Deal im Handelsstreit:Juncker hat der EU Zeit erkauft

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Jean-Claude Juncker und Donald Trump auf dem Weg zur versammelten Weltpresse im Weißen Haus (Foto: REUTERS)

Der EU-Kommissionspräsident hat bei Donald Trump mehr erreicht als erwartet - der Handelskrieg ist aufgeschoben. Einen Freund im Weißen Haus haben die Europäer trotzdem nicht.

Kommentar von Daniel Brössler, Brüssel

Viele Bürger stellen die Frage, wozu die Europäische Union noch gut ist. Seit Jahren versagt die EU im Umgang mit den Menschen, die in Europa Schutz oder ein besseres Leben suchen. Nur sehr mühsam gelingt es, die ökonomischen Widersprüche innerhalb der Union zu mindern. Dieser Tage vermag sie es nicht einmal, in allen Mitgliedstaaten für ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit zu sorgen. Seit dem Besuch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Weißen Haus gibt es nun nicht die, aber immerhin eine Antwort auf die berechtigte Frage der Zweifler: dazu. Ausgerechnet US-Präsident Donald Trump hat die Europäer daran erinnert, worin ihre Stärke liegt, wenn sie zusammenhalten. Eine Billion Dollar ist der Handel zwischen den USA und der EU wert. Diese Zahl hat Trump beeindruckt. Sie sollte auch den Europäern zu denken geben.

Dabei lässt sich, was da in Washington passiert ist, natürlich mühelos klein- oder schlechtreden. Es ist kein Deal herausgekommen, auf den man sich verlassen kann, weil es solche Deals mit Trump nicht gibt. Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium hat der Präsident vorläufig nicht zurückgenommen, womit aber auch niemand gerechnet haben dürfte. Und ja: Trump wird jedes Zugeständnis der EU als Erfolg seines welt- und handelspolitischen Machogehabes verkaufen. Doch trotz alledem zählt, dass das alte Europa in Gestalt des zuletzt oft so müde wirkenden Jean-Claude Juncker dem neuen Amerika, wie es Trump repräsentiert, Respekt abgetrotzt hat. Der Handelskrieg ist fürs Erste abgeblasen. Trump lässt sich in einen komplizierten Verhandlungsprozess verstricken. Genau das war Junckers Strategie. Dass sie aufgehen würde, hatte er wohl selbst nicht zu hoffen gewagt.

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Für US-Präsident Trump ist der TV-Sender CNN ein rotes Tuch. In seinem Flugzeug soll auf allen Geräten Fox laufen. First Lady Melania hält sich aber nicht daran.

Um es in Trumps Gedankenwelt zu übertragen: Juncker hat im Weißen Haus einen Scheck ausgestellt, ihn aber nicht unterschrieben. Das konnte er nicht, denn die EU ist keine Kommandowirtschaft. Nicht Junckers Kommission wird Terminals für amerikanisches Flüssiggas errichten und nicht sie wird bei den US-Farmern jene Sojabohnen ordern, auf denen diese wegen Trumps Handelsfeldzug gegen China sitzen bleiben. Andererseits ist das Interesse am US-Gas und an verbilligten Bohnen längst da, wie Juncker weiß.

Genau darin besteht die Kunst des Deals mit Trump: Wer etwas erreichen will, muss ihm nur eines liefern - Stoff für grandiose News im TV-Sender Fox. Deshalb sind auch bei der Nato noch ein paar Milliarden auf den Tisch gelegt worden, die in Wahrheit schon längst in der Kasse waren. Deshalb allerdings kann Junckers Erfolg wohl auch nur halten, solange Trumps Siegerpose zumindest für die eigene Anhängerschaft glaubwürdig bleibt.

Darin besteht nun das größte Problem, denn die vom amerikanischen Präsidenten höchstselbst vorgetragene Einigung kann nur der Beginn schwieriger Verhandlungen sein. Das gilt insbesondere für das hehre Ziel, Zölle und Subventionen, die nicht zur Autoherstellung gehören, auf null zu bringen. Es hat diesen Versuch vor nicht so langer Zeit schon einmal gegeben. Er nannte sich TTIP. Nicht alle, aber viele Probleme mit dem gescheiterten transatlantischen Megaabkommen werden sich auch in einer schlankeren Version finden. Denn die Dinge sind eben kompliziert. Warum ist Trump zum Beispiel einverstanden, Autos von der Zollbefreiung auszunehmen? Vielleicht hat er verstanden, dass sonst noch mehr deutsche Autos in die USA kommen, die schlechten US-Fabrikate aber eben auch zollfrei in Europa keine Chance haben.

Ohne EU wäre Juncker ein gefundenes Fressen

Juncker hat den Europäern also erst einmal Zeit gekauft, was aber gar nicht wenig ist. Wenn es gelingt, Trump vor den Zwischenwahlen im Herbst von Strafzöllen auf europäische, sprich deutsche Autos abzuhalten, steigen die Chancen, dass ein Handelskrieg dauerhaft abgewendet werden kann. Niemand sollte sich allerdings von den Bruderküssen und Freundschaftsschwüren beim Treffen in Washington blenden lassen. Was Trump von der Europäischen Union hält, hat er in zahllosen giftigen Tweets offenbart. Es bleibt dabei, dass die Europäer keinen Freund - ja nicht einmal einen glaubwürdigen Partner - haben im Weißen Haus. Dort sitzt einer, der umworben werden will, der aber auf gar keinen Fall in seinem Allmachtsgehabe bestärkt werden darf. Davon, ob das richtige Maß gefunden wird, hängt viel ab für die Zukunft.

Die Europäer werden nun endlich jenes Selbstbewusstsein brauchen, an dem es ihnen schon seit einiger Zeit fehlt. Wer wissen will, wozu die EU gut ist, muss sich nur überlegen, wie viel Eindruck die Kleinstaaten Europas - also im globalen Maßstab alle - auf Trump machen können. Die Briten lernen das gerade auf die harte Tour. Zwischen Juncker und Trump mag die Chemie stimmen, der Luxemburger Europa-Veteran mag auch den richtigen Ton angeschlagen haben. Ohne die ganze Macht einer einigen EU hinter sich aber wäre er für Trump einfach nur: ein gefundenes Fressen.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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