Globale Erwärmung:Deutsche Konzerne tun zu wenig fürs Klima

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Dampf und Rauch steigen aus dem RWE-Kraftwerk Neurath auf. (Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Welche Auswirkungen aufs Klima hätte es, wenn alle Firmen so handeln würden wie ein bestimmter Dax-Konzern?
  • Dieser Frage geht ein gerade veröffentlichter Bericht nach, der zeigt: Kaum ein Unternehmen steuert bislang konsequent auf eine Welt zu, in der die Erderwärmung bei einer 1,75-Grad-Erhöhung bleibt.

Von Christian Endt und Vivien Timmler

Es ist ein Szenario, das einem schon mal den Schweiß auf die Stirn treiben kann: Wenn alle Unternehmen so wirtschaften würden wie aktuell der Industriekonzern Siemens, würde sich das Klima bis 2050 um 4,5 Grad Celsius erwärmen. Würden sie so handeln wie Dax-Mitglied Heidelberg Cement, würde die Welt sich sogar um 10,7 Grad aufheizen. Und würden sich alle Konzerne ein Beispiel an RWE nehmen, würde die Erderwärmung sogar 13,8 Grad betragen - eine Erhitzung, die die Menschheit wohl kaum überleben dürfte.

Nun ist es so, dass die deutsche Konzernlandschaft vielfältig ist und nicht nur aus Energieversorgern und Baustoffkonzernen besteht. Um die Erderwärmung auf 1,75 Grad zu begrenzen, reichen jedoch Anstrengungen einzelner Konzerne oder Branchen nicht aus. Das zeigt ein Bericht des Beratungsunternehmens Right.

Die Firma hat die Klimabilanzen und Klimaziele aller 30 Dax-Konzerne analysiert und untersucht, ob sie mit den Pariser Klimazielen vereinbar sind. 16 der 30 Dax-Konzerne haben Right bei der Erstellung des Berichts unterstützt, bei den übrigen hat die Organisation öffentlich verfügbare Klimapläne ausgewertet. Das mathematische Modell, das Right dabei verwendet, geht von einer simplen Frage aus: Um wie viel Grad würde sich die Erde bis zum Jahr 2050 erwärmen, wenn alle Unternehmen so handeln würden wie die jeweils untersuchte Firma?

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Die Ergebnisse führen schonungslos vor Augen, wohin die Wirtschaft steuert: Nur acht der 30 Dax-Konzerne haben so ambitionierte Klimapläne, dass sie es schaffen, ihre eigenen Emissionen bis 2050 unter zwei Grad zu drücken. Einige andere unternehmen zwar große Anstrengungen, um ihre Emissionsbilanzen zu verbessern, bei mehr als der Hälfte der Dax-Konzerne wird es den Prognosen des Berichts zufolge aber nicht zu einer signifikanten Verringerung reichen.

Einen der aktuell ambitioniertesten Klimapläne im Dax hat RWE. Das mag aufhorchen lassen, schließlich ist der Konzern noch immer der größte CO₂-Produzent im Börsenindex. Rechnet man jedoch alle Maßnahmen und Ziele mit ein, die sich der Konzern bis 2050 auferlegt hat - beispielsweise die Stromproduktion bis 2040 vollständig klimaneutral zu organisieren - so sinkt der Einfluss auf das Klima um ein Drittel. Allerdings: Würden alle Konzerne 2050 die gleiche Menge Emissionen verursachen wie RWE, würde sich die Welt immer noch um 9,5 Grad erhitzen.

Grund dafür ist, dass in die Rechnung nicht nur hausgemachte CO₂-Emissionen eingehen, die ein Unternehmen selbst erzeugt, sondern auch jene, die etwa bei Zulieferern anfallen. Im Fall von RWE wären das etwa Emissionen aus Kraftwerken, die der Konzern nicht selbst betreibt, deren Strom er aber zukauft und an die eigenen Kunden vertreibt. Zudem nimmt der Bericht an, dass die Emissionen einer Firma vom jetzigen Stand aus um 0,9 Prozent pro Jahr steigen. Da der Anstieg der Umsätze im Mittel deutlich höher liegen dürfte, ist das also eine eher konservative Annahme.

Auch vermeintlich kaum klimaschädliche Branchen haben nicht automatisch einen leichten Weg vor sich

Nun kann man einen Energiekonzern natürlich schlecht mit einem Software-Entwickler wie SAP (Beitrag zum Klimawandel: 1,6 Grad) oder einem Finanzinstitut wie der Deutschen Bank (2,8 Grad) vergleichen. Daher berücksichtigt der Bericht die unterschiedlichen Geschäftsfelder, in denen die Dax-Konzerne tätig sind. Right verwendet dazu ein Szenario, das die Internationale Energieagentur, ein Zusammenschluss von Regierungen, entwickelt hat. Dabei wird jeder Branche ein Klimaziel zugewiesen. Insgesamt sollen diese sicherstellen, dass sich die Erde um maximal 1,75 Grad erwärmt. Wenig energieintensive Unternehmen, etwa im Finanz- oder Telekommunikationsbereich, müssen am Ende auf weniger Emissionen kommen, während Autokonzernen oder Zementherstellern ein größeres Budget zugestanden wird.

Auch wenn man das berücksichtigt, stellt der Right-Bericht für RWE jedoch kein gutes Zeugnis aus: Als Energieversorger hat das Unternehmen eine Zielmarke von 5,2 Grad. Der Hauptkonkurrent auf dem deutschen Markt Eon ist diesem Ziel mit aktuell 8,25 Grad immerhin etwas näher. Der Konzern profitiert vor allem von der bereits vollzogenen Abspaltung des Kraftwerksgeschäfts sowie von der Übernahme der früheren RWE-Tochter Innogy.

Doch auch weniger energieintensive Sektoren haben nicht automatisch einen leichteren Weg vor sich. Ein Positivbeispiel ist hier der Pharmasektor: Er trägt bereits zu einer 1,6-Grad-Welt bei, die Zielgröße liegt bei 1,4 Grad. Anders sieht es in der vermeintlich klimaverträglichen Versicherungsbranche aus: Vom Branchenziel 2,8 Grad sind die Versicherer aktuell noch weit entfernt, Munich Re mit 5,3 Prozent sogar deutlich. Grund dafür sind meist weniger die hausgemachten Emissionen im eigenen Geschäftsbetrieb, sondern vielmehr die Investitionen. Vorreiter sowohl in der Branche als auch im Dax ist hier die Allianz: Das Unternehmen will seine Emissionen bis 2050 um 54 Prozent drosseln und käme dann nur noch auf einen 1,5-Grad-Beitrag zur Klimaerwärmung - vor allem, indem es seine Versichertengelder künftig komplett klimaneutral anlegt.

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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