Regulierung:Wem gehören die Daten meines Autos?

Regulierung: Autos erheben mit ihren Sensoren viele Daten. Künftig soll der Fahrer bestimmen, wer diese Daten nutzen darf.

Autos erheben mit ihren Sensoren viele Daten. Künftig soll der Fahrer bestimmen, wer diese Daten nutzen darf.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Vernetzte Geräte sammeln ständig Informationen. Die EU-Kommission legt nun fest, wer diesen Schatz heben darf. Mächtige US-Konzerne sollen nicht profitieren - eine heikle Vorgabe.

Von Björn Finke, Brüssel

Es ist ein Schatz, seine Größe wächst, und er ist weitgehend ungehoben: Immer mehr Fabrikroboter und Mähdrescher, Autos und Spülmaschinen sind mit Unmengen an Sensoren ausgestattet, die ständig Daten erheben. Viele dieser Geräte sind auch vernetzt, können also Daten senden und empfangen. Wer die Daten aus diesem sogenannten Internet der Dinge sammelt und auswertet, kann daraus neue Geschäftsmodelle entwickeln. Man könnte etwa dank der Informationen genauer vorhersagen, wann ein Gerät Probleme machen wird, und günstige Wartung anbieten. Oder man könnte den Bauern datengestützt beraten, wie er Aussaat und Ernte optimiert.

Doch bisher werde "nur ein geringer Teil" solcher Daten genutzt, "und das Wachstums- und Innovationspotenzial ist enorm", sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton am Mittwoch in Brüssel. Der Franzose präsentierte dort den Entwurf für ein Datengesetz, das Abhilfe schaffen soll. Die Verordnung stellt klar, dass der Käufer eines Geräts, sei es die Spülmaschine oder der Roboter, das Recht hat, die Daten zu verwerten, welche die Maschine erzeugt. Das ist nicht selbstverständlich. Bislang wollen die Produzenten den Schatz oft für sich behalten - doch dies führt nach Einschätzung der Kommission dazu, dass die Informationen nicht richtig versilbert werden.

Das EU-Gesetz, mit dem sich nun Europaparlament und Ministerrat als Gremium der Mitgliedstaaten befassen müssen, erlaubt es den Käufern, die Daten ihres Geräts mit Dritten zu teilen: zum Beispiel mit Software-Start-ups, die sich darauf spezialisiert haben, Informationen bestimmter Maschinen auszuwerten und dann Hinweise zum besseren Einsatz zu geben. Oder mit einem Reparaturdienst für die defekte Spülmaschine, dem es die Arbeit erleichtert, wenn er die Daten des Küchenhelfers auslesen kann. Für den Hersteller bedeutet das im Zweifel mehr Konkurrenz auf dem Markt für Wartung und Reparaturen.

Das Datengesetz ist eine wichtige Ergänzung zum Daten-Governance-Gesetz, das EU-Parlament und Ministerrat bereits verabschiedet haben. Das Governance-Gesetz legt Regeln zum einfachen Austausch und Bündeln von Daten fest, ohne dass Bürger Angst um ihre Privatsphäre haben müssen. Das Datengesetz beantwortet nun die entscheidende Frage, wer unter welchen Bedingungen die Daten auswerten darf. Kommissar Breton hofft, mit diesen Gesetzen die Digitalwirtschaft in der EU zu fördern und aufzuholen zu jenen US-Konzernen, die mit dem Analysieren von Nutzerdaten reich und mächtig geworden sind: zum Beispiel Google, Meta und Amazon.

Hersteller dürfen Daten nicht automatisch auswerten

Die Kommission will mit einem Gesetz über digitale Märkte, abgekürzt DMA, das Wettbewerbsrecht für solch mächtige Online-Plattformen verschärfen. Zugleich legt nun das Datengesetz ausdrücklich fest, dass Konzerne, die wie Google und Amazon unter das DMA fallen, nicht von der neuen großen Freiheit bei Daten profitieren sollen. Das Datengesetz soll also nach Willen der Kommission nicht dazu führen, dass Europas Verbraucher Google jetzt auch noch die Daten ihrer Spülmaschine und ihres Autos anvertrauen. Frederic Geber, Regulierungsexperte im Düsseldorfer Büro der Anwaltskanzlei Hengeler Mueller, sagt aber, dieses Verbot "könnte verfassungswidrig sein: Die Kommission begründet diese Einschränkung nicht überzeugend, das wirkt protektionistisch".

Geber beklagt außerdem, dass Hersteller zwar Daten teilen müssen, aber "umgekehrt nicht automatisch das Recht haben, die Daten ihrer verkauften Geräte auszuwerten". Sie müssten das dem Gesetzentwurf zufolge extra vertraglich vereinbaren mit den Kunden. "Ich finde das schade, denn dies könnte bestehende Initiativen der Industrie ausbremsen, eigene Geschäftsmodelle, etwa zur Wartung, zu entwickeln", sagt der Jurist.

"Gut gemeint, aber nicht gut gemacht"

Iris Plöger vom deutschen Industrieverband BDI warnt sogar, die "Datenzugangs- und Datenteilungspflichten" würden "die Attraktivität des Standorts beeinträchtigen". Angelika Niebler, die Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, befürchtet wiederum, dass die Verträge zwischen Verbrauchern und Firmen zum Datenteilen zu komplex werden: "Wir müssen sicherstellen, dass es nicht zu komplizierten Verklausulierungen kommt, die die Nutzerinnen und Nutzer nicht einfach durchblicken können."

Die FDP-Europaabgeordnete Nicola Beer nennt das EU-Gesetz "gut gemeint, aber im derzeitigen Vorschlag noch nicht gut gemacht". So müssten Hersteller bessere Garantien zum Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse erhalten, wenn sie Daten ihrer Geräte freigeben. Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken spricht von "einem Drahtseilakt", weil faire Bedingungen für das Teilen von Daten nötig sind, die Daten aber gleichzeitig vor Missbrauch geschützt werden müssen.

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