Süddeutsche Zeitung

Datensicherheit:Für Intel wird die Sicherheitslücke teuer

  • Der amerikanische Konzern hat jahrzehntelang Chips verkauft, die fehlerhaft sind.
  • Deswegen muss sich das Unternehmen nun gegen Sammelklagen wehren.
  • Selbst wenn Intel die Probleme behebt, dürften die Kunden unzufrieden bleiben.

Von Kathrin Werner, New York

Fast jeder, der in den vergangenen Jahren einen Computer oder ein Smartphone benutzt hat, ist betroffen. Also sehr, sehr viele Menschen. Milliarden. Entsprechend teuer dürfte die gerade aufgedeckte Sicherheitslücke für den Chipkonzern Intel werden. Schon bis zum Wochenende haben Anwälte drei Klagen in den US-Bundesstaaten Kalifornien, Indiana und Oregon eingereicht. Es sollen Sammelklagen werden, denen sich weitere Intel-Kunden anschließen können. Intel rechnet bereits damit, dass noch weitere folgen werden. Sammelklagen sind eine mächtige Waffe des Verbraucherschutzrechts der USA. Wenn ein Kläger sie einreicht, können sich andere Kunden sehr einfach anschließen, oft nur mit ein paar Klicks im Internet. Deshalb ist die Zahl der Kläger oft sehr groß, die Klagen werden entsprechend teuer.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass nahezu alle Intel-Prozessoren und zusätzlich einige des Konkurrenten AMD angreifbar sind, nicht nur in Computern, sondern auch in Smartphones und Tablets. Nahezu alle Daten können über zwei verschiedene Zugänge ausgespäht werden, die Spectre und Meltdown getauft wurden. Es ist nicht bekannt, ob Hacker die Sicherheitslücken bereits ausgenutzt haben. Intel und die anderen Konzerne arbeiten an einer Lösung per Software-Update, die diese Woche weitgehend fertig werden sollen.

Die Kläger der drei Sammelklagen werfen Intel vor, dass der Konzern bereits seit Juni über die Schwachstellen Bescheid wusste, aber die Öffentlichkeit nicht informiert hat. Wenn sie davon gewusst hätten, hätten sie sich keinen Computer mit Intel-Chip gekauft oder weniger dafür bezahlt, argumentieren die Kläger und fordern Schadenersatz. Die Forscher, die das Problem entdeckt hatten und die betroffenen Unternehmen wollten den Kunden erst Bescheid sagen, wenn sie die Sicherheitsprobleme genau untersucht und eine Lösung für das Problem gefunden haben.

Selbst wenn es gelingt, die Sicherheitslücken per Update zu schließen, dürften sich viele Intel-Kunden damit nicht zufrieden geben. Schließlich werden Computer, besonders jene in Rechenzentren, durch die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen um gut 20 Prozent langsamer, schätzen Experten. Laut Intel sei die Verlangsamung für die meisten Kunden allerdings deutlich geringer. Komplett ließe sich das Problem nur durch einen Austausch der Prozessoren beheben. Das will Intel verhindern, ein Rückruf wäre schließlich kostspielig.

Investoren fürchten finanzielle Konsequenzen

Als der Konzern 1994 mathematische Probleme bei den Pentium-Computerchips entdeckte und nach öffentlichem Druck einen Rückruf startete, kostete das 475 Millionen Dollar. Diesmal sind deutlich mehr Kunden betroffen. Neben den Sammelklagen der Verbraucher könnten auch Konzerne wie Amazon, Google und Microsoft Geld von Intel verlangen. Sie müssen schließlich teure Sicherheitsupdates entwickeln, weil sie für ihre Rechenzentren in der Cloud, also auf Servern über das Internet, Intel-Chips verwenden.

Investoren rechnen so oder so damit, dass Intel finanzielle Konsequenzen drohen. Seit Jahresanfang hat das Unternehmen bereits mehr als drei Prozent seines Börsenwerts verloren. Konzernchef Brian Krzanich steht im Zusammenhang damit besonders unter Kritik: Ende November, noch bevor das Sicherheitsproblem bekannt wurde, hatte er eigene Intel-Aktien im Wert von rund 39 Millionen Dollar verkauft, fast die Hälfte seiner Anteile. Laut Intel hatte das aber nichts damit zu tun, dass er sich noch vor einem möglichen Kurseinbruch Gewinne sichern wollte. Der Verkauf sei nach einem vorgegebenen Plan automatisiert ausgeführt worden.

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SZ vom 09.01.2018/been
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