Daten gegen App:Schluss mit dem Chaos

Einfach das Konto wechseln: Vier Tipps für das passende Konto

Wer viele Konten und Kreditkarten nutzt, freut sich vielleicht über Apps, die den Überblick bieten.

(Foto: Andrea Warnecke/dpa)

Banken bieten kostenlose Überblick-Apps für Konten und Depots an. Die Geldhäuser erhoffen sich so Datenschätze.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Manchmal blickt man einfach nicht mehr durch: Wer mehr als nur ein Girokonto nutzt, zwei bis drei Kreditkarten verwendet, dazu Tagesgeld und Wertpapierdepot bei drei verschiedenen Banken optimiert und zusätzlich noch einen Baukredit abbezahlen muss, der kann schon mal die Übersicht verlieren. Aus Finanzplanung wird dann Finanzchaos.

Um Abhilfe zu schaffen, bieten immer mehr Banken und Finanz-Start-ups so genannte Multibanking-Apps an - für das Smartphone, das Tablet oder den Computer. In einer einzigen App liefern sie einen Überblick nicht nur über den Kontostand etwa des eigenen Sparkassen-Girokontos, sondern auch über das Tagesgeld-Konto der Ing-Diba oder das Wertpapierdepot bei der Deutschen Bank. In einigen dieser Apps kann man über die verschiedenen Konten sogar Geld überweisen; bald wird man sich auch Kredite anzeigen können.

Es ist kaum zu übersehen: Nach Jahren der Dauerkrise ist bei den Banken inzwischen eine Art technologisches Wettrennen entbrannt. Nicht mehr im Investmentbanking oder an exotischen Standorten in aller Welt wollen sie die Nase vorne haben, sondern darin, wer die Bedürfnisse der Kunden am schnellsten erkennt.

Angeheizt, wenn nicht gar ausgelöst, haben das Wettrennen viele Finanz-Start-ups, Fintechs genannt. Mittels Internet und Smartphone wollen sie die Art, wie Menschen Geld verleihen, überweisen oder bezahlen, vereinfachen - und damit Geld verdienen.

Der IT-Branchenverband Bitkom hat jüngst ermittelt, dass erst zehn Prozent der Internetnutzer Apps verwenden, die helfen, die eigenen Finanzen im Blick zu behalten. Ein Viertel der Befragten könne sich vorstellen, das künftig zu tun. Das Potenzial scheint also da zu sein.

Kein Wunder, dass kaum eine Woche vergeht, ohne dass eine Bank oder Sparkasse eine technische Neuerung bekannt gibt. Eine Multibanking-App zum Beispiel bieten längst nicht nur Finanz-Start-ups wie Outbank oder Centralway Numbrs an, sondern seit geraumer Zeit auch die Sparkassen und viele andere Institute. Erst kürzlich vermeldete auch die Postbank eine entsprechende Neuerung, und bei der Commerzbank-Tochter Comdirect hieß es diese Woche, ihr Multibanking-Programm werde nun auch auf dem Computer und allen Handy-Betriebssystemen laufen. "Wir wollen die Kunden damit weiter an uns binden", sagt Comdirect-Chef Arno Walter.

Was sich anhört wie eine Floskel, ist für die Institute bitterer Ernst. Am kommenden Sonntag tritt ein Gesetz in Kraft, das Bankkunden den Kontowechsel deutlich erleichtern soll. Außerdem müssen Banken künftig auch "Dritten" - also anderen Instituten oder Fintechs - die Kontoinformationen der Kunden übergeben, sofern das der Kunde will. Das soll es auch Start-ups erlauben, auf diesem Markt mitzuspielen, was den Wettbewerb verstärkt.

Klar ist also, die Banken müssen sich künftig noch mehr anstrengen. Zumal die jüngsten Gebührenerhöhungen die Kunden ohnehin wechselwillig machen.

Die Apps wollen Finanzdinge erleichtern, schaffen oft aber neue Komplikationen

Ob allerdings eine Multibanking-App den entscheidenden Mehrwert liefert, um die Kunden zu halten, dazu gehen die Meinungen auseinander. "Diese Apps können sinnvoll sein für Menschen, die tatsächlich sehr viele verschiedene Bankverbindungen haben, zum Beispiel Freiberufler", sagt Dirk Eilinghoff, Experte für Bankprodukte bei der gemeinnützigen Verbraucherplattform Finanztip. Wer jedoch, wie die meisten Menschen, nur ein Girokonto habe, müsse sich fragen, ob solche Apps nicht alles noch komplizierter machten. "Man kann zum Beispiel die Übersicht verlieren, wenn man die App auf mehreren Geräten, also Smartphone, Tablet oder Computer nutzt, und dort andere Familienmitglieder Einblick in das Konto haben könnten". Außerdem müssten natürlich alle Endgeräte ausreichend gut gegen Viren oder Hackerangriffe geschützt sein, etwa durch aktuelle Anti-Virenprogramme.

Und natürlich geht es auch bei solchen Apps um den großen Schatz der digitalen Wirtschaft: Die Kundendaten. Vor allem wenn die Angebote kostenlos sind, sollen sie sich oft über andere Wege lohnen.

"Wer nicht will, dass die eigene Bank einen kompletten Überblick über die eigene Finanzsituation bekommt, sollte sich erkundigen, wie die Bank die Daten nutzt" sagt Eilinghoff von Finanztip. Einblick in die Daten hat die Bank in jedem Fall, nicht jedes Institut aber nutzt sie auch aktiv für den Vertrieb weiterer Bankprodukte. Sven Korschinowski, Fintech-Experte der Beratung KPMG, hält es zwar grundsätzlich für nicht verwerflich, dass Banken Daten nutzen, der Kunde müsse aber einen Gegenwert bekommen. Etwa, indem das Girokonto vergünstigt werde, oder die Bank beziehungsweise das Fintech brauchbare Tipps zum Ausgabeverhalten oder der Geldanlage gebe. "Das muss die Bank dann unter Beweis stellen", sagt Berater Korschinowski.

Für die Geldhäuser aber geht es letztlich auch um die Frage, wer beim Bankgeschäft mit dem Smartphone das Rennen macht. Bald nämlich werden wohl alle Banken solche Apps anbieten, während der Verbraucher allenfalls eine nutzen will. Die Bank, die dieses Rennen gewinnt, hat dann den direkten Zugang zum Kunden. "Die Frage, wer die Hausbank ist, wird durch die Digitalisierung noch einmal neu definiert", sagt Markus Pertlwieser, Digitalchef der Privatkundensparte der Deutschen Bank. Auch die Deutsche Bank hat daher lange an ihrer neuen Konto-App gefeilt und will sie noch in diesen Herbst für fremde Konten und Depots öffnen. "Wir müssen da schnell sein", sagt Pertlwieser. Auf diesem Feld entscheide sich, wo die Kunden ihre Daten zusammenführten. "Und darüber werden sich Marktanteile neu verteilen".

Und die Fintechs? Auch sie werden den etablierten Banken nicht kampflos das Feld überlassen. Bankenexperte Karsten Junge von der Unternehmensberatung Consileon ist überzeugt, dass viele Menschen zwar größeres Vertrauen in die IT-Sicherheit von Banken hätten, ihre Daten jedoch würden sie - wenn überhaupt - wohl lieber einem neutralen Dritten überlassen.

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