Datenschutz:Internet der Reichen

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Es gibt mittlerweile viele gute Handys auf dem Markt, die wenig kosten. Doch sie haben trotzdem ihren Preis. (Foto: Jonas Jetzig, Verena Gehrig)

Wer billige Handys kauft, zahlt dafür mit Daten. Das Internet wird zum Zwei-Klassen-Netz, in dem Privatsphäre käuflich ist.

Kommentar von Jannis Brühl

Privatsphäre und Schutz sind Luxusgüter - das weiß man, seitdem der erste Adelige einen Graben um seine Burg gezogen hat. Im Zeitalter der Digitalisierung verläuft der Graben zwischen den Durchleuchteten und den Privaten. Wer es sich leisten kann, der kann sich auch vor Datenmissbrauch schützen. Das kostet, denn Daten sind zu einer alternativen Währung geworden, die Privatsphäre hat ihren Preis.

Untersuchungen haben schon früher gezeigt: Wer ein Handy kauft und beim Preis spart, zahlt später für das Gerät oft in anderer Währung, weil umso mehr persönliche Daten abfließen. Wohin läuft der Kunde, wann ist er wach, was kauft er? Tracking nennt sich das. Hersteller teurer Geräte sind nicht darauf angewiesen, große Datenmengen ihrer Kunden abzugreifen und zu Geld zu machen. Den Preis für günstige Hardware zahlen also oft nicht nur ausgebeutete Arbeiter in Fabriken, sondern auch Handy-Käufer, die nicht viel mehr zu geben haben als die Informationen, die ihr Verhalten erzeugt.

In den USA zeigt die Abschaffung der sogenannten Netzneutralität, dass ein "Internet der Reichen" kein Hirngespinst mehr ist. Unternehmen können gegen Geld jene Surfer schneller mit Filmen, Musik und Videochats versorgen, die mehr dafür zahlen. So entsteht ein Zwei-Klassen-Netz: eines für Reiche mit Geld für Premium-Anwendungen, eines für Arme, die mit Daten zahlen. Der demokratische Internet-Traum - das eine System, das allen gleichermaßen gehört -, er verblasst.

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Verkompliziert wird all das durch das schmutzige Geheimnis im Herzen des Internets: Dort geht es eigentlich nur um Werbung. Werbung finanziert Geschäftsmodelle, macht allen Menschen Information und Unterhaltung scheinbar umsonst zugänglich. Aber Werbung ist nicht mehr nur ein kluger oder witziger Spruch, der einem Agentur-Texter eingefallen ist. Werbung ist heute ein halbintelligentes und praktisch voll automatisiertes Überwachungssystem, das weltweit funktioniert. Es besteht aus dynamischen Anzeigen, die sich an den, der sie sieht, anpassen; aus spezialisierter Werbe-Software, die sich wie Abermillionen digitale Wanzen im Programmcode von Apps und Webseiten versteckt. Oft leiten diese Wanzen Daten an die großen Sammler Google und Facebook weiter.

Das Werbe-Überwachungssystem lebt von gewaltigen Datenbanken, durchschürft von lernfähigen Algorithmen auf der Suche nach Verbindungen: Wer lebt wie? Wer mag was? Und was könnte man ihm verkaufen? Software versteigert Werbeplätze in Echtzeit, damit jeder Nutzer jene Anzeigen sieht, die das System seinem Persönlichkeitsprofil zuweist. Im Gegensatz zu den Textern der alten Werbewelt schlafen die Algorithmen nie.

Der Überwachungslogik des Netzes kann man nur mit nicht-kommerziellen Plattformen und transparenter Software entfliehen. In entsprechende App-Entwicklungen müssten europäische Fördermillionen fließen, statt in ein - ohnehin lange verlorenes - Standort-Rennen gegen das Silicon Valley. Zudem müssen sich die EU-Staaten endlich auf die lange verzögerte ePrivacy-Verordnung einigen, die die heiklen Fragen zum Netz-Tracking klären soll. Denn von den IT-Konzernen ist nicht zu erwarten, dass sie den digitalen Graben zuschütten. Sie profitieren zu sehr von ihm.

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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