Süddeutsche Zeitung

Daten-CD deutscher Bankkunden:Sieben Wege ins Unglück

Die Fahnder sind elektrisiert: Etwa 20.000 Kontodaten mutmaßlicher Steuerhinterzieher sollen auf der von Rheinland-Pfalz angekauften CD sein. Über Jahre können sie nun nachvollziehen, was deutsche Bankkunden in der Schweiz gebunkert haben. Viele Steuerhinterzieher hatten schon eine Selbstanzeige in der Schublade.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Im Sommer vergangenen Jahres plauderte Klaus Herrmann, der Chef der Steuerfahndung in Rheinland-Pfalz, in einem Spiegel-Interview munter über Schwarzgeld in der Schweiz. Der Ermittler schilderte im Detail, wie eidgenössische Geldhäuser deutschen Kunden dabei behilflich seien, den Fiskus zu betrügen. Gleich sieben verschiedene Modelle seien derzeit im Angebot. In der helvetischen Finanzbranche werde gerne von den "sieben Wegen ins Glück" geredet.

Auf die Frage, woher er das alles wisse, antwortete Herrmann, es gebe in der Schweiz Bankangestellte, denen die dortige Geschäftspolitik nicht gefalle und die einen vertraulichen Kontakt zu deutschen Steuerbeamten hielten. "Mehr kann ich dazu nicht sagen."

Jetzt ist klar, warum Herrmann damals nicht mehr sagen mochte. Den Steuerfahndern in Rheinland-Pfalz lag eine CD mit Daten über deutsche Bankkunden in der Schweiz vor. Die Ermittler zogen bereits die ersten Proben, und bereiteten dann ganz diskret den wohl größten Schlag gegen deutsche Steuerhinterzieher vor. Die von Rheinland-Pfalz für vier Millionen Euro gekaufte CD enthält dem Vernehmen nach Informationen über, grob geschätzt, 20.000 Bundesbürger und deren Vermögen im Nachbarland. Das übertrifft alles, was deutsche Behörden bislang durch solche CDs erfahren haben. Manchmal waren es knapp 2000 Fälle, meist viel weniger.

Die Staatsanwälte und Steuerfahnder, die seit dieser Woche unterwegs sind und einen Verdächtigen nach dem anderen besuchen wollen, sind elektrisiert. Solch eine Fülle an Kontodaten habe man noch nie gehabt, heißt es. Das Material sei erstklassig. Über viele Jahre hinweg könne man genau nachvollziehen, wie viel Geld deutsche Kunden bei drei Schweizer Banken gebunkert hätten. Es sei auch nachvollziehbar, wohin Geld abgeflossen sei.

Das neue Geschäftsmodell - der Staat kauft Steuer-CDs und spürt dann Steuerbetrüger auf- gibt es seit 2007. Damals verkaufte der ehemalige Liechtensteiner Bankmitarbeiter Heinrich Kieber Kundendaten der Vaduzer LGT-Bank für 4, 6 Millionen Euro an deutsche Behörden. Später landeten Datensätze der Credit Suisse, der Londoner Coutts Bank, des Züricher Geldhauses UBS sowie des Investmenthauses Merrill Lynch Schweiz bei Behörden in NRW. Zweimal wurden Datenträger mit den Namen von Kunden der Schweizer Privatbank Julius Bär deutschen Fahndern gesteckt. In einem der Bär-Fälle handelte es sich um einen altruistischen Lieferanten. Er bat nur um eine Millionenspende an Erdbebenopfer. Am Finanzplatz Schweiz lösten Leute wie er Beben aus.

Es gab nette und gierige Tippgeber und es gab auch gute und schlechte CDs. Manche von ihnen enthielten oft nur einzelne Informationen. Die neue CD aber soll superb sein. Das vollständige Bild von Geldverschiebungen werde sichtbar, schwärmen Fahnder. Die Daten aufzuarbeiten, werde lange dauern.

Die bislang eingeleiteten 201 Verfahren gegen mutmaßliche Steuerhinterzieher sind also erst der Anfang. Am Ende könnten es viele tausend Beschuldigte sein. Und natürlich wird es wieder Selbstanzeigen rauschen. Viele werden versuchen, noch vor der Entdeckung irgendwie davonzukommen. Andererseits glaubten einige der jetzt ins Visier der Ermittler geratenen Steuerbetrüger gute Nerven zu haben. Bei ersten Durchsuchungen fanden Fahnder bei etlichen Verdächtigen längst vorbereitete, aber nie abgegebene Selbstanzeigen. "Die lagen fix und fertig in der Schublade", erzählt ein Ermittler. Viele gut betuchte Leute waren durch den Wirbel um frühere CDs erst aufgeschreckt worden, hatten Selbstanzeigen ausgearbeitet, dann aber gemeint, es werde sie schon nicht treffen.

Da waren andere Hinterzieher vernünftiger. Mehr als 30.000 Bundesbürger haben in den vergangenen drei Jahren, vor allem aufgescheucht durch Datenlecks in Liechtenstein und in der Schweiz, reinen Tisch beim Fiskus gemacht. Experten erwarten nun eine neue Welle von Selbstanzeigen. Es muss nicht bei den 500 Millionen Euro für den Fiskus bleiben, die der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) jetzt erwartet.

Die Union, die bis lang solche Aktionen vehement kritisierte, hält sich dieses Mal ziemlich zurück. Nur noch die FDP, die den Erwerb solcher CDs sogar verbieten lassen wollte, ist hellauf empört. Rainer Brüderle, Spitzenkandidat für die Bundestagswahl und früher Wirtschaftsminister in Mainz, spricht von "Hehlertum".

Steuerfahnder wie Klaus Hermann sehen das anders. Sie befürchten eine Teil-Amnestie für Steuerhinterzieher mit fatalen Folgen für die Steuermoral, sollte das einstweilen gescheiterte und von Brüderle favorisierte Steuerabkommen doch noch eines Tages Wirklichkeit werden. Der Kauf der CDs hingegen und deren Auswertung bringt die Schweizer Geldbranche mehr und mehr in Bedrängnis. Große Banken wie die Credit Suisse wollen mit Schwarzgeld nichts mehr zu tun haben. Deutsche Kunden müssen entweder nachweisen, dass ihr dort angelegtes Vermögen sauber, also versteuert ist. Oder sie müssen Selbstanzeige erstatten. Oder sich noch in diesem Jahr eine andere Bank suchen.

Banken wie die Credit Suisse, UBS oder Julius Bär seien genervt von dem vielen Ärger mit den vielen CDs und den vielen Ermittlungen in Deutschland, heißt es aus der Schweizer Finanzbranche. Die neue Attacke aus Rheinland-Pfalz dürfte diesen Trend noch verstärken. Die im aktuellen Fall federführende Staatsanwaltschaft in Koblenz hat bereits Verfahren bei der Credit Suisse und den anderen beiden betroffenen Banken eingeleitet. Das sind die mit der Credit Suisse inzwischen fusionierte Clariden Leu AG und die Neue Aargauer Bank, ein regionales Geldinstitut im gleichnamigen Kanton im Norden der Schweiz an der Grenze zu Deutschland. Noch laufen diese Verfahren gegen Unbekannt. Aber nur so lange, bis die mutmaßlichen Steuerhinterzieher in Deutschland erzählen, wer ihnen jenseits der Grenze geholfen hat, Vermögen zu verstecken.

Dass die Credit Suisse im Jahr 2011 insgesamt 150 Millionen Euro Bußgeld in Deutschland für damals aufgeflogene Fälle gezahlt hat, schützt ihre Mitarbeiter nicht vor deutschen Ermittlern. Nur die alten Verfahren sind erledigt. Wenn ein Banker weiteren Kunden geholfen habe, den Fiskus zu hintergehen, dann seien das neue Fälle, sagt Oberstaatsanwalt Hans Peter Gandner aus Koblenz. Da gebe es keinen "Strafklageverbrauch". Bei der Credit Suisse als Unternehmen ist die Lage wohl anders. Die Bank wird Gandner zufolge "nach vorläufiger Bewertung nicht mit einem neuen Bußgeld rechnen müssen". Im Bußgeldbescheid von 2011 sind im Prinzip alle Machenschaften erfasst, mit denen die Credit Suisse viele Jahre lang den deutschen Fiskus geschädigt hatte.

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SZ vom 18.04.2013/fran
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