Süddeutsche Zeitung

Datenspeicher:Microsoft bricht Werbeversprechen

Lesezeit: 2 min

Onedrive-Nutzer dürfen nun doch nicht "unbegrenzt" Daten speichern. Grund: Einige Nutzer haben dieses Angebot hemmungslos ausgenutzt. Über Microsoft wird nun Spott und Häme ausgeschüttet.

Von Simon Hurtz, München

Eigentlich macht Microsoft zurzeit eine Menge richtig. Der neue Chef Satya Nadella hat dem als schwerfällig geltenden Konzern ein neues Image verpasst. Privatsphäre-Bedenken zum Trotz sind die meisten Nutzer zufrieden mit Windows 10. Mittlerweile baut der Software-Spezialist sogar Hardware, die selbst Apple-Fans begeistert. Teil der neuen Strategie war die Positionierung als "Cloud-Konzern". Microsoft verdoppelte den kostenlosen Speicherplatz seines Cloud-Dienstes Onedrive auf 15 Gigabyte und versprach Abonnenten der Büro-Software Office 365 sogar "unbegrenzten Speicherplatz".

Mit diesem Angebot ist nun Schluss. Schuld seien einige Nutzer, die das Angebot in extremem Maße ausgenutzt hätten. Teilweise seien mehr als 75 Terabyte (TB) Daten gespeichert worden, das entspreche etwa dem 14 000-fachen des durchschnittlich in Anspruch genommen Volumens. Den Office-365-Kunden steht deshalb nur noch ein TB zur Verfügung. Außerdem wird der kostenlose Onedrive-Speicherplatz begrenzt: Statt wie bisher 15 Gigabyte (GB) gibt es dann nur noch fünf GB.

Der Konzern scheitert am Prinzip "All you can eat". Zu viele Vielfraße nutzten den Service

Microsoft bemüht sich um Schadensbegrenzung. Nur die wenigsten Kunden seien betroffen. Statt sich auf einige "extreme Backup-Szenarien" zu fokussieren, wolle man dem Großteil der Nutzer weiterhin einen "kollaborativen, vernetzten, intelligenten Service" zur Verfügung stellen. Die blumige PR schützt Microsoft nicht vor Spott und Empörung. In den sozialen Medien beschweren sich etliche Nutzer über das Vorgehen. Offensichtlich hat Microsoft nicht damit gerechnet, dass einige Kunden den in Aussicht gestellten, unbegrenzten Speicherplatz tatsächlich auch nutzen wollen. Viele Dienstleistungen basieren auf ähnlichen Mischkalkulationen: Wenn ein All-you-can-eat-Restaurant allabendlich hungrige Fußball-Mannschaften bedienen müsste, wäre es schnell pleite. Doch auf jeden Vielfraß kommen normalerweise etliche Normalesser, sodass sich der Service trotzdem rechnet. Vielleicht hätte sich Microsoft vorher über Angebot und Nachfrage Gedanken machen sollen, statt nach einem Jahr mit dem Finger auf Nutzer zu zeigen, die nur ein Werbeversprechen in Anspruch nehmen.

Schmerzhafter als die aktuelle Häme könnten für Microsoft aber die langfristigen Folgen sein: Mit geringem Aufwand (per sogenanntem "Camera-Roll-Bonus", für den man mindestens ein Foto direkt zu Onedrive hochladen musste) waren bei Microsoft bislang 30 GB Cloud-Speicher gratis. Nun bietet Microsoft nur noch ein Sechstel an, damit nähert man sich den spärlichen zwei GB des Marktführers Dropbox an (der diese Nachteile durch bessere Apps und eine reibungslosere Integration auf Nicht-Windows-Systemen teilweise wieder wettmacht). Für Neukunden dürften die 15 GB, die sie bei Google Drive ohne Aufpreis dazu erhalten, nun umso verlockender erscheinen.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2015
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