Süddeutsche Zeitung

Digitalisierung:EU vereinfacht den Datenaustausch

Große Datenmengen auswerten zu können, hilft Forschern und Firmen. Ein neues Gesetz soll nun das Teilen und Bündeln von Daten fördern - auch Spenden sind möglich.

Von Björn Finke, Brüssel

Daten sind das Gold des digitalen Zeitalters, heißt es manchmal. Am Dienstagabend einigten sich Europaparlament und Ministerrat, das Entscheidungsgremium der Mitgliedstaaten, auf ein neues Gesetz, das es erleichtern soll, dieses Gold zu schürfen. Unternehmen, Behörden und Forschungseinrichtungen in der EU sollen Daten einfacher austauschen und bündeln können, ohne dass die Bürger um ihre Privatsphäre fürchten müssen. Zugriff auf große Datenmengen zu haben, hilft zum Beispiel Medizinern dabei, Krankheiten zu untersuchen und Arzneien zu entwickeln.

Zudem benötigen Computersysteme mit künstlicher Intelligenz (KI) Daten, um wiederum diese KI zu trainieren. Und US-Konzerne wie Google, Facebook und Amazon machen vor, wie man auf Basis von Daten und ihrer Auswertung hochprofitable und schwer angreifbare Geschäftsmodelle aufbaut. Die EU hinkt hier hinterher. Um das zu ändern, präsentierte die Kommission Anfang 2020 eine Datenstrategie. Die Einigung von Dienstagabend bedeutet, dass nun der erste Rechtsakt aus dieser Strategie in Kraft treten kann: der Data Governance Act, ein Gesetz über Datenkontrolle. Vermutlich im Februar wird die Kommission noch den Entwurf eines Daten-Gesetzes vorlegen - die beiden Rechtsakte sollen sich ergänzen.

Zu den wichtigsten Regelungen des Data Governance Acts gehören Vorschriften für unabhängige Datentreuhänder. Das sind Dienstleister, die Daten empfangen, zum Beispiel von Sensoren von Fabrikmaschinen, diese bündeln und weitergeben. So könnte eine Firma, die solche Maschinen produziert, sehr daran interessiert sein, im großem Stil Nutzungsdaten dieser und ähnlicher Anlagen zu erhalten. Das hilft schließlich bei der Weiterentwicklung der Maschinen.

Das Gesetz soll die Nutzung dieser Daten-Marktplätze fördern, indem es sicherstellt, dass Lieferanten und Abnehmer der Datenschätze den Marktplätzen vertrauen können und keine Nachteile befürchten müssen. So wird den Treuhändern verboten, die Daten selbst auszuwerten und für die Entwicklung von Produkten zu verwenden. Denn in dem Fall würde der Marktplatz zum Rivalen - und niemand wird einem Rivalen wertvolle Daten zur Verfügung stellen wollen. Außerdem soll es das Gesetz Behörden erleichtern, ihre Daten mit Unternehmen und Wissenschaftlern zu teilen.

Wird Europa der Daten-Kontinent Nummer eins?

Der Rechtsakt soll es auch für Bürger und Unternehmen einfacher machen, Daten für einen guten Zweck zu spenden. Patienten können dann ihre Angaben freiwillig und anonymisiert der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen. Wer solche Spenden empfangen will, muss sich registrieren lassen und besondere Regeln beachten. Dafür darf dieser Sammler mit einem Logo für sich werben, das seine Vertrauenswürdigkeit bestätigt.

Ein Ziel ist der Aufbau gemeinsamer europäischer Datenräume in Bereichen wie Gesundheit, Energie, Verkehr oder Landwirtschaft. Diese Datenräume sollen wie Pools sein, in die Behörden und Firmen aus allen Mitgliedstaaten Daten fließen lassen. Forscher und Software-Entwickler können in diese Pools eintauchen und die Daten verwenden.

Verhandlungsführerin im EU-Parlament war die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler. "Die Daten-Revolution wird nicht auf Europa warten", sagt sie. "Wir müssen nun handeln, wenn europäische Digitalfirmen zu den Top-Innovatoren weltweit gehören wollen." Das Gesetz werde es "einfach und sicher machen, die reichen Daten-Silos anzuzapfen, die überall in der EU verteilt sind". Der deutsche Branchenverband Bitkom lobt besonders, dass der Rechtsakt "europaweit einheitliche Regeln für das Teilen von Daten" festlege.

Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton sagt, die Verordnung fördere den Datenaustausch, indem sie "Vertrauen schafft" und Bürgern und Firmen die Kontrolle über die Verwendung ihrer Daten lasse. Dies solle dazu beitragen, "Europa zum Daten-Kontinent Nummer eins auf der Welt zu machen".

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