein. Wasserversorger müssten deshalb vielerorts künftig teure Verfahren einsetzen, um das Trinkwasser sauber zu halten. Mit Folgen für die Allgemeinheit. Denn die Kosten würden in Zukunft nicht die Verursacher in der Landwirtschaft, sondern die Wasserkunden tragen. Der VKU fordert deshalb ein radikales Umsteuern - und warnt andernfalls vor den Folgen in den deutschen Portemonnaies. "Wir brauchen endlich echte Maßnahmen für den Schutz des Wassers und gegen steigende Nitratbelastungen", sagt Verbandschefin Reiche. "Nur so ist es möglich, die Ressourcen zur Trinkwassergewinnung zu schützen. Andernfalls müssten die Verbraucher mit höheren Preisen und zusätzlichen Kosten bei der Aufbereitung rechnen."

Inzwischen sind auch die Gegner des Vorschlags aktiv geworden. Niedersachsen hat unterstützt von Ländern wie Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Hessen einen Gegenvorschlag für die entscheidende Bundesratssitzung eingebracht. Ihr Ziel: Strengere Vorgaben, vor allem eine fixe Obergrenze. Der Kieler Agrarexperte Friedhelm Taube fordert eine Einigung auf strenge Regeln. Schmidts Vorstoß drohe das Gülleproblem zu verschärfen. So komme die Landwirtschaft nicht aus der Defensive gegenüber den Umweltverbänden.

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