Datenaffäre:Die Geheimkammern der Bahn

In der Datenaffäre der Bahn trat Konzernchef Rüdiger Grube immer als Aufräumer auf. Doch nun wird bekannt, dass Tausende Akten der Datenaffäre vernichtet werden sollen, ohne dass Ermittler sie je sichteten.

Daniela Kuhr, Berlin

Als Rüdiger Grube vor 14 Monaten Chef der Deutschen Bahn wurde, stand er vor einer großen Aufgabe: Der frühere Daimler-Manager sollte in dem vom Datenskandal gebeutelten Staatskonzern aufräumen. Das tat er auch - mit viel Energie. Kein Stein blieb auf dem anderen. Zahlreiche Mitarbeiter mussten gehen, fast der gesamte Vorstand wurde ausgetauscht. Doch ausgerechnet jetzt, wo die Datenaffäre vor dem Abschluss steht, werden Vorgänge bekannt, die Zweifel wecken, wie ernst es ihm wirklich mit der Aufklärung ist.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung lagern im Konzern in acht Räumen Tausende geheime Akten und Unterlagen, die keiner der Sonderermittler je zu Gesicht bekommen hat. Diese Daten aber drohen in Kürze gelöscht zu werden. Eine vollumfängliche Aufarbeitung der Affäre, wie Grube sie immer versprach, wäre dann nicht mehr möglich.

In einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion bestätigt die Bundesregierung die Existenz der Räume. Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann (CDU) schreibt von "Quarantäneräumen", die verschlossen und versiegelt seien. Und er bestätigt, dass die Daten den von der Bahn eingesetzten Anwälten und Wirtschaftsprüfern vorenthalten wurden: "Eine eigene Durchsichtmöglichkeit für die Sonderermittler bestand nicht."

Hintergrund ist ein Dilemma, in das die Bahn bei den Aufräumarbeiten geriet. Unter der alten Führung waren Mitarbeiter heimlich überwacht und ihre Daten abgeglichen worden. Je weiter der Konzern beim Aufarbeiten des Skandals kam, umso mehr Daten tauchten auf, die nie hätten erhoben oder längst hätten gelöscht werden müssen. Was aber tun damit? Laut Gesetz sind sie zu vernichten, doch womöglich wäre das eine Strafvereitelung, parallel liefen ja Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Der Bahn-Vorstand beschloss daher, Quarantäneräume einzurichten. Dort sollten alle Daten verstaut werden - bis feststeht, dass der Staatsanwalt sie nicht sichten will. Dieser Zeitpunkt steht nun unmittelbar bevor, denn nach SZ-Informationen schließt die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen in Kürze ab.

Sabine Leidig, Verkehrsexpertin der Linksfraktion, befürchtet, "dass die Daten dann in Gänze vernichtet werden und damit das Ausmaß der Bespitzelungsaktion verschleiert wird". In den Räumen befänden sich drei Mal mehr illegal erhobene Daten, als die Sonderermittler je zu Gesicht bekommen hätten. Die Bahn sagt, sie habe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich in den Räumen "kritische systemische Sachverhalte" befänden. Allerdings ist unklar, was genau dort aufbewahrt wird. "Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist darauf verzichtet worden, ein Inhaltsverzeichnis der eingelieferten Daten und Unterlagen zu führen", schreibt Ferlemann.

Die Bahn verweist darauf, dass das Quarantäne-Konzept mit Datenschutzbeauftragten und Ermittlern abgesprochen war. Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix bestätigt das. Er habe keine Hinweise darauf, dass sich in den Räumen brisantes Material befinde, sagt er, behält sich aber vor, die Daten gegebenenfalls noch zu sichten. Auch aus Kreisen der Sonderermittler wird bestätigt, dass man eingebunden war. Sie seien aber davon ausgegangen, sämtliche Akten später prüfen zu dürfen. Das war zu ihrer Überraschung nicht der Fall. "Vor der Löschung müsste das gesamte Material systematisch gesichtet und protokolliert werden", sagt ein Ermittler.

Bei der Bahn ist man jedoch der Ansicht, dass nur der Staatsanwalt oder Opfer der Datenaffäre Zutritt bekommen dürften. "Wie soll denn ein Opfer Zutritt verlangen, wenn es gar nicht weiß, dass es Opfer ist?", fragt der Ermittler.

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