Streit um Ökonom Hayek:Richtungsstreit unter Liberalen

Friedrich August von Hayek 1889 1992 en 1948 Economiste autrichien Nobel d économie 1974 AUFNA

Friedrich August von Hayek warf den Konservativen vor, "gut untermauerte neue Erkenntnisse abzulehnen, weil ihnen manche Folgen [...] nicht behagen".

(Foto: Leemage/imago)
  • Die Hayek-Gesellschaft kommt nicht zur Ruhe. Die Mitglieder streiten weiter über die richtige Auslegung des Erbes des Ökonomen.
  • Ausgelöst hatte den Zwist die inzwischen zurück- und ausgetretene Vorsitzende Karen Horn, die einigen Mitgliedern recht unverhohlen Rechtspopulismus vorwirft.
  • Wirtschaftsnobelpreisträger Hayek hätte ihr wohl zugestimmt.

Porträt von Nikolaus Piper

Liberale haben es schwer in diesen Tagen. Der politische Liberalismus in Gestalt der FDP ist aus dem Bundestag geflogen, liberale Intellektuelle gelten als "neoliberal", was ein Schimpfwort ist. Und jetzt gibt es noch Streit im eigenen Haus. Die Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft macht in der Regel wenig Schlagzeilen.

Der Verein wurde 1998 gegründet, um das Erbe des großen liberalen Ökonomen Hayek zu pflegen. In ihm sammelten sich Liberale aller Schattierungen. Bis jetzt. Nach einer - so schildern es Teilnehmer - sehr kontroversen Mitgliederversammlung legten die Vorsitzende, die Wirtschaftspublizistin Karen Horn, und ihr Stellvertreter Michael Wohlgemuth, ihre Ämter nieder und traten aus dem Verein aus. In der Gesellschaft, erklärten sie, sei "ein politisches Milieu ans Licht gekommen, das mit den Zielen einer wissenschaftlichen Gesellschaft, die den Namen des Nobelpreisträgers Friedrich August von Hayek zu tragen beansprucht, nicht mehr zu vereinbaren" sei. Unausgesprochen der Vorwurf: Rechtspopulismus. Der Wirtschaftsprofessor Gerd Habermann, Mitglied des Restvorstands, warf Horn daraufhin vor, sie habe der Gesellschaft ein "im Zweifel eher linkes Liberalismusverständnis" oktroyieren wollen. Und der Anwalt Carlos Gebauer fragte gar: "Hat Karen Horn am Ende nur erfolglos geputscht?"

Auch FDP-Chef Christian Lindner hat die Gesellschaft verlassen

Und mit dem Ausscheiden der Vorsitzenden ist der Streit um die Hayek-Gesellschaft noch lange nicht vorbei. Es ist, als sei ein Nerv des deutschen Liberalismus getroffen worden. Mit Horn und Wohlgemuth traten 50 weitere Mitglieder aus, darunter Otmar Issing, der frühere Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, der Münchner Unternehmer Randolf Rodenstock und der Vorsitzender der FDP, Christian Lindner. Letzteres ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil der frühere FDP-Bundestagsabgeordnete und Euro-Kritiker Frank Schäffler weiter in der Gesellschaft bleibt.

Bei dem Streit mag Menschliches eine Rolle spielen, es geht auch um Stil. Michael Hüther vom IW begleitete seinen Austritt mit dem "Hang (der Gesellschaft) zur reinen Selbstbezüglichkeit, zur bewussten Nichtanschlussfähigkeit an die wissenschaftlichen und öffentlichen Debatten, zur Sektiererei und zur heiligen Überhöhung Hayeks". Und es geht um Ideologie. Horn hatte die Debatte bereits am 17. Mai in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gestartet. Darin warnte sie vor "Reaktionären" im Liberalismus und forderte, "zu intellektueller Ernsthaftigkeit, Demut und Anstand zurückzukehren".

Als Beispiel für das Reaktionäre im Liberalismus nannte sie ein historisches Beispiel: den liberal-konservativen deutschen Ökonomen Wilhelm Röpke (1899-1966). Röpke war in der jungen Bundesrepublik nach 1949 ungeheuer einflussreich. Er hatte während der Nazizeit in Istanbul im Exil gelebt. Ludwig Erhard, der Vater der Sozialen Marktwirtschaft, erzählte, er habe Röpkes Bücher noch vor 1945 gelesen und sie als "Offenbarung" empfunden. Röpke verband in seinem Denken klassischen Liberalismus mit konservativer Kapitalismuskritik. Er träumte sich eine Marktwirtschaft ohne Konzerne, nur mit Kleinproduzenten, er lehnte die politische Einigung Europas ab. Von ihm stammt ein Satz, der auch heute noch oft zitiert wird: "Markt, Wettbewerb und das Spiel von Angebot und Nachfrage erzeugen jene sittlichen Reserven nicht (die eine Gesellschaft braucht). Sie setzen sie voraus und verbrauchen sie."

Legendärer Streit zwischen Hayek und Röpke

Hayek dachte ganz anders. Er stand in der Tradition des englischen Liberalismus und glaubte an die "spontane Ordnung" der Märkte, die jene Werte und Normen entwickle, die für das Überleben einer Gesellschaft notwendig sind. In der neoliberalen Mont-Pèlerin-Gesellschaft lieferten sich Hayek und Röpke einen legendären Streit, der mit Röpkes Austritt endete. Dieser wurde danach tatsächlich verbittert und reaktionär. Er reiste nach Südafrika und verteidigte dort das System der Rassentrennung. Die Forderung nach gleichen Rechten für alle komme der Einladung zum "nationalen Selbstmord" gleich, sagte er.

Eines des verbliebenen Mitglieder der Hayek-Gesellschaft, der Bonner Soziologe Erich Weede, kritisierte Horn in einem Beitrag in der Jungen Freiheit gerade deshalb, weil sie Röpke einen "Reaktionär" genannt hatte. Dann zitiert er Röpke zustimmend mit folgendem Satz: "Was die Masseneinwanderung betrifft, so besteht zweifellos nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht jeder Nation, sie einer qualitativen Kontrolle zu unterwerfen, die das geistige Patrimonium, die politische Tradition, den ethnisch-sprachlichen Charakter und die soziale Struktur des Landes vor einer unter diesen Gesichtspunkten unerwünschten Einwanderung schützt." Es sind denn auch die Themen Einwanderung, Europa und die gleichgeschlechtliche Ehe, die Liberale heute auseinanderbringen.

Hayek wäre nie auf die Idee gekommen, die soziale Struktur eines Landes schützen zu wollen. Er misstraute dem Staat, in welcher Form und bei welcher Aufgabe auch immer. So forderte erfolglos, die "Denationalisierung des Geldes". Ihm war, aus der englischen Tradition kommend, die Fixierung der Deutschen au den Begriff der "Ordnung" fremd. Seinem Hauptwerk, der "Verfassung der Freiheit", fügte er ein Nachwort hinzu, in dem er ausführlich begründet, warum er liberal, aber nicht konservativ ist. Darin wirft er den Konservativen ihre Neigung vor, "gut untermauerte neue Erkenntnisse abzulehnen, weil ihnen manche Folgen, die sich draus zu ergeben scheinen, nicht behagen". Hayek nannte das "Obskurantimus". Heute hätte er vielleicht gesagt: Rechtspopulismus.

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