Datenschutz:Persönliche Daten von Europäern in Gefahr

Lesezeit: 3 Min.

Der US-Präsident will nur noch Amerikaner vor Massenüberwachung schützen. Grünen-Politiker Jan Philipp Albrecht fordert Sanktionen der EU-Kommission - sieht aber auch eine Chance für Europa.

Interview von Christian Simon

Nach nur einer Woche im Amt hat Donald Trump viele Menschen vor den Kopf gestoßen: ein paar Millionen Muslime, den mexikanischen Ministerpräsidenten - und jetzt auch noch Mark Zuckerberg. "Die Auswirkungen der jüngsten Erlasse, die Präsident Trump unterschrieben hat, beunruhigen mich", schreibt der Facebook-Chef, der normalerweise jede eindeutige politische Äußerung meidet.

Zuckerberg bezieht sich auf Dekrete, mit denen Trump Einwanderungsgesetze verschärfen und angeblich kriminelle Migranten fernhalten will. Doch in einem Erlass zur " Verbesserung der inneren Sicherheit" verbirgt sich ein Passus, der Datenschützer Alarm schlagen lässt. Amerikanische Behörden sollen in Übereinstimmung mit geltendem Recht sicherstellen, dass nur Amerikaner und Menschen mit dauerhafter Aufenthaltserlaubnis unter den Schutz des "Privacy Act" fallen. Vereinfacht gesagt: Datenschutz ja, aber bitte nur für US-Bürger.

Der "Privacy Act" schützt persönliche Daten der US-Bürger vor Massenüberwachung. Er bildet die Grundlage für ein Abkommen, das die EU mit der Obama-Regierung geschlossen hat und das diesen Schutz auch für Europäer garantieren sollte. Der frühere Bundesdatenschützer Peter Schaar sieht jetzt die persönlichen Daten von Hunderten Millionen EU-Bürgern bedroht. Auch Grünen-Politiker Jan Philipp Albrecht fordert die EU-Kommission auf, das bestehende Datenschutzabkommen mit den USA aufzukündigen und Sanktionen zu verhängen.

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Albrecht, Mitglied des europäischen Parlaments und stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses, hat intensiv an den Datenschutzabkommen zwischen EU und USA mitgearbeitet. Im Interview erklärt er, wie Trump den Schutz europäischer Daten gefährden könnte.

Herr Albrecht, im Erlass von Präsident Trump geht es nicht um Europa. Was ist das Problem?

Donald Trump wollte mit seiner Verordnung mexikanische Einwanderer angreifen. Sie sollen leichter zurückgeführt und ihre Daten leichter gesammelt werden können. Im Zuge dieser Ausführungen hat er deutlich gemacht, dass nur US-Bürger Rechte unter dem "Privacy Act" haben sollen. Das Problem ist, dass wir genau auf dieser Grundlage - dass auch EU-Bürger durch dieses Gesetz geschützt werden - Unternehmen und Polizeibehörden den Datentransfer in die USA erlaubt haben.

Die US-Behörden werden explizit aufgefordert, sich an geltendes Recht zu halten. Ist Europa damit nicht geschützt?

Es war ein großer Erfolg, dass die EU mit der Obama-Regierung den "Judicial Redress Act" aushandeln konnte. Damit wurde erstmals in der Geschichte EU-Bürgern auch in den USA Schutz durch den "Privacy Act" und Klagemöglichkeiten gegen Datenschutzverstöße eingeräumt. Es gab aber auch weitere Schutzmaßnahmen im Rahmen des "Privacy Shield"-Abkommens, etwa vor geheimdienstlicher Überwachung, die eher informeller Natur waren. Es geht da um Briefe, in denen hochrangige Behördenvertreter der EU zusichern, ihre Daten zu schützen. Entsprechende Gesetze gab es in den USA aber nicht. Ob diese Zusicherungen auch unter Trump noch gültig sind, weiß niemand.

Verfolgt Donald Trump damit eine Strategie?

Ich glaube nicht, dass Trump das mit der Intention gemacht hat, den Europäern zu schaden. Ich denke, das ist wie bei vielen der Maßnahmen, die er in den letzten Tagen ergriffen hat, ein Kollateralschaden, der einfach so auftreten kann.

Hat er überhaupt eine Datenschutz-Agenda?

Ganz offensichtlich nicht wirklich. Mindestens muss man ihm jetzt unterstellen, dass er kein besonderes Gefühl für den Wert von Datenschutz hat. Er nimmt hier ja offensichtlich in Kauf, dass die erreichten Fortschritte, die auch für die USA wichtig sind, in Frage gestellt werden können. Ich glaube, dass er seinem eigenen Land damit einen Bärendient erweist. Selbst große Silicon-Valley-Unternehmen haben inzwischen erkannt, wie wichtig Datenschutz für ihr Geschäft ist.

Datenschutz als Standortfaktor?

Angebote mit einem hohen Sicherheitsstandard, die ihre Nutzer auch vor fremdem Zugriff schützen, ziehen schon heute. Da hätten die Europäer eine gute Möglichkeit, von heute auf morgen Marktführer zu werden, wenn sie sich darauf konzentrieren. Und der Handel mit Ländern wie Korea oder Japan, die uns beim Datenschutz näher sind, wäre dann sicher auch eine Chance. Aber mir wäre es natürlich lieber, mit den USA gemeinsam einen globalen Standard voranzubringen.

Wie sollte die EU dann weiter verfahren?

Wir müssen uns auf jeden Fall ganz genau ansehen, wie dieser Erlass umgesetzt wird. Wenn es zu Verstößen gegen die Vereinbarungen kommt, müsste die EU-Kommission entsprechend sanktionieren, etwa in dem das "Privacy Shield" suspendiert wird. Das würde bedeuten, dass einige Dienste amerikanischer Firmen in Europa vielleicht nicht mehr angeboten werden könnten. Da wäre dann Platz im Markt für europäische Anbieter. Trump würde sich überhaupt keinen Gefallen tun und seiner Internetwirtschaft extrem schaden.

Viele Politiker fordern seit Jahren ein europäisches Google oder Facebook. Ist jetzt die Zeit dafür gekommen?

Ich glaube insgesamt, dass der Protektionismus Trumps auch eine Gelegenheit für Europa ist. Europa könnte sagen: "Okay, wir hätten gerne weiter mit den USA zusammengearbeitet und auch gerne akzeptiert, dass Internetunternehmen wie Facebook hier ihre Geschäfte machen. Aber wenn sie sich nicht mehr an unsere Regeln halten wollen, haben wir kein Problem, die Konsequenzen zu ziehen und es als Chance für uns zu begreifen."

Könnte Trump mit seiner offenen Ablehnung gegenüber den Geheimdiensten nicht ohnehin eine Chance für Überwachungsgegner sein?

Ich denke, er ist gar nicht für oder gegen Überwachung. Mal ist es so, dass er die Geheimdienste angreift, weil da Leute sind, die nicht nach seiner Pfeife tanzen. Und beim nächsten Mal will er ihnen umfassende Möglichkeiten bis hin zur Folter einräumen. Ich glaube nicht, dass man verlässlich sagen kann, wohin Trump da taumelt. Das Missbrauchspotential des US-Überwachungsapparats in den Händen Donald Trumps - da muss einem eigentlich ganz bange werden.

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