Datenmissbrauch an der Wall Street:Bloomberg entschuldigt sich für Kunden-Spionage

Finanzdienstleister Bloomberg steht wegen seines Umgangs mit Kundendaten unter Druck

Bloomberg weiß viel über sie: Händler an der New York Stock Exchange

(Foto: Bloomberg)

Die Computerterminals von Bloomberg sind die Joysticks der Finanzbranche: Mit ihnen bewegen Börsenhändler Milliarden. Jetzt kam heraus, dass Journalisten der Nachrichtenagentur Bloomberg Zugang zu ihren Daten hatten.

Bloomberg steht wegen seines Umgangs mit Kundendaten unter Druck: Hunderte Journalisten der Nachrichtenagentur haben die vertraulichen Informationen des Finanzdienstleisters zur Recherche genutzt.

Der Hintergrund: An den Computerterminals von Bloomberg können Händler von Banken und Hedgefonds live Daten zum Börsengeschehen abrufen und handeln. Zur Firma gehört aber auch eine Nachrichtenagentur mit gleichem Namen, die sich auf Börsennachrichten spezialisiert hat. Nun ist öffentlich geworden, dass die Journalisten von Bloomberg News lange einige Kundendaten von Terminal-Nutzern mitlesen konnten.

Die Reporter konnten sehen, wann Kunden sich zuletzt eingeloggt hatten, wie oft sie Nachrichten über das System gesendet und für welche Themen sie sich interessiert hatten, etwa Aktien oder Anleihen. Bloomberg hatte zur Kontaktpflege auch gespeichert, wie viele Kinder der Kunde hat und was sein Lieblingsessen ist, schreibt die Financial Times. All diese Infos haben die Journalisten für ihre Artikel genutzt.

Datenmissbrauch an der Wall Street: Mit diesem Foto wirbt Bloomberg für seine Terminals.

Mit diesem Foto wirbt Bloomberg für seine Terminals.

Die US-Notenbank und das US-Finanzministerium kündigten Untersuchungen an, inwieweit vertrauliche Informationen verletzt wurden. "Wir schauen uns die Lage an und sind mit Bloomberg in Kontakt, um mehr herauszufinden", sagte eine Sprecherin der Notenbank Fed. Dem US-Sender CNBC zufolge haben Bloomberg-Journalisten auch Daten über den Fed-Chef Ben Bernanke und den ehemaligen US-Finanzminister Tim Geithner abgerufen. Die Reporter haben sogar dem Gründer ihrer Firma und jetzigen Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, hinterherspioniert. Sie hätten geprüft, wo er sich gerade aufhalte, schreibt das Magazin Quartz.

Die Kunden finden das gar nicht lustig. An der Wall Street ist die Aufregung groß. "Als der Fehler erkannt wurde, haben wir unverzüglich gehandelt", schreibt Bloomberg-Chef Daniel Doctoroff in einer Stellungnahme. Journalisten hätten schon seit vorigen Monat keinen Zugriff mehr auf diese Daten. Die Journalisten hätten auch zuvor nicht sehen können, welche Artikel von Kunden gelesen oder welche Wertpapiere sie sich angeschaut haben. Zudem sei die Stelle eines Datenschutzbeauftragten geschaffen worden. Dieser solle sicherstellen, dass Mitarbeiter der Nachrichtenagentur keinen Zugriff auf vertrauliche Kundendaten mehr erhalten. Der Chef der US-Börsenaufsicht nannte die Erklärung "nicht sehr glaubwürdig",

Die Journalisten gingen sehr offen mit der Tatsache um, dass sie Zugriff auf die Daten hatten, 2011 sprach ein Bloomberg-Moderator sogar im Fernsehen darüber. Doch es dauerte, bis der Datenmissbrauch jetzt an die Öffentlichkeit kommt. Ein Partner der US-Bank Goldman Sachs wurde von einem Bloomberg-Reporter nach dem Beschäftigungsverhältnis eines Kollegen befragt - mit dem Hinweis, dass sich dieser schon einige Zeit nicht mehr in seinen Terminal eingeloggt habe. Goldman Sachs war bis dahin nicht bewusst, dass Journalisten Zugang zu solchen Informationen hatten.

Für Bloomberg arbeiten weltweit etwa 2400 Journalisten. Der Konzern hat mehr als 315.000 Terminal-Abonnenten, die etwa 20.000 Dollar pro Jahr dafür bezahlen, so die Financial Times. Die Terminals sorgen somit für einen Großteil des Jahresumsatzes von zuletzt 7,9 Milliarden.

Linktipp: Allwissenheit gehöre bei Bloomberg zur Unternehmenskultur, schreibt das Magazin Quartz in einem Porträt über die Firma.

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