Augmented Reality:Codename "Argus"

Entwicklerkonferenz Google I/O

Was guckst du? Googles Datenbrille Glass scheiterte an mangelnder Akzeptanz. Viele empfanden das Gerät als Bedrohung ihrer Privatsphäre.

(Foto: Filip Singer/dpa)

Kommt Apples nächstes großes Ding aus Deutschland? Gerüchten zufolge arbeitet der iPhone-Hersteller an einer Augmented-Reality-Brille - gemeinsam mit Zeiss.

Von Helmut Martin-Jung und Stefan Mayr, Stuttgart/München

Das nächste heiße Ding in der Technologiebranche könnte aus dem schwäbischen Örtchen Aalen kommen. In der 70 000-Einwohner-Stadt an der Grenze von Bayern und Baden-Württemberg hat die Carl Zeiss AG ein kleines Team mit einem großen Ziel zusammengestellt: Sie wollen die erste massentaugliche Datenbrille der Welt entwickeln, das Projekt trägt den Codenamen "Argus". Von außen soll sie aussehen wie eine ganz normale Sehhilfe. Aber ihr Innenleben soll alles übertreffen, was bisher im Silicon Valley oder in China hergestellt wird.

Ein deutsches Unternehmen der Spitzentechnologie und Apple - es hat durchaus Tradition, dass die Kalifornier sich die Besten holen, wenn sie an einer neuen Idee werkeln. Insofern erscheinen die Gerüchte nicht völlig aus der Luft gegriffen, dass der US-Konzern und das deutsche Optik-Unternehmen eine Brille für Augmented Reality (AR), also erweiterte Realität, entwickeln. Zumal da bekannt ist, dass Apple intensiv an AR forscht. Weder Apple noch Zeiss bestätigten die Information des gut vernetzten Bloggers Robert Scoble. Sie dementierten aber auch nicht.

Was Zeiss bestätigt: Es gibt ein firmeninternes Start-up namens Smart Optics. Das 15-Mann-Team in Aalen arbeitet an einer Weiterentwicklung einer AR-Brille nach dem Vorbild von Googles Modell Glass. AR-Datenbrillen dieser Art haben in ihrem Gestell einen Mini-Computer und Mini-Projektor, der Zeichen auf eine Fläche im Brillenglas schreiben kann. So kann der Träger der Brille zum Beispiel kurze Texte lesen, ohne dass er dafür ein weiteres Gerät in die Hand nehmen muss.

Viele große Tech-Konzerne forschen an erweiterter und virtueller Realität

Seit 2014 tüfteln die Zeiss-Nerds an dieser Brille, anfangs war ihre Arbeit streng geheim. Erst seit 2016 dürfen sie über ihr Projekt sprechen. Ein Prototyp, vorgestellt Anfang 2016, erregte in der Branche ziemliches Aufsehen. Mittlerweile ist Zeiss soweit, dass sie auch Gläser mit Korrektur von Sehschwächen für AR-Brillen fertigen können oder welche mit Sonnenschutz.

A man tests the 'Zeiss VR One' virtual reality glasses during the Mobile World Congress in Barcelona

Im Februar zeigte Zeiss auf dem Mobile World Congress in Barcelona bereits eine Virtual-Reality-Brille.

(Foto: Albert Gea/Reuters)

Erweiterte und virtuelle Realität - kaum eine große Firma aus der Technologiebranche, die sich nicht sehr intensiv damit beschäftigt.

Facebook überraschte vor einem knappen Jahr, als der Chef Mark Zuckerberg auf dem Mobile World Congress bei der Samsung-Produktvorstellung auftauchte und eine Kooperation in Sachen Virtuelle Realität mit dem Smartphone-Hersteller ankündigte. Der Internet-Konzern Google hatte schon Jahre davor großes Aufsehen mit der Brille Glass erregt.

Microsofts Brillenprojekt Hololens gibt es bisher erst als teure Entwicklerversion

Doch es erwies sich als schwierige Aufgabe, die nötige Technik auf kleinstem Raum unterzubringen. Zudem aber - viel entscheidender noch - schlug dem Gerät in der Öffentlichkeit unverhohlene Ablehnung entgegen. Wer die Brille trug, wurde als "Glasshole" beschimpft - in Anlehnung an asshole. Besonders die Videofunktion beunruhigte viele. Google forscht weiter an dem Projekt - aber bis auf weiteres hinter verschlossenen Türen.

Auch Microsofts mit viel Vorschusslorbeeren bedachtes Brillenprojekt Hololens ist noch nicht bei den Konsumenten angekommen. Nur Entwickler können die Brille für 3300 Euro kaufen. Auch Hololens ist eine Augmented-Reality-Brille. In das Bild der realen Umgebung werden zusätzliche Objekte oder Informationen eingeblendet. Da erwacht dann plötzlich das Dinosaurier-Gerippe im Naturkunde-Museum zum Leben und trampelt lebensgroß neben den Besuchern her.

Apple verdonnert seine Partner zu Stillschweigen

Der japanische Konzern Epson, bekannt unter anderem für Drucker, hat dagegen schon AR-Brillen auf dem Markt. Sie werden im professionellen Umfeld eingesetzt, zum Beispiel um Monteuren über das Internet Hilfe geben zu können, oder damit diese die Hände frei haben, aber trotzdem Informationen etwa bei einer Reparatur erhalten. Viel Wirbel gab es im vergangenen Jahr auch um die Projekte mit Virtual-Reality-Brillen vor allem für Spiele. Sony, HTC und Oculus sind auf diesem Gebiet die wichtigsten Hersteller.

Ob Apple Kontakt zu Zeiss hat, ob tatsächlich, wie der US-Blogger Scoble vermutet, noch in diesem Jahr eine Apple-Brille mit Zeiss-Technik auf den Markt kommt, muss im Moment Spekulation bleiben. Die Kalifornier sind in der Branche dafür bekannt, die Kooperationspartner zu absolutem Stillschweigen zu verdonnern. Ansonsten drohen hohe Vertragsstrafen. Ein Zeiss-Sprecher bestätigt immerhin, dass derzeit Gespräche mit Firmen aus der Elektronikbranche laufen.

Es erscheint sinnvoll, dass Zeiss seine AR-Brille für die Massen nicht alleine auf den Markt bringen wird. Sie werden sich vernünftigerweise auf die optische Expertise beschränken und starke Partner suchen, die Dinge wie ein Betriebssystem, aber auch Vertriebserfahrung einbringen. Das kann, muss aber auch nicht Apple sein.

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