Datenschutzbeauftragter Schaar:"Die wenigsten finden das richtig"

Das Payback-Urteil stärkt Verbraucherrechte - aber nicht genug, sagt Peter Schaar. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz über Kundenkarten und die Neugier von Unternehmen.

Nina Jauker

sueddeutsche.de: Herr Schaar, haben Sie eine Payback-Karte?

Datenschutzbeauftragter Schaar: Unternehmen wollen viel von einem wissen. Und die wenigsten Menschen finden das richtig: Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz und die Informationsfreiheit

Unternehmen wollen viel von einem wissen. Und die wenigsten Menschen finden das richtig: Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz und die Informationsfreiheit

(Foto: Foto: AP)

Peter Schaar: Nein. Ich habe keine.

sueddeutsche.de: Halten Sie das Urteil des Bundesgerichtshofs zu den Payback-Kundenkarten für einen Sieg für den Verbraucherschutz in Deutschland?

Schaar: Ein Sieg ist das sicherlich nicht. Es ist ein Teilerfolg. Denn der BGH stellt in diesem Urteil klar, dass ein Unternehmen für E-Mail- oder SMS-Werbung die gesonderte Einwilligung des Kunden - mit einem sogenannten Opt-in - benötigt. Das bedeutet, dass der Betroffene aktiv werden und selbst ankreuzen muss: "Ja, ich bin einverstanden." Im Payback-Anmeldeformular, das Gegenstand dieser Gerichtsverhandlung war, gab es hingegen nur die sogenannte Opt-out-Lösung. Das bedeutet, der Kunde muss ankreuzen, wenn er nicht einverstanden ist. Die Entscheidung des BGH, dass zumindest für Werbung mittels Telekommunikation ein ausdrückliches Opt-in notwendig ist, ist ein Fortschritt.

sueddeutsche.de: Weshalb sehen Sie im Urteil nur einen Teilerfolg?

Schaar: Kritisch sehe ich es, dass in allen anderen Fällen weiterhin - soweit also die Werbung nicht über Telefon, SMS oder E-Mail erfolgt - ein solches Opt-out-Verfahren ausreicht, wie es vom Payback-Anbieter Loyalty Partners verwendet wurde. Das halte ich für bedauerlich, denn die Anforderungen an Einwilligungen sollten meiner Meinung nach für sämtliche Werbeformen gleich hoch sein. Damit sollte sich der Gesetzgeber beschäftigen. Es steht in diesem Jahr ohnehin eine Änderung des Datenschutzgesetzes an. Hier wäre es ohne weiteres möglich, eine solche Klarstellung vorzunehmen

sueddeutsche.de: Was würden Sie ändern?

Schaar: Ich halte es für notwendig und zeitgemäß, dass man einen gemeinsamen Standard für alle Formen der Werbung etabliert - also eine einheitliche Form der Einverständniserklärung. Es geht um Transparenz für die Betroffenen. Und letztlich wäre es auch für die Unternehmen einfacher zu handhaben, wenn sie nicht nach den unterschiedlichen Werbeformen differenzieren müssten. Denn an unerwünschter Werbung kann eigentlich kein Unternehmen interessiert sein.

sueddeutsche.de: Eine Anwältin des Payback-Anbieters Loyalty Partner hatte zu Beginn des Prozesses erklärt, man müsse sich von einem antiquierten Kundenbild verabschieden. Moderne Verbraucher gingen nicht blauäugig an derartige Verträge heran. Gibt es denn beim Thema Datenschutz den mündigen Verbraucher, der hier beschrieben wird?

Schaar: Ich würde mir wünschen, dass diese Beschreibung der Realität entspräche, aber ich habe da meine Zweifel. Wenn das Unternehmen von einem mündigen Verbraucher ausging, dann frage ich mich, weshalb man die Klausel so gestaltet hat.

sueddeutsche.de: Was muss sich beim Payback-Anbieter jetzt ändern?

Schaar: Die Entscheidung ist klar. Die Klausel im Anmeldeformular muss geändert werden. Der Anbieter muss für die Werbung mittels Telekommunikation eine gesonderte aktive Einwilligung der Kunden einholen. Bis das erfolgt ist, darf keine Werbung über SMS oder E-Mail versandt werden. Für die sonstige Werbung ergeben sich allerdings keine Konsequenzen.

sueddeutsche.de: Müssen auch andere Kundenkarten-Anbieter jetzt solche Klauseln entfernen?

Schaar: Ja, denn sonst wären die Einwilligungsklauseln in diesem Punkt unwirksam.

sueddeutsche.de: Drohen den Anbietern Klagen, wenn sie ihre Formulare nicht anpassen?

Schaar: Das ist möglich. Die Untergerichte werden sich an der jetzt gesetzten Leitlinie des BGH orientieren.

sueddeutsche.de: Wenn weiterhin mit den jetzt verbotenen Klauseln gearbeitet wird - muss dann jeder Anbieter einzeln verklagt werden?

Schaar: Im Zweifel ja. Es ist aber davon auszugehen, dass auch die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz zumindest bei den großen Kundenbindungsprogrammen unter die Lupe nehmen werden, ob die vom BGH gesetzten Maßstäbe eingehalten werden.

sueddeutsche.de: Nach einer Erhebung des Magazins Finanztest sollen nur bei der Hälfte aller untersuchten Kundenkarten die Datenschutzbestimmungen akzeptabel gewesen sein.

Schaar: Hier zeigt sich ein Durchsetzungsdefizit des Datenschutzrechtes. Die Datenschutzbehörden benötigen die entsprechenden Mittel, die ihnen derzeit aber nur in bescheidenem Umfang zur Verfügung stehen.

sueddeutsche.de: Rund 100 Millionen Kundenkarten sind in Deutschland im Umlauf. Sind Verbraucher gegenüber Privatunternehmen weniger auf den Schutz ihrer Daten bedacht als gegenüber staatlichen Stellen?

Schaar: Ich sehe das nicht so. Staatliche Stellen sind naturgemäß stärker im Visier der Medien. Doch die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz erhalten immer mehr Beschwerden, die den nichtöffentlichen Bereich betreffen. Es wird zunehmend mehr Menschen bewusst, dass auch Unternehmen viel von einem wissen wollen. Und die wenigsten finden das richtig.

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