Süddeutsche Zeitung

Medwedjew beim Weltwirtschaftsforum:Jetzt erst recht

Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew eröffnet das Davoser Weltwirtschaftsforum - trotz des Anschlags auf den Moskauer Flughafen. Er will künftig auf Allianzen mit Ländern wie China und Brasilien setzen.

H.-J. Jakobs, Davos

Es gab hektische Telefonate. Kommt er oder kommt er nicht? Ist es klug, so kurz nach dem Terroranschlag am Moskauer Flughafen in Davos aufzutreten? Am Ende reiste Dmitrij Medwedjew tatsächlich am Mittwochabend zum Weltwirtschaftsforum an. "Das war ihm wichtig, gerade jetzt", sagt Klaus Schwab, der Gründer der Veranstaltung. Und so betrat der russische Staatspräsident pünktlich um 18.30 Uhr die Bühne der Kongresshalle.

Es begann mit einer Gedenkminute für die Terroropfer. Dann verurteilte Medwedjew vor den 1500 Gästen den Terror. Diese Tragödie erschüttere die russische Gesellschaft. Er sei dankbar für die vielen Kondolenzen aus aller Welt: "Wir trauern gemeinsam." Die Terroristen hätten Ort und Zeit des Anschlags bewusst gewählt, damit er nicht nach Davos komme, sagte Medwedjew: "Das war aber eine Fehlkalkulation." Die russische Regierung sei sich ihrer Rolle gegenüber dem eigenen Volk und der Staatengemeinschaft bewusst: "Deshalb spreche ich hier."

Dann ging der Gast aus Moskau auf die weltweite Lage nach der Wirtschaftskrise ein. Es sei zwar ein wesentlicher Teil der Symptome bekämpft worden, aber kein neues Wachstumsmodell gefunden. Auch die weltweiten Umweltprobleme seien eine gefährliche Entwicklung, notwendig sei hier ein gemeinsames Frühwarnsystem der Staaten. Einige würden aber noch "mit den Phantomen des Kalten Kriegs" leben, kritisierte Medwedjew.

Er schlug neue sogenannte Leader-Allianzen vor. Zusammen mit Brasilien, Indien, Südafrika und China wolle sich Russland in einer solchen Allianz einbringen. Hier würden sich die Leader, also die Führer, "des globalen Wachstums" zusammentun.

Innerhalb der G20-Gruppe der 20 wichtigsten Wirtschaftsmächte will sich Russland zudem für eine Wahrung der Urheberrechte im Internet engagieren. In ganz Russland sollten außerdem Internet-Breitbandnetze ausgebaut werden. Er sprach sich für die völlige Freiheit des Internet aus: "Russland wird keine Initiativen unterstützen, die Freiheit des Internet zu beschneiden."

Mit Blick auf die Unruhen in Nordafrika sagte er: "Was in Tunesien geschehen ist", sei "eine substanzielle Lektion für jede Autorität". Wenn sich Autoritäten nicht der Wirklichkeit stellten, würden sie bestraft. "Autoritäten sollten sich im Dialog üben, sonst verlieren sie die Basis."

Medwedjew stellte einen Zehn-Punkte-Plan vor, zu dem ein gemeinsamer Wirtschaftsraum mit der EU gehören sollte. Auch wolle Russland der Welthandelsorganisation WTO noch in diesem Jahr beitreten. Die anstehenden sportlichen Großveranstaltungen - die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi und die Fußball-WM 2018 - böten eine Chance, die Infrastruktur zu erneuern. Lange blieb der Gast aus Moskau aber nicht. Er müsse leider seinen Aufenthalt in Davos verkürzen, sagte er. Und kehrte gleich nach der Rede nach Moskau zurück.

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Quelle:
SZ vom 27.01.2011/jab
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